Es ist noch gar nicht so lan­ge her, dass sich in Mit­tel­eu­ro­pa zwei bis an die Zäh­ne bewaff­ne­te Macht­blö­cke gegen­über­stan­den und Deutsch­land durch eine schwer bewach­te Gren­ze geteilt war, »hin­ter der Sol­da­ten, Pan­zer und Atom­bom­ber dar­auf lau­ern, was wohl die Sol­da­ten, Pan­zer und Atom­bom­ber auf die­ser Sei­te des Sta­chel­drahts im Schil­de füh­ren«, wie es an einer Stel­le von Das Schat­ten­corps heißt.

By U.S. Army pho­toPho­to Credit: USAMHI [Public domain], via Wiki­me­dia Commons

Nicht alle die­se Sol­da­ten kämpf­ten mit offe­nem Visier. Der eigent­li­che »Kal­te Krieg« wur­de von Geheim­agen­ten und Diplo­ma­ten geführt, und irgend­wo in den zwie­lich­ti­gen Sei­ten­stra­ßen der geschicht­li­chen Über­lie­fe­rung fin­det man auch noch den einen oder ande­ren Hau­fen ver­we­ge­ner Gestal­ten, die auf kom­mu­nis­ti­scher eben­so wie auf west­li­cher Sei­te als Kom­man­do­trup­pen im Ver­bor­ge­nen dienten.

Erst vor ein paar Jah­ren etwa kam her­aus, dass 1949 ein gewis­ser Oberst Schnez (er soll­te spä­ter Gene­ral­inspek­teur der Bun­des­wehr wer­den) im Süd­wes­ten Deutsch­lands mit Unter­stüt­zung der Ame­ri­ka­ner unter dem Tarn­na­men »Selbst­hil­fe« eine gehei­me Trup­pe von 2000 ehe­ma­li­gen Wehr­machts- und Waf­fen-SS-Offi­zie­ren auf­stell­te, die zum Kern einer 40.000 Mann star­ken Armee wer­den soll­te. Man leb­te damals in extre­mer Angst vor einem Über­ra­schungs­an­griff der Sowjet­uni­on, und die kampf­erprob­ten deut­schen Vete­ra­nen soll­ten im Ernst­fall die West­mäch­te unterstützen.

Weni­ger bekannt ist, dass Otto Skor­ze­ny, Idol der NS-Pro­pa­gan­da bis 1945 und der west­eu­ro­päi­schen Neo­na­zis danach, in sei­nem spa­ni­schen Exil ähn­li­che Plä­ne heg­te. Aus den deut­schen und öster­rei­chi­schen Kriegs­ver­bre­chern, die im Fran­co-Staat Unter­schlupf gefun­den hat­ten, soll­te eine »Legión Car­los V« gebil­det wer­den, in der 200.000 Mann als Trup­pen­re­ser­ve für den Kriegs­schau­platz Deutsch­land bereit­ste­hen wür­den. Skor­ze­ny bie­der­te sich mit dem Vor­ha­ben sogar bei Bun­des­kanz­ler Ade­nau­er an, aber letzt­end­lich blieb wohl alles ein Hirngespinst.

Bericht über Skor­ze­ny in einer spa­ni­schen Zei­tung 1958

Nicht im Pla­nungs­sta­di­um ste­cken blie­ben hin­ge­gen die ver­schie­de­nen para­mi­li­tä­ri­schen Orga­ni­sa­tio­nen, die von bei­den Sei­ten heim­lich auf­ge­stellt wur­den, um im Kriegs­fall als Par­ti­sa­nen­ver­bän­de in den vom Feind besetz­ten Gebie­ten ope­rie­ren zu kön­nen (»Stay-behind«). Auf öst­li­cher Sei­te war dies bei­spiels­wei­se die »Grup­pe Ralf Fors­ter«, bei der von 1969 bis 1989 aus­ge­wähl­te Genos­sen der DKP den »Umgang mit Hand­feu­er­waf­fen, Hand­gra­na­ten und Pan­zer­fäus­ten, [den] Umgang und [den] Ein­satz von Brand- und Spreng­mit­teln sowie das laut­lo­se Besei­ti­gen von Geg­nern« auf Trup­pen­übungs­plät­zen in der DDR lern­ten. Im Ernst­fall hät­ten sie Sabo­ta­ge­ak­te gegen Infra­struk­tur- und Bun­des­wehr-Ein­rich­tun­gen aus­ge­führt und die Gegen­sei­te über west­li­che Trup­pen­be­we­gun­gen informiert.

Die West­mäch­te unter­stütz­ten einer­seits anti­kom­mu­nis­ti­sche Akti­vis­ten wie die West-Ber­li­ner »Kampf­grup­pe gegen Unmensch­lich­keit«, die Anschlä­ge in der DDR aus­führ­te und dort ille­ga­le Pro­pa­gan­da betrieb. Ande­rer­seits ver­lie­ßen sie sich wie üblich auf ihre Ver­bin­dun­gen zu Krei­sen ehe­ma­li­ger Wehr­machts­of­fi­zie­re und zum dama­li­gen Neo­na­zi-Unter­grund – wobei es hier natür­lich diver­se Über­schnei­dun­gen gab. Die Ame­ri­ka­ner initi­ier­ten gleich meh­re­re Stay-behind-Net­ze, etwa in West­ber­lin das mit der Orga­ni­sa­ti­on Geh­len ver­knüpf­te »F‑Netz« oder in Süd­west­deutsch­land das von Oberst a.D. Wal­ter Kopp gelei­te­te »Kiebitz«-Netzwerk. Auch die Fran­zo­sen, die Nie­der­län­der und die Bri­ten unter­hiel­ten ähn­li­che Unter­grund­or­ga­ni­sa­tio­nen in West­deutsch­land, von denen aller­dings weder Name noch Umfang bekannt ist.

Abbil­dung aus einem alten Hand­buch für Guerillakampf

Die größ­te Schat­ten­ar­mee war der »Tech­ni­sche Dienst«, offi­zi­ell eine Unter­grup­pie­rung des rechts­ex­tre­men »Bund Deut­scher Jugend« (BDJ), in Wirk­lich­keit ein Sam­mel­be­cken für ehe­ma­li­ge Wehr­machts- und Waf­fen-SS-Sol­da­ten, die bei den Ame­ri­ka­nern anheu­er­ten, um wei­ter gegen den alten Feind »Bol­sche­wis­mus« kämp­fen zu kön­nen. Die Orga­ni­sa­ti­on flog 1952 auf, als ein BDJ-Funk­tio­när bei der hes­si­schen Poli­zei auf­tauch­te und aus­pack­te. Man hat­te nicht nur im US-Auf­trag einen gehei­men Par­ti­sa­nen­krieg vor­be­rei­tet, son­dern gleich auch noch Schwar­ze Lis­ten ange­legt, auf denen die im Kriegs­fall zu liqui­die­ren­den poli­ti­schen Fein­de wie Her­bert Weh­ner oder der dama­li­ge SPD-Par­tei­chef Erich Ollen­hau­er standen.

Der BDJ wur­de 1953 ver­bo­ten, und ab 1955 über­nahm der aus der Orga­ni­sa­ti­on Geh­len her­vor­ge­gan­ge­ne Bun­des­nach­rich­ten­dienst die ent­spre­chen­den Akti­vi­tä­ten in West­deutsch­land. Es setz­te eine gewis­se Pro­fes­sio­na­li­sie­rung ein: Die para­mi­li­tä­ri­schen Ein­hei­ten wur­den als Fern­späh­trup­pe der Bun­des­wehr getarnt, und als Stay-behind-Agen­ten vor Ort wur­den unauf­fäl­li­ge Bür­ger aus­ge­wählt, die für den Kriegs­fall mit Funk­ge­rä­ten und aus­ge­stat­tet wur­den und bei­spiels­wei­se mit dem Fall­schirm abge­sprun­ge­ne Agen­ten bei sich auf­ge­nom­men hät­ten. (Das zumin­dest war der Plan – in Wirk­lich­keit wuss­te die Sta­si natür­lich längst Bescheid …)

Heu­te geis­tern all die­se Unter­grund­trup­pen und Kampf­ein­hei­ten unter den Namen »Gla­dio« durch diver­se Ver­schwö­rungs­theo­rien, die wahl­wei­se die »Rote Armee Frak­ti­on« oder die Hin­ter­män­ner des Okto­ber­fest-Atten­tats von ihnen unter­wan­dert sehen. Für die­se Hypo­the­sen sind schlag­kräf­ti­ge Bewei­se bis jetzt aus­ge­blie­ben, aber trotz­dem ist natür­lich die Fra­ge inter­es­sant, was wohl aus den zwie­lich­ti­gen Schat­ten­krie­gern gewor­den ist, die in den frü­hen 1950ern die Sze­ne beherrsch­ten. Eini­ge wer­den zur Bun­des­wehr gegan­gen sein, ande­re zur fran­zö­si­schen Frem­den­le­gi­on, um in Indo­chi­na zu kämp­fen. Wie­der­um ande­re dürf­ten Fami­li­en gegrün­det und sich ins Pri­vat­le­ben zurück­ge­zo­gen haben.

Auf Hans Bark­hu­sen, den Prot­ago­nis­ten von Das Schat­ten­corps, trifft nichts davon zu. Anfang der 1960er vaga­bun­diert er immer noch ruhe­los durch die Hafen­städ­te Nord­deutsch­lands und hat kei­nen Anschluss an das bür­ger­li­che Leben gefun­den. Vor Jah­ren war er Kampf­tau­cher bei der »Kings Ger­man Legi­on«, einer von den Bri­ten in Deutsch­land auf­ge­stell­ten Stay-behind-Trup­pe, die auch in diver­se ande­re Geheim­dienst­ak­ti­vi­tä­ten ver­wi­ckelt war. Als Bark­hu­sen für die Suche nach dem sagen­um­wo­be­nen »Rom­mel-Schatz« ange­heu­ert wird, taucht plötz­lich sein frü­he­rer Agen­ten­füh­rer wie­der auf, sei­ne alten Kame­ra­den schei­nen neu­en Her­ren zu die­nen, und die Ereig­nis­se begin­nen sich zu überschlagen …

 

Wer mehr wis­sen will:

Erich Schmidt-Een­boom, Ulrich Stoll: Die Par­ti­sa­nen der NATO. Stay-Behind-Orga­ni­sa­tio­nen in Deutsch­land 1946–1991, Ber­lin 2015

Nor­bert Juretz­ko: Bedingt dienst­be­reit, Ber­lin 2004

Tho­mas Auer­bach: Ein­satz­kom­man­dos an der unsicht­ba­ren Front: Ter­ror- und Sabo­ta­ge­vor­be­rei­tun­gen des MfS gegen die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, Ber­lin 1999

Das CIA-Archiv im Inter­net – ein­fach mal nach »Otto Skor­ze­ny« oder »Wal­ter Kopp« suchen (hier ein Über­blick)