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Kategorie: John Michael Greer (Seite 2 von 3)

4 — Das Zeitalter der industriellen Mangelgesellschaft

Auf die­sem Blog wie anders­wo wur­de schon des Öfte­ren dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die Bereit­schaft, sich den Rea­li­tä­ten des Hub­bert-Maxi­mums zu stel­len, nicht wenig mit der Bereit­schaft zu tun hat, sich mit dem bevor­ste­hen­den eige­nen Tod abzu­fin­den. Die fünf Pha­sen des Ster­bens, wie sie von Eli­sa­beth Küb­ler-Ross in einer Rei­he von Best­sel­lern in den 1970ern beschrie­ben wur­den – Nicht­wahr­ha­ben­wol­len, Zorn, Ver­han­deln, Depres­si­on und Akzep­tanz –, sind auch in den heu­ti­gen Peak-Oil-Kon­tro­ver­sen eini­ger­ma­ßen häu­fig zu beob­ach­ten. Es gibt gute Grün­de für die­se Par­al­le­le, denn das Ende des Zeit­al­ters der bil­li­gen und reich­lich vor­han­de­nen Ener­gie hat zur Fol­ge, dass wir uns von vie­len der heu­te gepfleg­ten Ansich­ten und Welt­an­schau­un­gen ver­ab­schie­den müs­sen, und außer­dem wird es dazu füh­ren, dass vie­le der heu­te Leben­den frü­her als erwar­tet ster­ben müssen. 

Mehr als zwan­zig Jah­re sind ver­gan­gen, seit ich mich bei einem der vie­len schlecht bezahl­ten Kurz­zeit­jobs, die ich nach dem Ver­las­sen des Col­le­ge aus­ge­übt habe, in Alten­hei­men um Ster­ben­de geküm­mert habe. Eine nähe­re Bekannt­schaft mit dem Sen­sen­mann, wäh­rend die Leu­te um einen her­um auf das Dreh­kreuz am Ende ihres Lebens zuei­len, ist aller­dings eine Lek­ti­on, die man nicht so schnell ver­gisst, und von die­ser War­te aus bin ich nicht ganz sicher, ob die Par­al­le­len nicht noch weit­rei­chen­der sind. Ins­be­son­de­re fällt auf, dass die­sel­ben fünf Pha­sen – oder wenigs­tens die ers­ten drei davon – auch cha­rak­te­ris­tisch für unse­re kol­lek­ti­ve Reak­ti­on auf die Gren­zen des Wachs­tums ins­ge­samt sind. 

Als bei­spiels­wei­se die Dia­gno­se Anfang der 1970er zum ers­ten Mal gestellt wur­de, ver­lief die unmit­tel­ba­re Reak­ti­on wie von Küb­ler-Ross vor­her­ge­se­hen: Nicht­wahr­ha­ben­wol­len. Bis zum Ende jenes Jahr­zehnts war aus die­ser Reak­ti­on eine über­wäl­ti­gen­de poli­ti­sche Kraft gewor­den. “Es wird Mor­gen in Ame­ri­ka”, ver­kün­de­te Ronald Rea­gan, wäh­rend sei­ne Arbei­ter die Heiß­was­ser-Solar­an­la­ge abris­sen, die Jim­my Car­ter auf dem Dach des Wei­ßen Hau­ses instal­liert hat­te – in man­cher­lei Hin­sicht der poli­ti­sche Akt, der die Acht­zi­ger defi­niert. Poli­ti­sche Trick­se­ri­en und das scho­nungs­lo­ses Leer­pum­pen der Ölfel­der in Alas­ka und in der Nord­see zwan­gen den Ölpreis auf das nied­rigs­te Niveau sei­ner Geschich­te und erlaub­ten der indus­tria­li­sier­ten Welt, in einer letz­ten Orgie des Mas­sen­kon­sums zu schwel­gen, dem fina­len Knall­ef­fekt des Überflusszeitalters. 

Die nächs­te Pha­se auf der Lis­te von Küb­ler-Ross, der Zorn, stell­te sich pünkt­lich ein, als die Acht­zi­ger den Neun­zi­gern wei­chen muss­ten, und am Ende die­ser Deka­de war wie­der­um eine poli­ti­sche Kraft dar­aus gewor­den, die ihre Gali­ons­fi­gur ins Amt hob, mit ein wenig Unter­stüt­zung von feh­ler­haf­ten Wähl­ma­schi­nen und dem Obers­ten Gericht. Die US-Inva­sio­nen in Afgha­ni­stan und Irak spiel­ten in die­ser neu­en Pha­se die­sel­be Rol­le, die der Abriss der Solar­an­la­ge des Wei­ßen Hau­ses in der alten gespielt hat­te, ein ein­deu­ti­ges Zei­chen dafür, dass die neue Hal­tung in das Ram­pen­licht unse­res natio­na­len Poli­tik­sta­dels gerückt war. Es wird inter­es­sant sein zu beob­ach­ten, ob der Gewin­ner der Wah­len 2008 eine schwä­che­re Ver­si­on der Poli­tik von Bush II ver­folgt, so wie Nixon in Bezug auf John­son und Bush I in Bezug auf Rea­gan, und das Land mit Pau­ken und Trom­pe­ten pünkt­lich um 2012 her­um in den Orkus führt – die Geschich­te wie­der­holt sich nicht, wie das Sprich­wort weiß, aber manch­mal reimt sie sich aus­ge­spro­chen gut. 

Wie dem auch sei, die Pha­se des Zorns geht lang­sam ihrem Ende ent­ge­gen. Sogar die Mana­ger von Ölfir­men erwäh­nen jetzt das Ölför­der­ma­xi­mum und die glo­ba­le Erwär­mung, und die Poli­ti­ker sind nicht mehr ganz so radi­kal ableh­nend und sprin­gen bereits auf den einen oder ande­ren Zug auf – Etha­nol, Bio­die­sel und was es sonst noch so alles gibt. Hier­in zeigt sich deut­lich der Beginn der Pha­se des Ver­han­delns. Die­se Pha­se hat gewis­se Vor­tei­le: Wo das Nicht­wahr­ha­ben­wol­len den Tod ver­leug­net und der Zorn einen Schul­di­gen fin­den will, sucht das Ver­han­deln nach Wegen, um den Sen­sen­mann dazu zu brin­gen, sei­ne Mei­nung zu ändern. Ich habe schon ander­wei­tig argu­men­tiert, dass die Zeit, in der wir noch Gele­gen­heit gehabt hät­ten, Nie­der­gang und Fall der Indus­trie­ge­sell­schaft zu ver­hin­dern, seit lan­gem ver­stri­chen ist. Das bedeu­tet aller­dings nicht, dass wir den Nie­der­gang nicht abfe­dern und aller­lei Wert­vol­les in dem her­an­na­hen­den Durch­ein­an­der ret­ten könn­ten, und die­se Zie­le soll­ten momen­tan auf der Tages­ord­nung der indus­tria­li­sier­ten Welt ganz oben stehen. 

Der ers­te Über­gang, den wir, wie ich in ver­schie­de­nen Bei­trä­gen hier vor­ge­schla­gen habe, auf der Kur­ve des “Lan­gen Abstiegs” zu erwar­ten haben, wird uns von einer Form der Indus­trie­ge­sell­schaft, die auf dem Über­fluss auf­baut, zu einer ande­ren Form brin­gen, deren zen­tra­les Kenn­zei­chen der Man­gel ist. Die­se Form hat, von eini­gen Bei­spie­len von Kriegs­wirt­schaft abge­se­hen, kei­ne Vor­läu­fer, und der Über­gang dazu wird mit Sicher­heit von vie­ler­lei Fehl­starts und ver­geb­li­chen Ver­su­chen, die Denk­wei­sen der Ver­gan­gen­heit auf die Rea­li­tä­ten der Zukunft anzu­wen­den, geprägt sein. Trotz­dem ist die­ser Über­gang kei­nes­wegs unmög­lich, und er wird ver­mut­lich ein­fa­cher zu bewerk­stel­li­gen sein als vie­le ande­re, die uns noch bevorstehen. 

Die Natur der Her­aus­for­de­rung ist nicht all­zu kom­plex. Der wirt­schaft­li­che Rah­men der moder­nen indus­tri­el­len Welt ist auf Wachs­tum aus­ge­rich­tet: unter ande­rem von Waren und Dienst­leis­tun­gen, Tech­no­lo­gie, Ener­gie­ver­brauch, Res­sour­cen­nut­zung und Bevöl­ke­rung. Das kann nicht so wei­ter­ge­hen, wenn wir den nächs­ten paar Jah­ren immer här­ter an die Gren­zen des Wachs­tums pral­len, und vie­les – begin­nend mit dem Wirt­schafts­sys­tem der indus­tria­li­sier­ten Welt – wird sich ent­spre­chend ändern müssen. 

Der Gip­fel­punkt der welt­wei­ten Ölför­de­rung liegt nun schon bei­na­he zwei Jah­re hin­ter uns, und in weni­gen Jah­ren dürf­te es zu erns­ten Rück­gän­gen der För­de­rung kom­men. Wie ernst sie sein wer­den, kann man heu­te nur raten, aber wenn man das Absin­ken der För­de­rung aus bestehen­den Quel­len gegen För­der­men­gen aus neu­en Fel­dern und unkon­ven­tio­nel­len Quel­len wie Ölsand und Bio­die­sel auf­rech­net, soll­te ein Rück­gang von 4 bis 5 % jähr­lich wäh­rend des ers­ten Jahr­zehnts wahr­schein­lich sein. Die­ser Rück­gang bedeu­tet einen schwe­ren Schlag für die bestehen­den wirt­schaft­li­chen und sozia­len Sys­te­me. Aber eben­so, wie jähr­li­che Erhö­hun­gen der För­der­men­ge von 4 bis 5 % kein Uto­pia geschaf­fen haben, wer­den För­der­rück­gän­ge der­sel­ben Grö­ßen­ord­nung nicht die Apo­ka­lyp­se einläuten. 

Ein sehr gro­ßer Pro­zent­an­teil der in einer moder­nen Indus­trie­ge­sell­schaft ver­wen­de­ten Ener­gie ist letz­ten Endes Ver­schwen­dung. In einer Zeit der bil­li­gen, im Über­fluss vor­han­de­nen Ener­gie ist es pro­fit­träch­tig, Ener­gie für Din­ge ein­zu­set­zen, die wirt­schaft­lich nicht pro­duk­tiv sind, da der Gewinn aus dem Ver­kauf der Ener­gie die kurz­fris­ti­gen Kos­ten der Ver­schwen­dung über­steigt. Der Tou­ris­mus, gera­de heu­te der welt­weit größ­te Indus­trie­zweig, ist ein klas­si­sches Bei­spiel dafür. Eine Stil­le­gung der Tou­ris­mus­bran­che – wie von allen betei­lig­ten Län­dern des zwei­ten Welt­kriegs vor­ge­macht – und die Umlei­tung der heu­te für den Tou­ris­mus ver­geu­de­ten Res­sour­cen für ande­re Zwe­cke könn­ten Indus­trie­ge­sell­schaf­ten in die Lage ver­set­zen, einen star­ken Rück­gang ihrer Ener­gie­er­zeu­gung zu über­ste­hen, ohne dass die Ver­sor­gung mit lebens­not­wen­di­gen Gütern und Dienst­leis­tun­gen gefähr­det wäre. Das­sel­be gilt für vie­le ande­re Aspek­te unse­rer heu­ti­gen Verschwendungswirtschaft. 

Ins­be­son­de­re in Ame­ri­ka macht das schie­re Aus­maß der Ener­gie­ver­schwen­dung enor­me Effi­zi­enz­stei­ge­run­gen zu einer rela­tiv ein­fa­chen Auf­ga­be. Der Durch­schnitts­ame­ri­ka­ner ver­braucht dop­pelt so viel Ener­gie wie der Durch­schnitts­bri­te und drei­mal so viel wie der Durch­schnitt­s­eu­ro­pä­er, und das, um einen Lebens­stan­dard zu errei­chen, der eini­gen Maß­zah­len zufol­ge nicht ein­mal eben­so hoch ist wie der dor­ti­ge. Jahr­zehn­te kurz­sich­ti­ger Pla­nun­gen und unbe­hol­fe­ner Wirt­schaft­po­li­tik müs­sen in Win­des­ei­le rück­gän­gig gemacht wer­den, wenn den Ame­ri­ka­nern klar wird, dass ihre aus­ufern­den Vor­stadt­sied­lun­gen im Nach-Pend­ler-Zeit­al­ter nicht mehr funk­ti­ons­fä­hig sind, aber die damit ver­bun­de­nen Pro­ble­me sind nicht unlös­bar; die Wie­der­nutz­bar­ma­chung inner­städ­ti­scher Wohn­vier­tel und der Wie­der­auf­bau von Nah­ver­kehrs­sys­te­men könn­ten sogar genau jene neu­en Arbeits­plät­ze bie­ten, die ver­lo­ren­ge­hen, wenn Indus­trien, deren ein­zi­ger Lebens­zweck die Ener­gie­ver­schwen­dung ist, ange­sichts der neu­en, von Knapp­heit bestimm­ten Wirt­schafts­ge­ge­ben­hei­ten untergehen. 

Wie die­se Über­le­gun­gen nahe legen, dürf­te das lang­sa­me Ver­schwin­den der Ver­schwen­dungs­ge­sell­schaft die meis­ten öko­no­mi­schen Prä­mis­sen der letz­ten bei­den Jahr­zehn­te auf den Kopf stel­len. Die Tat­sa­che, dass ein Groß­teil der Kos­ten vie­ler heu­ti­ger Kon­sum­pro­duk­te durch deren Trans­port ver­ur­sacht wird, bedeu­tet das Todes­ur­teil für die glo­ba­li­sier­te Wirt­schaft, denn in Über­see her­ge­stell­te Güter wer­den letzt­end­lich nicht auf Märk­ten bestehen kön­nen, die durch Vor-Ort-Pro­duk­ti­on und regio­na­le Han­dels­net­ze bestimmt sind. Die ers­ten Anzei­chen des neu­en Res­sour­cen­na­tio­na­lis­mus sind bereits jetzt deut­lich spür­bar, da Ener­gie­re­ser­ven und stra­te­gi­sche Roh­stof­fe immer mehr zum Unter­pfand der poli­ti­schen und mili­tä­ri­schen Macht wer­den und Regie­run­gen dem­entspre­chend ihre Stra­te­gien ändern. Die­ses Ver­hal­ten dürf­te in den kom­men­den Jahr­zehn­ten immer extre­me­re Aus­ma­ße annah­men, je mehr die Anhän­gig­keit von aus­län­di­schen Res­sour­cen zu einer Schlin­ge um den Hals der Nati­on und je mehr die wirt­schaft­li­che Unab­hän­gig­keit – selbst bei einem dras­tisch gesun­ke­nen Lebens­stan­dard – zum Schlüs­sel für das Über­le­ben wird. 

All­ge­mei­ner könn­te man sagen, dass das Pen­del der Macht von den mul­ti­na­tio­na­len Groß­un­ter­neh­men, die in den letz­ten Jahr­zehn­ten so enorm ein­fluss­reich waren, zu sol­chen natio­na­len Regie­run­gen schwin­gen könn­te, die bereit sind, mili­tä­ri­sche Macht ein­zu­set­zen, um ihre ter­ri­to­ria­le Inte­gri­tät und den Zugang zu Res­sour­cen zu wah­ren. Wenn der Groß­teil der trans­na­tio­na­len Res­sour­cen­trans­fers zwi­schen Regie­run­gen ent­spre­chend dem Kal­kül des poli­ti­schen Vor­teils aus­ge­han­delt und nicht mehr auf dem offe­nen Markt nach dem Prin­zip des höchs­ten Gebots abge­wi­ckelt wird, wer­den die­je­ni­gen, deren ein­zi­ge Macht­quel­le ihr Geld ist, ihren Ein­fluss immer wei­ter schwin­den sehen. Im Gegen­zug wer­den eben jene Regie­run­gen, die das neue Macht­kal­kül am bes­ten beherr­schen, auch die Her­ren des Zeit­al­ters der indus­tri­el­len Man­gel­ge­sell­schaft sein. 

Aber wel­chen Ver­lauf die Ereig­nis­se auch neh­men – das Zeit­al­ter der indus­tri­el­len Man­gel­ge­sell­schaft wird einen eben­so vor­über­ge­hen­den Cha­rak­ter haben wie das dadurch abge­lös­te Zeit­al­ter der indus­tri­el­len Über­fluss­ge­sell­schaft. Solan­ge es anhält, wer­den der Zugang zu fos­si­len Brenn­stof­fen und ande­ren nicht erneu­er­ba­ren Res­sour­cen der Schlüs­sel zu inter­na­tio­na­ler Macht und natio­na­lem Über­le­ben sein, aber aus eben die­sem Grund wird die Erschöp­fung der fos­si­len Brenn­stof­fe und ande­rer nicht erneu­er­ba­rer Res­sour­cen uner­bitt­lich wei­ter vor­an­schrei­ten. Wenn die Res­sour­cen­ver­füg­bar­keit in einer Nati­on nach der ande­ren unter das Mini­mal­ni­veau für den Erhalt einer Indus­trie­ge­sell­schaft sinkt, wer­den die indus­tria­li­sier­ten Volks­wirt­schaf­ten sich auf­lö­sen und Platz für ande­re Wirt­schafts­for­men machen – in den Begrif­fen, die ich in ver­schie­de­nen Bei­trä­gen hier benutzt habe, aus­ge­drückt, han­delt es sich um sera­le Sta­di­en im Suk­zes­si­ons­pro­zess, der zu den öko­tech­ni­schen Gesell­schaf­ten der Zukunft führt. 

Schwer zu beant­wor­ten ist die Fra­ge, wel­che der der­zei­ti­gen Indus­trie­ge­sell­schaf­ten den Über­gang zur indus­tri­el­len Man­gel­ge­sell­schaft bewäl­ti­gen kön­nen und wel­che unter der Belas­tung zusam­men­bre­chen wer­den. Für die Ver­ei­nig­ten Staa­ten ste­hen bei­de Wege offen. Es wäre ein sel­te­ner Fall, dass sich eine Gesell­schaft, die sich unter ganz bestimm­ten wirt­schaft­li­chen Bedin­gun­gen an die Spit­ze des Ren­nens set­zen konn­te, die­sen Sta­tus bei­be­hal­ten kann, wenn sich die­se Bedin­gun­gen fun­da­men­tal ändern, und die glü­hen­de Hin­ga­be unse­rer Nati­on an die Öko­no­mie der Ver­schwen­dung hat fei­ne Belas­tungs­ris­se über­all in ihrer wirt­schaft­li­chen, sozia­len und poli­ti­schen Struk­tur ver­ur­sacht; der Zusam­men­fall des der­zei­ti­gen ame­ri­ka­ni­schen Welt­reichs ist daher eine aus­ge­mach­te Sache. Wenn die nächs­te Genera­ti­on ame­ri­ka­ni­scher Poli­ti­ker außer­ge­wöhn­lich schlau ist und eben­sol­ches Glück hat, könn­ten wir die Kur­ve des impe­ria­len Nie­der­gangs viel­leicht in etwa so bequem hin­ab­schlid­dern wie es uns Groß­bri­tan­ni­en vor­ge­macht hat. Falls nicht, könn­te uns eines der übli­chen Enden für Welt­rei­che bevor­ste­hen, von der Sta­gna­ti­on über die Kon­trak­ti­on bis hin zu Alp­traum­sze­na­ri­en des poli­tisch-mili­tä­ri­schen Zusam­men­bruchs und der Tei­lung durch feind­li­che Mächte. 

Dies ist einer der Grün­de dafür, dass es für Ame­ri­ka­ner aller Far­ben des poli­ti­schen Spek­trums nütz­lich wäre, mög­lichst bald die schlech­te Ange­wohn­heit auf­zu­ge­ben, den poli­ti­schen Geg­ner zu dämo­ni­sie­ren und sich in selbst­ge­rech­tem Zorn zu suh­len, und statt­des­sen nach kon­struk­ti­ven Optio­nen zu suchen. Die Zeit des Ver­han­delns, wenn Vor­be­rei­tun­gen für die schwie­ri­ge vor uns lie­gen­de Zukunft noch am bes­ten mög­lich sind, wird nicht ewig wäh­ren. Die ame­ri­ka­ni­sche Kul­tur neigt immer zu Extre­men: Sowohl das Nicht­wahr­ha­ben, das die Sieb­zi­ger und Acht­zi­ger blind mach­te, wie auch der Zorn, der sich in den Neun­zi­gern und heu­te bis zur Weiß­glut ent­fach­te, waren von ver­schwen­de­ri­schen Aus­ma­ßen. Die Pha­se des Ver­han­delns könn­te ihnen gleich­kom­men, und dies dürf­te aller Wahr­schein­lich­keit nach auch für die – wirt­schaft­li­che, sozia­le und spi­ri­tu­el­le – Depres­si­on gel­ten, die sich ein­stellt, wenn klar wird, dass mit dem Sen­sen­mann nicht mehr zu ver­han­deln ist. Wir kön­nen nur hof­fen, dass die Akzep­tanz, wenn sie denn kommt, ähn­li­cher gran­dio­ser Art sein wird. 

17. Okto­ber 2007 

http://thearchdruidreport.blogspot.com/2007/10/age-of-scarcity-industrialism.html

5 — Das Zeitalter der Ausschlachtung

Eine heut­zu­ta­ge weit ver­brei­te­te schlech­te Denk­ge­wohn­heit besteht in der Annah­me, dass der sozia­le und öko­no­mi­sche Wan­del aus­schließ­lich ein Pro­dukt mensch­li­cher Wil­lens­kraft und Anstren­gung sei. Die­ser Gedan­ke liegt natür­lich all den Ver­schwö­rungs­theo­rien zugrun­de, die eine äußerst beque­me Art dar­stel­len, den öko­lo­gi­schen Rea­li­tä­ten aus dem Weg zu gehen, aber er taucht auch in den ver­schie­dens­ten ande­ren Zusam­men­hän­gen auf, nicht zuletzt in den enthu­si­as­ti­schen, von diver­sen Tei­len des poli­ti­schen Spek­trums auf­ge­stell­ten Behaup­tun­gen, wir könn­ten alle eine bes­se­re Zukunft haben, wenn wir nur in die Hän­de spuck­ten und anfin­gen zu arbeiten. 

Die­se all­zu simp­le Annah­me ist in jeder nur mög­li­chen Hin­sicht pro­ble­ma­tisch, aber was ich beto­nen möch­te, ist der Umstand, dass dabei – wie so oft im zeit­ge­nös­si­schen Den­ken – der Fak­tor Natur igno­riert wird. Wie sehr wir uns auch anstren­gen mögen, eine von uns erwünsch­te Zukunft in die Rea­li­tät umzu­set­zen – wenn das ver­blei­ben­de Inven­tar an natür­li­chen Res­sour­cen der Erde die Roh­stof­fe für die­se Zukunft nicht mehr lie­fern kann, wird das Glück uns frü­her oder spä­ter ver­las­sen. Und selbst wenn die ange­streb­te Zukunfts­welt inner­halb der unnach­gie­bi­gen Begren­zun­gen der öko­lo­gi­schen Rea­li­tät umge­setzt wer­den könn­te, wird sie doch ein Traum­ge­bil­de blei­ben, wenn es eine ande­re Wirt­schafts- oder Gesell­schafts­form schafft, die­sel­ben Zie­le effi­zi­en­ter zu erreichen. 

Die indus­tri­el­le Wirt­schafts­wei­se, die gera­de lang­sam, aber sicher auf den Kom­post­hau­fen der Geschich­te zusteu­ert, ist schließ­lich auch nicht ent­stan­den, weil die Erd­be­woh­ner irgend­wie über­ein­ge­kom­men wären, sie gemein­sam zustan­de zu brin­gen. Und auch die Welt­eli­ten, wenn man denn die poli­ti­schen Klas­sen der ver­schie­de­nen Kul­tu­ren der Welt so bezeich­nen kann, haben eine sol­che Ent­schei­dung nicht getrof­fen; natür­lich gab es Intri­gen und Rän­ke der Indus­tri­el­len, die ihr Äußers­tes gaben, damit die­se Gesell­schafts­form sich wei­ter aus­brei­ten konn­te, aber jede Men­ge füh­ren­der Grup­pen in ande­ren, kon­kur­rie­ren­den Kul­tu­ren haben Leben und Besitz dafür ein­ge­setzt, sich gegen die­se Aus­brei­tung zu weh­ren – ver­geb­lich. Die indus­tri­el­le Zivi­li­sa­ti­on hat ihren Platz an der Son­ne errun­gen, weil die indus­tri­el­le Pro­duk­ti­ons­wei­se in einer Welt, in der fos­si­le Brenn­stof­fe – wenn man nur danach gra­ben oder boh­ren woll­te – in Hül­le und Fül­le zur Ver­fü­gung stan­den, effi­zi­en­ter war als die ihrer Riva­len und es den Gemein­schaf­ten, die sie ein­führ­ten, ermög­lich­te, auf Kos­ten derer zu flo­rie­ren, die dies nicht taten. 

In glei­cher Wei­se wer­den, je wei­ter das indus­tri­el­le Sys­tem die Umwelt­be­din­gun­gen aus­höhlt, die Vor­aus­set­zung sei­nes Gedei­hens sind, neue For­men, die bes­ser an die neu­en Rea­li­tä­ten ange­passt sind, den Indus­tria­lis­mus von heu­te bei­sei­te­schie­ben und sich an sei­ne Stel­le set­zen. Im Bei­trag der letz­ten Woche habe ich skiz­ziert, wie mei­ner Ansicht nach die ers­te die­ser For­men aus­se­hen könn­te: eine Art von indus­tri­el­ler Öko­no­mie – die Man­gel-Indus­trie­ge­sell­schaft –, die auf Res­sour­cen­na­tio­na­lis­mus setzt anstatt auf die Fata Mor­ga­na einer glo­ba­len Wirt­schafts­ord­nung und die Ver­tei­lung von Ener­gie und ande­ren knap­pen Res­sour­cen aus den Hän­den des Mark­tes nimmt und in die der Poli­tik legt. Die­se Form nimmt um uns her­um in den poli­ti­schen und Ener­gie­kon­flik­ten der Gegen­wart lang­sam Gestalt an; die Natio­nen, die eine Man­gel-Indus­trie­ge­sell­schaft im embryo­na­len Sta­di­um anstre­ben, flo­rie­ren dem­entspre­chend, wäh­rend die­je­ni­gen, die wei­ter­hin in den Prä­mis­sen des Zeit­al­ters des Über­flus­ses gefan­gen sind, den Preis dafür zah­len, den öko­lo­gi­schen Rea­li­tä­ten nicht ins Auge sehen zu wollen. 

Wie ich letz­te Woche schon geschrie­ben habe, mei­ne ich aller­dings, dass das Zeit­al­ter der Man­gel-Indus­trie­ge­sell­schaft selbst­be­gren­zend ist, weil die Aus­beu­tung der nicht-erneu­er­ba­ren Res­sour­cen, auf denen es beru­hen wird, nicht unbe­grenzt lan­ge fort­ge­setzt wer­den kann. Wenn die­se Res­sour­cen erst auf­ge­braucht sind, oder zumin­dest so weit erschöpft, dass es nicht mehr wirt­schaft­lich ist, ihre Aus­beu­tung zur Grund­la­ge einer Gesell­schafts­ord­nung zu machen, wird es zu einer neu­en Run­de im Spiel des his­to­ri­schen Wan­dels kom­men, bei der neue sozia­le und wirt­schaft­li­che For­men die Struk­tu­ren der Man­gel-Indus­trie­ge­sell­schaft ersetzen. 

An die­sem Punkt könn­ten wir uns in so etwas wie bekann­tem Gebiet wie­der­fin­den. Archäo­lo­gen auf der gan­zen Welt haben gelernt, nach ver­rä­te­ri­schen Anzei­chen zu suchen, anhand derer eine kol­la­bier­te Kul­tur iden­ti­fi­ziert wer­den kann, und eines davon ist die Wie­der­ver­wen­dung alter Struk­tu­ren für neue Zwe­cke. In den Rui­nen der alten Maya-Stadt Tikal bei­spiels­wei­se wur­den die Hin­ter­las­sen­schaf­ten der Men­schen aus­ge­gra­ben, die dort nach dem Zusam­men­bruch der klas­si­schen Maya-Kul­tur leb­ten. Wäh­rend die­ses letz­ten, unspek­ta­ku­lä­ren Nach­worts zur Geschich­te der Stadt wur­den aus den Paläs­ten der Her­ren von Tikal die Heim­stät­ten einer klei­nen Gemein­schaft von Bau­ern und Jägern, die in den städ­ti­schen Über­res­ten ein kärg­li­ches Dasein fris­te­ten und inmit­ten des ver­fal­len­den Glan­zes ihre Koch­feu­er anzün­de­ten und ein­fa­che Kera­mik her­stell­ten. Das­sel­be Phä­no­men zeigt sich in den Rui­nen von Städ­ten auf der gan­zen Welt, und die Sci­ence-Fic­tion-Autoren unse­rer eige­nen Kul­tur haben nicht ver­säumt, das The­mas als lite­ra­ri­sches Motiv zu ver­ar­bei­ten. Dem Gan­zen liegt aller­dings eine Fol­ge­rich­tig­keit zugrun­de, die sel­ten erkannt wur­de: Wenn eine Kul­tur zusam­men­bricht, besteht die effi­zi­en­tes­te Wirt­schafts­wei­se oft­mals dar­in, ihre Hin­ter­las­sen­schaf­ten als Roh­ma­te­ri­al zu nutzen. 

Um die Ursa­che dafür zu ver­ste­hen, ist ein klei­ner Umweg zu dem nütz­li­chen, von Howard T. Odum erfun­de­nen Kon­zept der “Emer­gy” (embo­di­ed ener­gy) zu machen, das im deutsch­spra­chi­gen Raum als “graue Ener­gie” oder “kumu­lier­ter Ener­gie­auf­wand” bekannt ist. Ganz grob gesagt ist die graue Ener­gie der Gesamt­be­trag an Ener­gie, der für die Her­stel­lung eines Guts oder das Erbrin­gen einer Dienst­leis­tung auf­ge­wen­det wur­de, ein­schließ­lich aller Ener­gie- und Mate­ri­al­flüs­se, die für das Ver­füg­bar­ma­chen die­ses Guts oder die­ser Dienst­leis­tung erfor­der­lich waren. In einer Kaf­fee­tas­se neben Ihrem Com­pu­ter bei­spiels­wei­se steckt die Ener­gie, die für den Abbau und die Ver­ar­bei­tung der Ton­er­de, die Bereit­stel­lung und Mischung von Roh­ma­te­ria­li­en für die Gla­sur, die Feue­rung des Brenn­ofens sowie den Trans­port der Roh­ma­te­ria­li­en zur Fabrik und der fer­ti­gen Tas­se zu Ihnen nach Hau­se benö­tigt wur­de. Die­se Ener­gie ist die in der Tas­se ent­hal­te­ne graue Ener­gie: Ohne dass die­ser Ener­gie­be­trag auf­ge­wen­det wird, gelangt kei­ne Kaf­fee­tas­se zu Ihnen – oder jeden­falls nicht auf die­sem Wege. 

Wenn Ener­gie bil­lig und reich­lich vor­han­den ist, spielt die graue Ener­gie im Prin­zip kei­ne Rol­le. Die Her­ren von Tikal muss­ten sich kei­ne gro­ßen Gedan­ken machen, wie viel Ener­gie ihre Arbeits­trupps für Trans­port, Bear­bei­tung und Auf­rich­tung der Stein­säu­len ihrer Paläs­te auf­wen­de­ten, eben­so wenig wie ihre moder­nen Gegen­stü­cke hin­sicht­lich der Ener­gie, die dafür benö­tigt wird, Kaf­fee­tas­sen und den Kaf­fee, mit dem sie befüllt wer­den, um die hal­be Welt zu trans­por­tie­ren. Auf dem Weg nach unten im Anschluss an einen Kol­laps wird die graue Ener­gie hin­ge­gen zu einem Über­le­bens­fak­tor von Schlüs­sel­be­deu­tung, denn die am reich­lichs­ten spru­deln­de Quel­le ver­füg­ba­rer grau­er Ener­gie sind die Über­bleib­sel der kol­la­bier­ten Zivi­li­sa­ti­on. Für die Über­le­ben­den des Zusam­men­bruchs von Tikal war es wesent­lich effi­zi­en­ter, ihren Unter­schlupf in den ver­fal­len­den Paläs­ten eines längst ver­gan­ge­nen Zeit­al­ters zu suchen und ihre äußerst beschränk­ten Res­sour­cen dar­auf zu kon­zen­trie­ren, in einer geschä­dig­ten Umwelt ihr Über­le­ben zu orga­ni­sie­ren, als irgend­wo am Ran­de der Rui­nen­stadt eige­ne Unter­künf­te zu errichten. 

Die unglaub­li­chen Men­gen an Ener­gie, die von den Indus­trie­ge­sell­schaf­ten der heu­ti­gen Welt so bei­läu­fig ver­schleu­dert wer­den, dürf­ten die­se Stra­te­gie nur noch wett­be­werbs­fä­hi­ger machen, nach­dem erst die Res­sour­cen, auf denen die Indus­trie­ge­sell­schaft beruht, den Weg der Reich­tü­mer Tikals genom­men haben. Stahl, das heu­te am häu­figs­ten ver­wen­de­te Metall, bie­tet ein gutes Bei­spiel. Ein 15 Meter lan­ger, in einem Hoch­haus ver­bau­ter Stahl­trä­ger ent­hält eine Rie­sen­men­ge an grau­er Ener­gie, denn das Erz – heut­zu­ta­ge in den USA meist min­der­wer­ti­ges Tako­nit mit weni­ger als 5 % Gewichts­an­teil an Eisen – muss erst abge­baut, geschmol­zen, gerei­nigt, gegos­sen, geformt und über wei­te Ent­fer­nun­gen trans­por­tiert wer­den, bevor es Teil eines Neu­baus wer­den kann. 

Um den­sel­ben Stahl­trä­ger in einem Zeit­al­ter der Deindus­tria­li­sie­rung nut­zen zu kön­nen, benö­tigt man hin­ge­gen nur eine Metall­sä­ge, um ihn in hand­li­che Tei­le zu zer­schnei­den, eine Kar­re, um ihn weg­zu­trans­por­tie­ren, sowie Schmie­de­ham­mer, Amboss und eine Holz­koh­len­es­se, um ihn in Nägel, Mes­ser, Pflug­scha­re, Sägen, Feu­er­waf­fen und tau­sen­der­lei ande­re nütz­li­che Din­ge zu ver­wan­deln. Dar­über hin­aus las­sen die wirt­schaft­li­chen Grund­ge­ge­ben­hei­ten der Metall­be­ar­bei­tung in einer nicht­in­dus­tri­el­len Gesell­schaft die­se Vor­ge­hens­wei­se sehr attrak­tiv wer­den, dürf­te doch ein 15 Meter län­ger Trä­ger aus gewöhn­li­chem Bau­stahl die Ver­sor­gung eines Dorf­schmieds mit dem nöti­gen Roh­ma­te­ri­al über einen län­ge­ren Zeit­raum sicherstellen. 

Der­sel­be könn­te sein eige­nes Roh­ma­te­ri­al zwar auch aus Rasen­erz gewin­nen, der tech­ni­schen Bezeich­nung für Eisen­sul­fidab­la­ge­run­gen, die in den meis­ten Feucht­ge­bie­ten der gemä­ßig­te Brei­ten durch che­mo­syn­the­tisch akti­ve Bak­te­ri­en gebil­det wer­den. Rasen­erz steht in gro­ßen Men­gen zur Ver­fü­gung, schließ­lich ist es seit Jahr­hun­der­ten nicht mehr kom­mer­zi­ell genutzt wor­den, und die meis­ten Lager­stät­ten Nord­ame­ri­kas, die abseits der Atlan­tik­küs­te lie­gen, sind noch unbe­rührt. Rasen­erz lässt sich auf ein­fa­che Wei­se in eine bear­beit­ba­re Form brin­gen – in der Völ­ker­wan­de­rungs­zeit oder im frü­hen kolo­nia­len Ame­ri­ka genüg­ten dafür ein­fa­che Holz­koh­le­feu­er –, und das­sel­be gilt auch für Rost, also Eisen­oxid, der haupt­säch­li­chen kom­mer­zi­el­len Quel­le für Eisen­erz in den Tagen, bevor enor­me ener­ge­ti­sche Sub­ven­tio­nen in Form von fos­si­len Brenn­stof­fen die Nut­zung min­de­rer Erze wie Tako­nit erlaubten. 

Nichts­des­to­trotz wird der von der heu­ti­gen Zivi­li­sa­ti­on für die Zukunft ein­ge­la­ger­te Stahl in kom­mer­zi­el­ler Hin­sicht sehr viel attrak­ti­ver sein. Ein klei­ner Teil davon besteht aus Hoch­tem­pe­ra­tur­le­gie­run­gen, zu deren Bear­bei­tung moder­ne Tech­no­lo­gie erfor­der­lich ist, aber der Groß­teil – Trä­ger, Röh­ren, Auto­fahr­ge­stel­le, Stahl­ble­che und vie­les mehr – kann bei Tem­pe­ra­tu­ren geschmie­det wer­den, die sehr viel nied­ri­ger sind als die für das Schmel­zen von Erz erfor­der­li­chen, und die Qua­li­tät ist oben­drein höher. Dies ist die natür­li­che Quel­le für Metall in Zeit­al­ter der Aus­schlach­tung, das auf die Epo­che der Man­gel-Indus­trie­ge­sell­schaf­ten fol­gen wird. Dar­über hin­aus gibt es Mil­li­ar­den von Ton­nen davon über die gesam­te heu­ti­ge indus­tri­el­le Welt ver­streut, eine Ver­sor­gung, die den deindus­tri­el­len Kul­tu­ren der Zukunft sehr lan­ge rei­chen wird. 

Man darf auch nicht ver­ges­sen, dass Stahl nur eines unter Hun­der­ten von Roh­ma­te­ria­len ist, die in den Rui­nen der heu­ti­gen Groß- und Klein­städ­te zu holen sein wer­den. Dass in moder­nen Häu­sern aller­hand Alu­mi­ni­um und Kup­fer ver­baut ist, hat sich inzwi­schen her­um­ge­spro­chen, und eini­ge der seit dem Plat­zen der Immo­bi­li­en­bla­se nicht mehr ver­käuf­li­chen Ein­hei­ten wur­den bereits ihrer Kup­fer­ka­bel und Alu-Fens­ter­rah­men beraubt, die von den Die­ben zu hap­pi­gen Prei­sen als Roh­me­tall wei­ter­ver­kauft wer­den. Übri­gens wer­den wohl auch, wie ich in einer mei­ner fik­ti­ven Vignet­ten der deindus­tri­el­len Zukunft aus­ge­malt habe, Tisch­ge­schirr und ande­re Haus­halts­gü­ter in so aus­rei­chen­der Zahl vor­han­den sein, dass ört­li­che Gemein­schaf­ten ein oder zwei Spei­cher­häu­ser zu ihrer Ein­la­ge­rung reser­vie­ren könn­ten, um ihre Bür­ger je nach Bedarf dar­un­ter aus­wäh­len zu las­sen. Zwei­fel­los wird es in dem Zeit­al­ter, das dem unse­ren folgt, vie­le ähn­li­che Ver­hal­tens­wei­sen geben. 

Auch wer­den die mate­ri­el­len Hin­ter­las­sen­schaf­ten des Indus­trie­zeit­al­ters nicht aus­schließ­lich als Roh­ma­te­ria­li­en genutzt wer­den. Vie­le Tech­no­lo­gien, die unter deindus­tri­el­len Bedin­gun­gen nicht mehr repro­du­zier­bar sind, wer­den wei­ter­hin ver­wen­dungs­fä­hig sein, ähn­lich wie bei vie­len mit­tel­al­ter­li­chen Städ­ten, deren Was­ser­ver­sor­gung auf römi­schen Aquä­duk­ten beruh­te, die sie selbst nicht hät­ten bau­en kön­nen. Viel hängt davon ab, in wel­chem Aus­maß und mit wel­cher Geschwin­dig­keit Wis­sen ver­lo­ren geht; an Orten, die irgend­ei­ne Art von funk­ti­ons­fä­hi­ger Elek­tri­zi­täts­er­zeu­gung auf­recht erhal­ten kön­nen, wird man in der Lage sein, Alt­ge­rä­te nut­zen zu kön­nen, für deren Nut­zung Elek­tri­zi­tät erfor­der­lich ist. Hier und dort wer­den ver­mut­lich noch mit Bio­die­sel oder Etha­nol betrie­be­ne Ver­bren­nungs­mo­to­ren ver­füg­bar sein; in einer deindus­tria­li­sier­ten Welt wird die Fähig­keit, sol­che Tech­no­lo­gien ein­set­zen zu kön­nen, ver­mut­lich eine sehr wirk­sa­me Quel­le wirt­schaft­li­cher und poli­ti­scher Macht dar­stel­len – und dies allein garan­tiert, dass sie auch ein­ge­setzt werden. 

Wie das ihm vor­an­ge­hen­de Zeit­al­ter der Man­gel-Indus­trie­ge­sell­schaft ist aller­dings auch das Zeit­al­ter der Aus­schlach­tung selbst­be­gren­zend, da die zugrun­de lie­gen­de Wirt­schafts­wei­se die Erschöp­fung der zugrun­de lie­gen­den Res­sour­cen garan­tiert. Letz­ten Endes und trotz unge­zähl­ter Repa­ra­tu­ren und Wie­der­zu­sam­men­set­zun­gen wer­den die Maschi­nen der Alten Zeit ihren Dienst ver­sa­gen; es wird kei­ne unkrau­t­über­wu­cher­ten Lager­häu­ser und seit lan­gem ver­las­se­nen Vor­städ­te mehr geben, deren tech­ni­sche Ein­rich­tun­gen man aus­schlach­ten könn­te, und irgend­wann – obwohl die­ser letz­te Punkt Jahr­tau­sen­de dau­ern kann – wer­den selbst die Rui­nen der Städ­te kein Metall mehr her­ge­ben. Im Ver­lauf die­ses lan­gen Pro­zes­ses der Erschöp­fung wer­den die öko­tech­ni­schen Gesell­schaf­ten der fer­nen Zukunft Gestalt anneh­men. Im Bei­trag der nächs­ten Woche wer­de ich eini­ge der Fra­gen behan­deln, um die es bei die­sem letz­ten Epo­chen­wan­del geht. 

24. Okto­ber 2007 

http://thearchdruidreport.blogspot.com/2007/10/age-of-salvage-societies.html

6 — Die Politik des Wandels

Eines der Din­ge, an dem es dem poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Den­ken der indus­tria­li­sier­ten Welt am meis­ten zu feh­len scheint, ist ein Gefühl für die Pro­zess­haf­tig­keit des Wan­dels. Man neh­me eine Ideo­lo­gie, wel­che auch immer, ob aus der poli­ti­schen Mit­te oder vom extrems­ten Rand, und in den aller­meis­ten Fäl­len ist es so, dass ihre jewei­li­gen Befür­wor­ter völ­lig auf den End­zu­stand der anzu­stre­ben­den Gesell­schafts­form fixiert sind, ohne sich groß dar­um zu küm­mern, wie die heu­ti­ge Gesell­schaft denn dort­hin kom­men soll – oder was mit die­ser Gesell­schaft über­haupt als nächs­tes pas­sie­ren wird. 

Der Gedan­ke, dass sich die Gesell­schaft im Wan­del der Zei­ten in einem orga­ni­schen Pro­zess wei­ter­ent­wi­ckelt, der im Den­ken von Sozi­al­phi­lo­so­phen wie Edmund Bur­ke eine so zen­tra­le Rol­le spiel­te und in den ele­gan­ten Gewich­tun­gen der US-Ver­fas­sung ver­ewigt ist, fin­det heu­te kaum noch Unter­stüt­zer. Selbst die stu­fen­wei­se zu errei­chen­de Uto­pie Karl Marx’, die einen Auf­stieg des Kom­mu­nis­mus aus dem Sozia­lis­mus durch das fort­dau­ern­de Wir­ken des dia­lek­ti­schen Pro­zes­ses ent­warf, ist nicht mehr in Mode. Heut­zu­ta­ge sind wir weder bereit, auf den Ablauf orga­ni­scher Vor­gän­ge oder das Abster­ben des Staa­tes zu war­ten, noch möch­ten wir dar­über nach­den­ken, was pas­siert, wenn wir den gewünsch­ten Zustand denn erreicht haben. Wir wol­len, dass man uns unse­re per­fek­te Gesell­schaft fer­tig abge­packt in Weg­werf­tü­ten am Aus­ga­be­fens­ter des McDri­ve in die Hand drückt, bit­te ohne Gewürz­gur­ken, und dann ab die Post. 

Die­se Igno­rie­rung der Pro­zess­haf­tig­keit des Wan­dels hat wahr­schein­lich mehr als alles ande­re dazu bei­getra­gen, dass die sozia­len Bewe­gun­gen der letz­ten Jahr­zehn­te den Groß­teil ihrer Zie­le nicht erreicht haben. Ana­log dazu und aus den­sel­ben Grün­den muss auch jeder Ver­such, bei­spiels­wei­se in den nächs­ten zwan­zig Jah­ren eine Öko­tech­nik-Gesell­schaft aus dem Boden zu stamp­fen, zum Schei­tern ver­ur­teilt sein. Wie ich schon in den letz­ten Blog­bei­trä­gen hier geschrie­ben habe, hän­gen mei­ner Mei­nung nach die wirt­schaft­li­chen und gesell­schaft­li­chen For­men, die sich unter bestimm­ten Umwelt­be­din­gun­gen am erfolg­reichs­ten durch­set­zen, weit­aus stär­ker von eben die­sen Bedin­gun­gen und ihren Wech­sel­wir­kung mit den jeweils ver­füg­ba­ren Res­sour­cen und Tech­no­lo­gien ab als von frei­en mensch­li­chen Wil­lens­ent­schei­dun­gen. Öko­tech­nik-Gesell­schaf­ten kön­nen erst dann ent­ste­hen und flo­rie­ren, wenn die spe­zi­fi­schen Wech­sel­wir­kun­gen zwi­schen Mensch­heit und Umwelt sie zur opti­ma­len Wahl machen. 

In der Pra­xis bedeu­tet dies, dass bei wei­ter anhal­ten­der Ver­füg­bar­keit grö­ße­rer Men­gen von fos­si­len Brenn­stof­fen indus­tri­el­le Man­gel­ge­sell­schaf­ten oder ähn­li­che For­men grö­ße­re Aus­sich­ten auf Erfolg haben. Solan­ge dann in einem wei­te­ren Schritt die Roh­ma­te­ria­li­en und geret­te­ten Tech­no­lo­gien des Indus­trie­zeit­al­ters im grö­ße­ren Umfang zur Ver­fü­gung ste­hen, wird es aus­sichts­rei­cher sein, auf Aus­schlach­tung zu set­zen. Erst danach, wenn die für mensch­li­che Gesell­schaf­ten ver­füg­ba­ren Res­sour­cen wie frü­her auf das beschränkt sind, was die Erde erneu­er­bar zur Ver­fü­gung stellt, wer­den Öko­tech­nik-Gesell­schaf­ten – mensch­li­che Kul­tu­ren, die Hoch­tech­no­lo­gie mit einer nach­hal­ti­gen Res­sour­cen­ba­sis ver­bin­den – zur erfolg­ver­spre­chends­ten Option. 

Zwei ande­re Fak­to­ren tra­gen neben durch die Umwelt­be­din­gun­gen aus­ge­üb­ten Druck dazu bei, dass der Über­gang in eine Öko­tech­nik-Gesell­schaft län­ge­re Zeit in Anspruch neh­men wird. Zunächst ein­mal weiß nie­mand der heu­te Leben­den, wie eine wirk­lich nach­hal­ti­ge tech­no­lo­gi­sche Gesell­schaft aus­se­hen könn­te, und noch weni­ger, wie man sie auf­bau­en soll. Die ein­zi­ge Form von tech­no­lo­gi­scher Gesell­schaft, die wir bis heu­te ken­nen gelernt haben, ist der Indus­tria­lis­mus der ver­gan­ge­nen 300 Jah­re, und bei­na­he alles, das zum Funk­tio­nie­ren die­ses Sys­tems bei­trägt, wird umso weni­ger zur Ver­fü­gung ste­hen, umso wei­ter das Zeit­al­ter der bil­li­gen, im Über­fluss vor­han­de­nen Ener­gie sei­nem Ende ent­ge­gen­geht. Der vor uns lie­gen­de “Lan­ge Abstieg” ist – unter ande­rem – eine Chan­ce für die sozia­le Evo­lu­ti­on, die vie­le Bevöl­ke­rungs­grup­pen nut­zen wer­den, um vie­le unter­schied­li­che For­men der tech­ni­schen, wirt­schaft­li­chen und sozia­len Orga­ni­sa­ti­on zu erpro­ben, von denen eini­ge sich als erfolg­rei­cher als ande­re erwei­sen wer­den. Aus die­sem Pro­zess her­aus wer­den sich die erfolg­rei­chen öko­tech­ni­schen For­men der fer­nen Zukunft bilden. 

Die ande­re Sei­te des Pro­blems ist natür­lich poli­ti­scher Natur. Ein nicht unbe­trächt­li­cher Teil der Peak-Oil-Sze­ne ist dem weit ver­brei­te­ten Aber­glau­ben ver­fal­len, dass sämt­li­che poli­ti­sche Macht in den Hän­den einer bös­ar­ti­gen Eli­te liegt – man beach­te, wie Eli­ten in der zeit­ge­nös­si­schen Folk­lo­re immer bös­ar­tig sind, ganz wie Hexen und Stief­müt­ter in den Volks­er­zäh­lun­gen der Frü­hen Neu­zeit –, die per­sön­lich für alles Unrecht in der Welt ver­ant­wort­lich ist. Das ist eine unge­mein prak­ti­sche Denk­wei­se für intel­lek­tu­el­le Mit­tel­schicht­ler, die nicht ein­se­hen wol­len, in wel­chem Umfang sie an den Sys­tem, das sie vor­geb­lich ableh­nen, teil­neh­men und davon pro­fi­tie­ren, aber als Mit­tel, um Macht­be­zie­hun­gen inner­halb einer Gesell­schaft zu ver­ste­hen, ist sie nun wirk­lich voll­kom­men wert­los. Die moder­ne Indus­trie­ge­sell­schaft lässt sich bes­ser als eine viel­fäl­ti­ge Ansamm­lung von Macht­zen­tren ver­ste­hen, von denen jedes sei­ne eige­ne Grund­la­ge hat und ste­tig ver­sucht, sei­ne Macht wei­ter aus­zu­bau­en, Bünd­nis­se zu schlie­ßen und Ein­fluss auf das knir­schen­de Getrie­be von Staat, Gesell­schaft und Wirt­schaft zu nehmen. 

Meis­tens besteht das Ergeb­nis die­ser dif­fu­sen Macht­ver­tei­lung in gesell­schaft­li­cher Unbe­weg­lich­keit, aber es gibt zwei Mög­lich­kei­ten, wie eine sol­che Unbe­weg­lich­keit über­wun­den wer­den kann. Die ers­te davon ist ein cha­ris­ma­ti­scher Anfüh­rer (Fran­k­lin Dela­no Roo­se­velt bei­spiels­wei­se, oder Ronald Rea­gan) oder eine gesell­schaft­li­che Grup­pie­rung mit über­zeu­gend klin­gen­den Argu­men­ten und einem Plan (libe­ra­le Refor­mer in den 1960ern, Neo­kon­ser­va­ti­ve in den spä­ten 1990ern), die genü­gend Unter­stüt­zung durch die ver­schie­de­nen Macht­zen­tren gewin­nen kön­nen, um den Wan­del zu erzwin­gen. Die zwei­te Mög­lich­keit besteht in einem Anfüh­rer mit man­geln­dem Cha­ris­ma (etwa Jim­my Car­ter) oder einer Grup­pie­rung mit weni­ger über­zeu­gend klin­gen­den Argu­men­ten (Kon­ser­va­ti­ve in den 1960ern oder Lin­ke in den 1980ern und 1990ern), die aber den Sta­tus Quo in Fra­ge stel­len und dadurch die Macht­zen­tren zwin­gen, sich gegen sie zu ver­ei­nen, um ihre eige­ne Auto­no­mie zu erhalten. 

Nun ist es zwar denk­bar, dass die Peak-Oil-Bewe­gung einen cha­ris­ma­ti­schen Anfüh­rer fin­den oder einen Plan prä­sen­tie­ren könn­te, der so über­zeu­gend ist, dass er das ein­ge­bau­te Veto der Macht­struk­tu­ren in der Indus­trie­ge­sell­schaft und dadurch deren Unbe­weg­lich­keit über­win­den könn­te. Bis jetzt deu­ten aber in bei­den Fäl­len kei­ner­lei Zei­chen in die­se Rich­tung. Statt­des­sen haben Extre­me auf allen Sei­ten des poli­ti­schen Spek­trums damit begon­nen, ihre jewei­li­gen Her­zens­an­lie­gen als Ant­wor­ten auf das Hub­bert-Maxi­mum umzu­de­kla­rie­ren. Ich habe bereits frü­her in die­sem Blog dar­auf hin­ge­wie­sen, wie die offen neo­fa­schis­ti­sche Bri­tish Natio­nal Par­ty und ihr Möch­te­gern-Füh­rer Nick Grif­fin sich des Peak-Oil-The­mas bemäch­tigt haben, weil sie glau­ben, dass dies der ent­schei­den­de Fak­tor ist, der sie an die Macht kata­pul­tie­ren wird. Eben­so kann man aber links außen eine nicht enden­de Zahl von Stim­men hören, die mit glei­cher Inbrunst behaup­ten, dass der ein­zi­ge Weg, die Welt vor einem schlim­men Schick­sal zu bewah­ren, dar­in besteht, sofort die zukünf­ti­ge Gesell­schafts­form umzu­set­zen, die sie sich zum Favo­ri­ten erwählt haben. 

An die­se Stel­le wird die Blind­heit dem Pro­zess­cha­rak­ter des Wan­dels gegen­über zu einem unüber­wind­li­chen Hin­der­nis. Bei­na­he alle auf dem links- wie auf dem rechts­ex­tre­men Ende des Spek­trums erson­ne­nen Plä­ne wei­sen eini­ge wich­ti­ge Gemein­sam­kei­ten auf. Zunächst ein­mal set­zen sie vor­aus, dass sämt­li­che Grup­pen, die der­zeit die gesell­schaft­li­che Macht inne­ha­ben, sich dem Plan unter­wer­fen, was in der Pra­xis natür­lich bedeu­tet, sich den­je­ni­gen zu unter­wer­fen, die den Plan umset­zen und steu­ern. Eine wei­te­re Vor­be­din­gung der Plä­ne besteht in einem völ­li­gen Bruch mit der Ver­gan­gen­heit und der Ein­füh­rung eines neu­en Sys­tems, in dem die Spiel­re­geln grund­le­gend ent­spre­chend den Bedürf­nis­sen der neu­en Macht­ha­ber geän­dert wer­den. Man darf davon aus­ge­hen, dass die kon­sti­tu­ti­ven Macht­zen­tren der Indus­trie­ge­sell­schaft sich sol­chen For­de­run­gen mit ihrer gan­zen, nicht unbe­trächt­li­chen Stär­ke ent­ge­gen­stem­men werden. 

Was nicht unbe­dingt ein Feh­ler wäre. Die Erfolgs­quo­te für gesell­schaft­li­che, wirt­schaft­li­che und poli­ti­sche Pro­gram­me radi­kal neu­er Art, die von extre­mis­ti­schen Intel­lek­tu­el­len kon­zi­piert wur­den, ist gelin­de gesagt nicht all­zu hoch. Wie das trau­ri­ge Kapi­tel Mar­xis­mus deut­lich genug demons­triert hat, bedeu­tet der Umstand, dass ein Schrift­stel­ler eine über­zeu­gen­de Kri­tik des bestehen­den Sys­tems for­mu­lie­ren kann, nicht zwangs­läu­fig, dass der­sel­be Schrift­stel­ler auch weiß, wodurch es zu erset­zen wäre – wie man im heu­ti­gen Russ­land ger­ne sagt: “Alles, was Marx über den Kom­mu­nis­mus sag­te, war fasch, aber alles, was er über den Kapi­ta­lis­mus sag­te, war wahr” – und nur, weil ein vor­ge­schla­ge­ner Ersatz sich auf dem Papier gut macht, muss er noch lan­ge nicht in der Pra­xis funk­tio­nie­ren. Wenn eine Gesell­schaft unter enorm hohen Belas­tun­gen lei­det und vie­le Men­schen um ihren Lebens­un­ter­halt kämp­fen müs­sen, dürf­te die Ein­füh­rung eines uner­prob­ten Sys­tems als Über­le­bens­ga­ran­tie eher nicht die bes­te Wahl sein. 

Bedeu­tet dies, dass Refor­men völ­lig aus­ge­schlos­sen sind? Natür­lich nicht. Es wer­den sogar tief­grei­fen­de Refor­men nötig sein, wenn das Zeit­al­ter des bil­li­gen, reich­lich vor­han­de­nen Öls lang­sam zu Ende geht. Und ins­be­son­de­re hier in Ame­ri­ka wird sich inner­halb der nächs­ten fünf Jah­re ver­mut­lich aus denen bereits behan­del­ten Grün­den ein Zeit­fens­ter dafür öffnen. 

In den spä­ten 1990ern wur­de wie oben erwähnt die neo­kon­ser­va­ti­ve Bewe­gung in den USA zum jüngs­ten Bei­spiel einer Grup­pie­rung mit über­zeu­gend klin­gen­den Argu­men­ten und einem Plan, die es ver­stand, vie­le Macht­zen­tren hin­ter sich zu ver­ei­nen. Man hat die Auf­fas­sung ver­tre­ten – mei­ner Ansicht nach zu Recht –, dass der betref­fen­de Plan eine Reak­ti­on auf das bal­di­ge Ein­tre­ten des Hub­bert-Maxi­mums dar­stell­te und in aller Eile aus­ge­ar­bei­tet wur­de, nach­dem die Ent­schei­dung der Rea­gan-Ära, die Suche nach einem Ersatz für die US-Ölre­ser­ven dem frei­en Markt zu über­las­sen, sich end­gül­tig als Fehl­schlag erwie­sen hat­te. Der Plan der Neo­kon­ser­va­ti­ven ent­warf die Visi­on einer mili­tä­ri­schen Beset­zung der ölrei­chen Län­der des Nahen Ostens durch die USA, ange­fan­gen mit dem Irak, unter dem faden­schei­ni­gen rhe­to­ri­schen Deck­man­tel einer “Ver­brei­tung der Demo­kra­tie”. Die Geschich­te wird wenig gute Wor­te für sie haben; ihr Plan war schlecht kon­zi­piert und wur­de stüm­per­haft aus­ge­führt, sei­ne lang­fris­ti­gen Zie­le sind defi­ni­tiv nicht mehr erreich­bar, und zum jet­zi­gen Zeit­punkt steht das gesam­te Arran­ge­ment – zusam­men mit der wirt­schaft­li­chen und mili­tä­ri­schen Prä­senz der USA im Nahen Osten – am Ran­de eines kata­stro­pha­len Zusammenbruchs. 

Ob die­ser nun ein­tritt oder nicht, der neo­kon­ser­va­ti­ve Kon­sens, der der­zeit bei­de gro­ßen US-Par­tei­en (und ihre Gegen­stü­cke in Groß­bri­tan­ni­en, Aus­tra­li­en und ande­ren, eng mit den USA ver­bün­de­ten Län­dern) ver­eint, ist bereits dabei sich auf­zu­lö­sen. Die Anzie­hungs­kraft die­ses Kon­sens bestand ein­fach dar­in, dass nie­mand sonst irgend­wel­che Vor­schlä­ge hat­te, wie die USA ihre bedroh­te Posi­ti­on als beherr­schen­de Welt­macht hal­ten konn­ten. Das neo­kon­ser­va­ti­ve Fias­ko und sei­ne wahr­schein­li­chen Aus­wir­kun­gen auf Mili­tär, Poli­tik und Wirt­schaft wer­den dazu füh­ren, dass man die Prio­ri­tä­ten wie­der not­ge­drun­gen auf die har­ten Not­wen­dig­kei­ten des natio­na­len Über­le­bens legen muss, und unter sol­chen Umstän­den könn­te ein stim­mi­ger Plan, der den Schwer­punkt auf Ener­gie­spa­ren, erneu­er­ba­re Ener­gien, die Regio­na­li­sie­rung von Wirt­schaft und Land­wirt­schaft sowie die Revi­ta­li­sie­rung der Eisen­bahn- und Kanal­net­ze Ame­ri­kas legt, sehr vie­le Unter­stüt­zer gewinnen. 

Wird ein sol­ches Pro­gramm das Zeit­al­ter der Öko­tech­nik ein­läu­ten? Natür­lich eben­so wenig, wie es den Unter­gang der Indus­trie­ge­sell­schaft ver­hin­dern kann. Aber es könn­te dazu bei­tra­gen, das Zeit­al­ter der Deindus­tria­li­sie­rung weni­ger dra­ma­tisch begin­nen zu las­sen, vie­len Men­schen in den kom­men­den Jahr­zehn­ten so etwas wie Lebens­qua­li­tät so ver­schaf­fen, die sie sonst nicht hät­ten, und die Fun­da­men­te zu errich­ten, auf denen zukünf­ti­ge Genera­tio­nen auf­bau­en kön­nen. In ande­ren Wor­ten wür­de es bei die­sem Plan dar­um gehen, den “Lan­gen Abstieg” beherrsch­bar zu machen, anstatt den dar­auf­fol­gen­den Gesell­schaf­ten irgend­ei­ne will­kür­li­che Form aufzuzwingen. 

Es gibt ande­re Schrit­te der­sel­ben Art, die weni­ger von der Mit­wir­kungs­be­reit­schaft des Staa­tes abhän­gen, die es aber eben­so wert sind, dass man sie unter­nimmt, wenn der Über­gang aus dem Zeit­al­ter des Über­flus­ses her­aus begon­nen hat. Um die­se Schrit­te wird es in den nächs­ten Blog­bei­trä­gen hier gehen. 

 

31. Okto­ber 2007 

http://thearchdruidreport.blogspot.com/2007/10/politics-of-transition.html

7 — Doktor Faustus und die Affenfalle

Einer der Fak­to­ren, die eine ange­mes­se­ne Reak­ti­on auf die Kri­se der Indus­trie­ge­sell­schaft so schwer machen, hat sei­ne Ursa­che dar­in, wie tief die­se Kri­se in unse­rem grund­le­gends­ten Welt­ver­ständ­nis ver­wur­zelt ist. Albert Ein­steins berühm­ter Aus­spruch, dass man Pro­ble­me nie­mals mit der­sel­ben Denk­wei­se lösen kann, durch die sie ent­stan­den sind, war nie zutref­fen­der als heu­te. In beson­de­rem Maße gilt dies für vie­le der der­zei­ti­gen Ver­su­che, dem nahen­den Ölför­der­ma­xi­mum zu begeg­nen, die auf der­sel­ben Art von Logik beru­hen, die uns erst in unse­re heu­ti­ge Zwangs­la­ge gebracht hat, und deren “Lösun­gen” bes­tens geeig­net sind, unse­re Lage noch wesent­lich schlim­mer zu machen, als sie ohne­hin ist. 

Aus den Dut­zen­den guter Bei­spie­le dafür, die sich jeden Tag in den Nach­rich­ten fin­den, muss man unbe­dingt den wirt­schaft­li­chen Rück­schlag­ef­fekt her­aus­he­ben, der durch den Ver­such der US-Regie­rung, die strau­cheln­de ölba­sier­te Wirt­schaft des Lan­des durch Etha­nol am Leben zu erhal­ten, ver­ur­sacht wur­de. Je mehr Mais und ande­res Getrei­de aus der Lebens­mit­tel­ver­sor­gung in Auto­tanks umge­lenkt wer­den, des­to höher stei­gen die Prei­se für Ver­brauchs­gü­ter, des­to stär­ker kommt es zu infla­tio­nä­ren Ket­ten­re­ak­tio­nen über die gesam­ten wirt­schaft­li­che Nah­rungs­ket­te hin­weg und des­to wahr­schein­li­cher wird es mit­tel­fris­tig zu tat­säch­li­chen Nah­rungs­mit­tel­knapp­hei­ten kom­men. Vor mehr als zwan­zig Jah­ren wies Wil­liam Cat­ton in sei­nem bahn­bre­chen­den Werk Over­shoot dar­auf hin, dass Men­schen wäh­rend des Nie­der­gangs der Indus­trie­ge­sell­schaft gezwun­gen sein wür­den, mit ihren eige­nen Maschi­nen um Res­sour­cen zu kon­kur­rie­ren. Sei­ne Vor­aus­sa­ge ist heu­te bereits Realität. 

Das erin­nert nicht zuletzt an eine aus der kogni­ti­ven Psy­cho­lo­gie wohl­be­kann­te Meta­pher. Vor vie­len Jahr­hun­der­ten dach­te sich irgend­ein Schlau­fuchs in Süd­ost­asi­en eine Fal­le aus, um Affen mög­lichst effi­zi­ent mit Hil­fe ihrer eige­nen Denk­mus­ter fan­gen zu kön­nen. Die Fal­le besteht aus einem Fla­schen­kür­bis, in den an einem Ende ein Loch gemacht wird, das gera­de groß genug ist, dass eine Affen­hand hin­durch­passt. Am ande­ren Ende wird ein star­kes Seil befes­tigt, das mit einem Holz­pf­lock im Boden ver­an­kert ist. Im Innern des Fla­schen­kür­bis wird irgend­ein von den ört­li­chen Affen geschätz­ter Lecker­bis­sen ver­steckt, der so groß ist, dass er nicht aus dem Behält­nis geschüt­telt wer­den kann. Man stellt die Fal­le an einem häu­fig von Affen besuch­ten Ort auf und wartet. 

Frü­her oder spä­ter kommt ein Affe vor­bei, der die Nah­rung riecht und eine Hand in den Fla­schen­kür­bis steckt, um sie sich zu holen. Das Loch ist aller­dings zu schmal, als dass der Affe die Hand mit dem Lecker­bis­sen dar­in her­aus­zie­hen könn­te, und weil der Kür­bis mit Seil und Pflock fest­ge­macht wur­de, kann der Affe ihn auch nicht weg­schaf­fen, also ver­sucht er immer wie­der, das Objekt sei­ner Begier­de mit der Hand her­aus­zu­be­kom­men. Jetzt kann der Jäger aus sei­nem Ver­steck kom­men und sich dem Affen mit einem Netz (falls es einen Markt für leben­de Affen gibt) oder stär­ke­ren Waf­fen (falls nicht) in der Hand nähern. In der weit­aus größ­ten Zahl von Fäl­len wird der Affe nicht etwa den Lecker­bis­sen los­las­sen und sich auf dem nächs­ten Baum in Sicher­heit brin­gen, son­dern sich ver­zwei­felt abmü­hen, die Spei­se aus dem Fla­schen­kür­bis zu zer­ren, bis sich das Netz über ihn senkt oder der Knüp­pel zuschlägt. 

Die Fal­le funk­tio­niert, weil sich Affen – ganz genau wie wir – in der Regel so stark auf das Errei­chen unmit­tel­ba­rer Zie­le durch bekann­te Mit­tel kon­zen­trie­ren, dass sie den grö­ße­ren Kon­text von Prio­ri­tä­ten aus den Augen ver­lie­ren, der die­sen Zie­len erst ihre Bedeu­tung ver­leiht. Sobald der Affe die Nah­rung im Fla­schen­kür­bis gero­chen hat, defi­niert er das Pro­blem im Hin­blick dar­auf, wie er sie her­aus­be­kom­men kann, und ver­sucht es auf bekann­te Wei­se, d. h. durch Mani­pu­la­ti­on von Kür­bis und Nah­rung, zu lösen. Wenn dann der Jäger auf­taucht, nimmt das Pro­blem dadurch nur einen dring­li­che­ren Cha­rak­ter an, es scheint also dar­um zu gehen, den Lecker­bis­sen her­aus­zu­be­kom­men, bevor der Jäger den Affen erreicht hat. Wenn man es auf die­se Wei­se for­mu­liert, ist das Pro­blem nicht lös­bar. Nur wenn sich der Affe dar­an erin­nert, dass auch der schöns­te Lecker­bis­sen einem toten Affen nicht schmeckt, und das Pro­blem dahin­ge­hend umfor­mu­liert, wie er am schnells­ten dem Jäger ent­kommt, kann er die Nah­rung los­las­sen, sei­ne Hand aus dem Kür­bis zie­hen und auf den nächs­ten Baum flüchten. 

Die Affen­fal­le scheint nicht gera­de der Stoff zu sein, aus dem gro­ße Lite­ra­tur gemacht ist, aber exakt das glei­che Dilem­ma beherrscht die Hand­lung von Die tra­gi­sche His­to­rie vom Dok­tor Faus­tus, der Bear­bei­tung des Faust­stoffs durch den eng­li­schen Renais­sance­dich­ter Chris­to­pher Mar­lo­we. In Mar­lo­wes Sicht­wei­se ist Faust ein geschei­ter­ter Intel­lek­tu­el­ler, der das gesam­te Schul­wis­sen sei­ner Epo­che gemeis­tert hat und es doch als wert­los ver­wirft, weil er es nicht in Macht ummün­zen kann. Daher beschwört er den Teu­fel Mephis­to­phe­les her­auf, der ihm vier­und­zwan­zig Jah­re der Herr­schaft über die welt­li­chen Erschei­nun­gen im Aus­tausch gegen sei­ne unsterb­li­che See­le bie­tet. Faust geht freu­dig auf den Han­del ein und macht sich dar­an, wäh­rend des Groß­teils der nächs­ten neun Sze­nen auf alle erdenk­li­chen Arten über die Strän­ge zu schla­gen, unter­stützt von einem stets unter­wür­fi­gen Mephis­to­phe­les, der ihm jeden Wunsch (bis auf den einen) von den Lip­pen abliest. Schließ­lich sind die vier­und­zwan­zig Jah­re ver­gan­gen, und Schlag Mit­ter­nacht stürzt sich eine Rot­te Teu­fel auf Faust und zerrt ihn in die Hölle. 

All dies ist bereits in dem deut­schen Volks­buch ange­legt, das Mar­lo­we als Roh­ma­te­ri­al für sein Stück dien­te. Was sei­ne Ver­si­on zu einem der größ­ten Dra­men des Eliza­be­tha­ni­schen Eng­lands macht, ist hin­ge­gen sein tie­fes psy­cho­lo­gi­sches Ver­ständ­nis der Faust’schen Ver­damm­nis. Faust ist bei­na­he das gesam­te Stück über nur um Haa­res­brei­te davon ent­fernt, dem Pakt zu ent­rin­nen, der ihn zu sei­nem Ver­häng­nis füh­ren wird. Er müss­te nichts wei­ter tun, als sich von dem Pakt und all den damit ein­her­ge­hen­den Macht­be­fug­nis­sen und Ver­gnü­gun­gen los­zu­sa­gen, und sei­ne See­le wäre geret­tet – aber genau dazu ist er nicht imstan­de. Er setzt der­art aus­schließ­lich auf sei­ne Zau­ber­kräf­te und gewöhnt sich so sehr dar­an, all sei­ne Bedürf­nis­se dadurch zu erfül­len, dass er Mephis­to­phe­les her­um­kom­man­diert, dass er schlicht nicht mehr dar­auf kommt, irgend­et­was auf irgend­ei­ne ande­re Wei­se errei­chen zu kön­nen. Selbst ganz am Schluss noch, als die Teu­fel ihn schon weg­zer­ren, sind sei­ne letz­ten Wor­te ein Hil­fe­schrei an Mephis­to­phe­les, er möge ihn doch retten. 

Die Logik der Affen­fal­le durch­dringt das gesam­te Sze­na­rio, denn der Affe und Faust ver­hed­dern sich im Wesent­li­chen in der glei­chen Art von Fall­stri­cken. Bei­de haben bis­her erfolg­reich ihre Pro­ble­me mit Hil­fe einer bestimm­ten Metho­de gelöst ¬– der Affe durch Mani­pu­la­ti­on von Objek­ten mit sei­ner Hand, Faust durch die Beschwö­rung Mephis­to­te­les’, damit die­ser sich dar­um küm­mert. Bei­de ste­hen vor einem Pro­blem, dass den Anschein erweckt, als kön­ne es auf die glei­che Wei­se gelöst wer­den, was aber gar nicht stimmt. Bei­de ver­su­chen immer wei­ter, ihre bewähr­te Pro­blem­lö­sungs­me­tho­de ein­zu­set­zen, auch wenn die­se ein­deu­tig nicht funk­tio­niert. Selbst wenn sich die wah­ren Aus­ma­ße des Pro­blems offen­ba­ren und die Not­wen­dig­keit zum Umden­ken zu einer Fra­ge des Über­le­bens wird, mühen sie sich wei­ter­hin ab, um das Pro­blem, für die von ihnen gewähl­te Lösung geeig­net zu machen, anstatt die Lösung an das tat­säch­li­che Pro­blem anzupassen. 

Mephis­to­phe­les und der Affen­jä­ger haben hier­bei einen ent­schei­den­den Ver­bün­de­ten: den Stress. Es ist kei­ne gro­ße Kunst, einen Schritt zurück­zu­tre­ten und eine nüch­ter­ne Lage­be­ur­tei­lung vor­zu­neh­men, wenn reich­lich Zeit ist und kein Anzei­chen für eine Gefahr besteht. Ganz anders sieht es hin­ge­hen aus, wenn man dies ange­sichts einer dro­hen­den Gefahr für das Über­le­ben tun soll. Sobald die tat­säch­li­che Lage klar ist, set­zen Stress­me­cha­nis­men ein, die im Ner­ven­sys­tem von Men­schen und Affen fest­ver­drah­tet sind und es aus­ge­spro­chen schwer machen, die Situa­ti­on objek­tiv neu zu bewer­ten und über alter­na­ti­ve Reak­tio­nen nach­zu­den­ken. Die Schluss­sze­ne in Mar­lo­wes Dra­ma, in der Faust dar­auf war­tet, dass die Uhr Mit­ter­nacht schlägt, und auf jeden erdenk­li­che Wei­se ver­sucht, sei­nem Ver­häng­nis zu ent­rin­nen, außer auf der einen, die ihn tat­säch­lich ret­ten wür­de, macht die­ses Dilem­ma mit erschüt­tern­der Inten­si­tät deutlich. 

Das­sel­be Dilem­ma liegt im grö­ße­ren Maß­stab den momen­ta­nen Anstren­gun­gen zugrun­de, den bevor­ste­hen­den Rück­gang der Welt-Ölför­de­rung dadurch zu bewäl­ti­gen, dass man irgend­ei­nen Ersatz fin­det, den man in unse­re Ben­zin­tanks schüt­ten kann: Etha­nol, Bio­die­sel, Was­ser­stoff – was auch immer. Unse­re mit Öl ange­trie­be­nen Fahr­zeu­ge – nicht nur Autos, son­dern auch die Lkws, Züge, Schif­fe und Flug­zeu­ge, die unse­ren der­zei­ti­gen Lebens­stil mög­lich machen – sind der Lecker­bis­sen in der Hand des Affen und der Pakt, der Mephis­to­phe­les in die Diens­te von Faust zwingt. Das Pro­blem des weit­wei­ten Ölför­der­ma­xi­mums wird selbst inner­halb der Peak-Oil-Sze­ne oft­mals aus­schließ­lich unter dem Aspekt betrach­tet, wie wir einen ande­ren Weg fin­den kön­nen, wei­ter­hin unse­re Autos voll­zu­tan­ken. Die­se Annah­me scheint eini­ger­ma­ßen ver­nünf­tig, aber das denkt der Affe auch, wenn er ver­sucht, den Lecker­bis­sen aus dem Fla­schen­kür­bis zu zerren. 

Wenn man das Peak-Oil-Pro­blem als Fra­ge defi­niert, wie man einen Ersatz fin­den kann, um unse­ren Rie­sen­ap­pe­tit auf hoch­kon­zen­trier­te Ener­gie­trä­ger zu befrie­di­gen, ist es eben­so wenig lös­bar wie das Affen­fal­len-Pro­blem, wenn die­ses unter dem Aspekt defi­niert wird, wie der Affe an etwas zu essen kom­men kann. Durch die Ent­de­ckung und Aus­beu­tung der pla­ne­ta­ren Ölvor­kom­men ist der Mensch­heit ein uner­war­te­tes Geschenk an mehr oder weni­ger gra­tis ver­füg­ba­rer Ener­gie in fan­tas­ti­schem Umfang in den Schoß gefal­len, und jetzt set­zen wir alles dar­an, die­sen Gewinn so schnell wie mög­lich zu ver­feu­ern. Ange­sichts des dro­hen­den Rück­gangs der Ölver­sor­gung geht es nun nicht mehr dar­um, irgend­ein ande­res Geschenk eben­so schnell zu ver­feu­ern oder eine ande­re Art der Ener­gie­ver­sor­gung für eine Zivi­li­sa­ti­on zu fin­den, deren Wei­ter­be­stehen unauf­lös­lich an einen gar­gan­tu­es­ken Ener­gie­ver­brauch gekop­pelt ist, son­dern dar­um, unse­re Erwar­tun­gen und unse­re Tech­no­lo­gie so dras­tisch zurück­zu­fah­ren, dass bei­des zu dem wesent­lich beschei­de­ne­ren Ener­gie­an­ge­bot passt, das uns in Zukunft aus erneu­er­ba­ren Ener­gie­quel­len zur Ver­fü­gung ste­hen wird. 

Zu erwar­ten, dass irgend­ein ande­rer Ener­gie­trä­ger in eben­sol­chem Aus­maß und mit dem­sel­ben Grad an Kon­zen­triert­heit wie Erd­öl zur Ver­fü­gung ste­hen wird, nur weil wird das gera­de wol­len, ähnelt ein wenig der Erwar­tung, man müs­se nach dem Ver­pras­sen eines gro­ßen Lot­to­ge­winns ein­fach nur wie­der Lot­to spie­len, um an fri­sches Geld zu kom­men. Die­se Hal­tung ist der gewöhn­li­chen Kon­su­men­ten­psy­che aller­dings so nahe, dass man sich leicht jeman­den vor­stel­len kann, der sich in einer sol­chen Lage befin­det, alles ver­blei­ben­de Geld in Lot­to­schei­ne inves­tiert und dadurch jede Chan­ce ver­wirkt, dem Bank­rott zu ent­rin­nen, weil die ein­zig mög­li­che Lösung aus sei­ner Sicht dar­in besteht, wie­der einen Lot­to­ge­winn zu machen. Und dies wie­der­um ist exakt die Men­ta­li­tät, die den der­zei­ti­gen Ver­su­chen, die Indus­trie­ge­sell­schaft durch Umwand­lung von Nah­rungs­mit­teln in Brenn­stof­fe wei­ter in Gang zu hal­ten, zugrun­de liegt. 

Faust ist viel­leicht sogar ein bes­se­res Modell als der Affe, denn wie bei ihm ist unse­re miss­li­che Lage das exak­te Ergeb­nis­sen des­sen, wor­in wir am bes­ten sind. Faust wur­de der­art von sei­nen teuf­li­schen Die­nern abhän­gig, dass er die Mög­lich­keit aus den Augen ver­lor, irgend­et­was ohne sie bewir­ken zu kön­nen. Man muss nur “teuf­li­sche Die­ner” durch “Maschi­nen” erset­zen, und die Par­al­le­le ist deut­lich zu erken­nen. Wir haben uns in einem Maße dar­an gewöhnt, Pro­ble­me dadurch zu lösen, dass wir ener­gie­in­ten­si­ve Tech­no­lo­gien dafür ent­wi­ckeln, dass wir in dem Moment, wenn die Tech­no­lo­gien selbst zum Kern des Dilem­mas wer­den, kei­nen Schim­mer mehr haben, was wir über­haupt tun sol­len. Wenn irgend­ei­ne der Errun­gen­schaf­ten der letz­te drei­hun­dert Jah­re vor dem her­an­na­hen­den Kri­sen­stru­del geret­tet wer­den sol­len, müs­sen wir jetzt umden­ken, bevor die sozia­len, öko­no­mi­schen und poli­ti­schen Belas­tun­gen so drän­gend wer­den, dass kla­res Den­ken unmög­lich wird und unse­re mit fos­si­len Brenn­stof­fen betrie­be­nen teuf­li­schen Die­ner pünkt­lich um Mit­ter­nacht erschei­nen, um uns an einen Ort zu ver­schlep­pen, der Mar­lo­wes Höl­le recht ähn­lich sehen wird. 

http://thearchdruidreport.blogspot.com/2007/03/faustus-and-monkey-trap.html

27.3.2007

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