Einer der Fak­to­ren, die eine ange­mes­se­ne Reak­ti­on auf die Kri­se der Indus­trie­ge­sell­schaft so schwer machen, hat sei­ne Ursa­che dar­in, wie tief die­se Kri­se in unse­rem grund­le­gends­ten Welt­ver­ständ­nis ver­wur­zelt ist. Albert Ein­steins berühm­ter Aus­spruch, dass man Pro­ble­me nie­mals mit der­sel­ben Denk­wei­se lösen kann, durch die sie ent­stan­den sind, war nie zutref­fen­der als heu­te. In beson­de­rem Maße gilt dies für vie­le der der­zei­ti­gen Ver­su­che, dem nahen­den Ölför­der­ma­xi­mum zu begeg­nen, die auf der­sel­ben Art von Logik beru­hen, die uns erst in unse­re heu­ti­ge Zwangs­la­ge gebracht hat, und deren “Lösun­gen” bes­tens geeig­net sind, unse­re Lage noch wesent­lich schlim­mer zu machen, als sie ohne­hin ist. 

Aus den Dut­zen­den guter Bei­spie­le dafür, die sich jeden Tag in den Nach­rich­ten fin­den, muss man unbe­dingt den wirt­schaft­li­chen Rück­schlag­ef­fekt her­aus­he­ben, der durch den Ver­such der US-Regie­rung, die strau­cheln­de ölba­sier­te Wirt­schaft des Lan­des durch Etha­nol am Leben zu erhal­ten, ver­ur­sacht wur­de. Je mehr Mais und ande­res Getrei­de aus der Lebens­mit­tel­ver­sor­gung in Auto­tanks umge­lenkt wer­den, des­to höher stei­gen die Prei­se für Ver­brauchs­gü­ter, des­to stär­ker kommt es zu infla­tio­nä­ren Ket­ten­re­ak­tio­nen über die gesam­ten wirt­schaft­li­che Nah­rungs­ket­te hin­weg und des­to wahr­schein­li­cher wird es mit­tel­fris­tig zu tat­säch­li­chen Nah­rungs­mit­tel­knapp­hei­ten kom­men. Vor mehr als zwan­zig Jah­ren wies Wil­liam Cat­ton in sei­nem bahn­bre­chen­den Werk Over­shoot dar­auf hin, dass Men­schen wäh­rend des Nie­der­gangs der Indus­trie­ge­sell­schaft gezwun­gen sein wür­den, mit ihren eige­nen Maschi­nen um Res­sour­cen zu kon­kur­rie­ren. Sei­ne Vor­aus­sa­ge ist heu­te bereits Realität. 

Das erin­nert nicht zuletzt an eine aus der kogni­ti­ven Psy­cho­lo­gie wohl­be­kann­te Meta­pher. Vor vie­len Jahr­hun­der­ten dach­te sich irgend­ein Schlau­fuchs in Süd­ost­asi­en eine Fal­le aus, um Affen mög­lichst effi­zi­ent mit Hil­fe ihrer eige­nen Denk­mus­ter fan­gen zu kön­nen. Die Fal­le besteht aus einem Fla­schen­kür­bis, in den an einem Ende ein Loch gemacht wird, das gera­de groß genug ist, dass eine Affen­hand hin­durch­passt. Am ande­ren Ende wird ein star­kes Seil befes­tigt, das mit einem Holz­pf­lock im Boden ver­an­kert ist. Im Innern des Fla­schen­kür­bis wird irgend­ein von den ört­li­chen Affen geschätz­ter Lecker­bis­sen ver­steckt, der so groß ist, dass er nicht aus dem Behält­nis geschüt­telt wer­den kann. Man stellt die Fal­le an einem häu­fig von Affen besuch­ten Ort auf und wartet. 

Frü­her oder spä­ter kommt ein Affe vor­bei, der die Nah­rung riecht und eine Hand in den Fla­schen­kür­bis steckt, um sie sich zu holen. Das Loch ist aller­dings zu schmal, als dass der Affe die Hand mit dem Lecker­bis­sen dar­in her­aus­zie­hen könn­te, und weil der Kür­bis mit Seil und Pflock fest­ge­macht wur­de, kann der Affe ihn auch nicht weg­schaf­fen, also ver­sucht er immer wie­der, das Objekt sei­ner Begier­de mit der Hand her­aus­zu­be­kom­men. Jetzt kann der Jäger aus sei­nem Ver­steck kom­men und sich dem Affen mit einem Netz (falls es einen Markt für leben­de Affen gibt) oder stär­ke­ren Waf­fen (falls nicht) in der Hand nähern. In der weit­aus größ­ten Zahl von Fäl­len wird der Affe nicht etwa den Lecker­bis­sen los­las­sen und sich auf dem nächs­ten Baum in Sicher­heit brin­gen, son­dern sich ver­zwei­felt abmü­hen, die Spei­se aus dem Fla­schen­kür­bis zu zer­ren, bis sich das Netz über ihn senkt oder der Knüp­pel zuschlägt. 

Die Fal­le funk­tio­niert, weil sich Affen – ganz genau wie wir – in der Regel so stark auf das Errei­chen unmit­tel­ba­rer Zie­le durch bekann­te Mit­tel kon­zen­trie­ren, dass sie den grö­ße­ren Kon­text von Prio­ri­tä­ten aus den Augen ver­lie­ren, der die­sen Zie­len erst ihre Bedeu­tung ver­leiht. Sobald der Affe die Nah­rung im Fla­schen­kür­bis gero­chen hat, defi­niert er das Pro­blem im Hin­blick dar­auf, wie er sie her­aus­be­kom­men kann, und ver­sucht es auf bekann­te Wei­se, d. h. durch Mani­pu­la­ti­on von Kür­bis und Nah­rung, zu lösen. Wenn dann der Jäger auf­taucht, nimmt das Pro­blem dadurch nur einen dring­li­che­ren Cha­rak­ter an, es scheint also dar­um zu gehen, den Lecker­bis­sen her­aus­zu­be­kom­men, bevor der Jäger den Affen erreicht hat. Wenn man es auf die­se Wei­se for­mu­liert, ist das Pro­blem nicht lös­bar. Nur wenn sich der Affe dar­an erin­nert, dass auch der schöns­te Lecker­bis­sen einem toten Affen nicht schmeckt, und das Pro­blem dahin­ge­hend umfor­mu­liert, wie er am schnells­ten dem Jäger ent­kommt, kann er die Nah­rung los­las­sen, sei­ne Hand aus dem Kür­bis zie­hen und auf den nächs­ten Baum flüchten. 

Die Affen­fal­le scheint nicht gera­de der Stoff zu sein, aus dem gro­ße Lite­ra­tur gemacht ist, aber exakt das glei­che Dilem­ma beherrscht die Hand­lung von Die tra­gi­sche His­to­rie vom Dok­tor Faus­tus, der Bear­bei­tung des Faust­stoffs durch den eng­li­schen Renais­sance­dich­ter Chris­to­pher Mar­lo­we. In Mar­lo­wes Sicht­wei­se ist Faust ein geschei­ter­ter Intel­lek­tu­el­ler, der das gesam­te Schul­wis­sen sei­ner Epo­che gemeis­tert hat und es doch als wert­los ver­wirft, weil er es nicht in Macht ummün­zen kann. Daher beschwört er den Teu­fel Mephis­to­phe­les her­auf, der ihm vier­und­zwan­zig Jah­re der Herr­schaft über die welt­li­chen Erschei­nun­gen im Aus­tausch gegen sei­ne unsterb­li­che See­le bie­tet. Faust geht freu­dig auf den Han­del ein und macht sich dar­an, wäh­rend des Groß­teils der nächs­ten neun Sze­nen auf alle erdenk­li­chen Arten über die Strän­ge zu schla­gen, unter­stützt von einem stets unter­wür­fi­gen Mephis­to­phe­les, der ihm jeden Wunsch (bis auf den einen) von den Lip­pen abliest. Schließ­lich sind die vier­und­zwan­zig Jah­re ver­gan­gen, und Schlag Mit­ter­nacht stürzt sich eine Rot­te Teu­fel auf Faust und zerrt ihn in die Hölle. 

All dies ist bereits in dem deut­schen Volks­buch ange­legt, das Mar­lo­we als Roh­ma­te­ri­al für sein Stück dien­te. Was sei­ne Ver­si­on zu einem der größ­ten Dra­men des Eliza­be­tha­ni­schen Eng­lands macht, ist hin­ge­gen sein tie­fes psy­cho­lo­gi­sches Ver­ständ­nis der Faust’schen Ver­damm­nis. Faust ist bei­na­he das gesam­te Stück über nur um Haa­res­brei­te davon ent­fernt, dem Pakt zu ent­rin­nen, der ihn zu sei­nem Ver­häng­nis füh­ren wird. Er müss­te nichts wei­ter tun, als sich von dem Pakt und all den damit ein­her­ge­hen­den Macht­be­fug­nis­sen und Ver­gnü­gun­gen los­zu­sa­gen, und sei­ne See­le wäre geret­tet – aber genau dazu ist er nicht imstan­de. Er setzt der­art aus­schließ­lich auf sei­ne Zau­ber­kräf­te und gewöhnt sich so sehr dar­an, all sei­ne Bedürf­nis­se dadurch zu erfül­len, dass er Mephis­to­phe­les her­um­kom­man­diert, dass er schlicht nicht mehr dar­auf kommt, irgend­et­was auf irgend­ei­ne ande­re Wei­se errei­chen zu kön­nen. Selbst ganz am Schluss noch, als die Teu­fel ihn schon weg­zer­ren, sind sei­ne letz­ten Wor­te ein Hil­fe­schrei an Mephis­to­phe­les, er möge ihn doch retten. 

Die Logik der Affen­fal­le durch­dringt das gesam­te Sze­na­rio, denn der Affe und Faust ver­hed­dern sich im Wesent­li­chen in der glei­chen Art von Fall­stri­cken. Bei­de haben bis­her erfolg­reich ihre Pro­ble­me mit Hil­fe einer bestimm­ten Metho­de gelöst ¬– der Affe durch Mani­pu­la­ti­on von Objek­ten mit sei­ner Hand, Faust durch die Beschwö­rung Mephis­to­te­les’, damit die­ser sich dar­um küm­mert. Bei­de ste­hen vor einem Pro­blem, dass den Anschein erweckt, als kön­ne es auf die glei­che Wei­se gelöst wer­den, was aber gar nicht stimmt. Bei­de ver­su­chen immer wei­ter, ihre bewähr­te Pro­blem­lö­sungs­me­tho­de ein­zu­set­zen, auch wenn die­se ein­deu­tig nicht funk­tio­niert. Selbst wenn sich die wah­ren Aus­ma­ße des Pro­blems offen­ba­ren und die Not­wen­dig­keit zum Umden­ken zu einer Fra­ge des Über­le­bens wird, mühen sie sich wei­ter­hin ab, um das Pro­blem, für die von ihnen gewähl­te Lösung geeig­net zu machen, anstatt die Lösung an das tat­säch­li­che Pro­blem anzupassen. 

Mephis­to­phe­les und der Affen­jä­ger haben hier­bei einen ent­schei­den­den Ver­bün­de­ten: den Stress. Es ist kei­ne gro­ße Kunst, einen Schritt zurück­zu­tre­ten und eine nüch­ter­ne Lage­be­ur­tei­lung vor­zu­neh­men, wenn reich­lich Zeit ist und kein Anzei­chen für eine Gefahr besteht. Ganz anders sieht es hin­ge­hen aus, wenn man dies ange­sichts einer dro­hen­den Gefahr für das Über­le­ben tun soll. Sobald die tat­säch­li­che Lage klar ist, set­zen Stress­me­cha­nis­men ein, die im Ner­ven­sys­tem von Men­schen und Affen fest­ver­drah­tet sind und es aus­ge­spro­chen schwer machen, die Situa­ti­on objek­tiv neu zu bewer­ten und über alter­na­ti­ve Reak­tio­nen nach­zu­den­ken. Die Schluss­sze­ne in Mar­lo­wes Dra­ma, in der Faust dar­auf war­tet, dass die Uhr Mit­ter­nacht schlägt, und auf jeden erdenk­li­che Wei­se ver­sucht, sei­nem Ver­häng­nis zu ent­rin­nen, außer auf der einen, die ihn tat­säch­lich ret­ten wür­de, macht die­ses Dilem­ma mit erschüt­tern­der Inten­si­tät deutlich. 

Das­sel­be Dilem­ma liegt im grö­ße­ren Maß­stab den momen­ta­nen Anstren­gun­gen zugrun­de, den bevor­ste­hen­den Rück­gang der Welt-Ölför­de­rung dadurch zu bewäl­ti­gen, dass man irgend­ei­nen Ersatz fin­det, den man in unse­re Ben­zin­tanks schüt­ten kann: Etha­nol, Bio­die­sel, Was­ser­stoff – was auch immer. Unse­re mit Öl ange­trie­be­nen Fahr­zeu­ge – nicht nur Autos, son­dern auch die Lkws, Züge, Schif­fe und Flug­zeu­ge, die unse­ren der­zei­ti­gen Lebens­stil mög­lich machen – sind der Lecker­bis­sen in der Hand des Affen und der Pakt, der Mephis­to­phe­les in die Diens­te von Faust zwingt. Das Pro­blem des weit­wei­ten Ölför­der­ma­xi­mums wird selbst inner­halb der Peak-Oil-Sze­ne oft­mals aus­schließ­lich unter dem Aspekt betrach­tet, wie wir einen ande­ren Weg fin­den kön­nen, wei­ter­hin unse­re Autos voll­zu­tan­ken. Die­se Annah­me scheint eini­ger­ma­ßen ver­nünf­tig, aber das denkt der Affe auch, wenn er ver­sucht, den Lecker­bis­sen aus dem Fla­schen­kür­bis zu zerren. 

Wenn man das Peak-Oil-Pro­blem als Fra­ge defi­niert, wie man einen Ersatz fin­den kann, um unse­ren Rie­sen­ap­pe­tit auf hoch­kon­zen­trier­te Ener­gie­trä­ger zu befrie­di­gen, ist es eben­so wenig lös­bar wie das Affen­fal­len-Pro­blem, wenn die­ses unter dem Aspekt defi­niert wird, wie der Affe an etwas zu essen kom­men kann. Durch die Ent­de­ckung und Aus­beu­tung der pla­ne­ta­ren Ölvor­kom­men ist der Mensch­heit ein uner­war­te­tes Geschenk an mehr oder weni­ger gra­tis ver­füg­ba­rer Ener­gie in fan­tas­ti­schem Umfang in den Schoß gefal­len, und jetzt set­zen wir alles dar­an, die­sen Gewinn so schnell wie mög­lich zu ver­feu­ern. Ange­sichts des dro­hen­den Rück­gangs der Ölver­sor­gung geht es nun nicht mehr dar­um, irgend­ein ande­res Geschenk eben­so schnell zu ver­feu­ern oder eine ande­re Art der Ener­gie­ver­sor­gung für eine Zivi­li­sa­ti­on zu fin­den, deren Wei­ter­be­stehen unauf­lös­lich an einen gar­gan­tu­es­ken Ener­gie­ver­brauch gekop­pelt ist, son­dern dar­um, unse­re Erwar­tun­gen und unse­re Tech­no­lo­gie so dras­tisch zurück­zu­fah­ren, dass bei­des zu dem wesent­lich beschei­de­ne­ren Ener­gie­an­ge­bot passt, das uns in Zukunft aus erneu­er­ba­ren Ener­gie­quel­len zur Ver­fü­gung ste­hen wird. 

Zu erwar­ten, dass irgend­ein ande­rer Ener­gie­trä­ger in eben­sol­chem Aus­maß und mit dem­sel­ben Grad an Kon­zen­triert­heit wie Erd­öl zur Ver­fü­gung ste­hen wird, nur weil wird das gera­de wol­len, ähnelt ein wenig der Erwar­tung, man müs­se nach dem Ver­pras­sen eines gro­ßen Lot­to­ge­winns ein­fach nur wie­der Lot­to spie­len, um an fri­sches Geld zu kom­men. Die­se Hal­tung ist der gewöhn­li­chen Kon­su­men­ten­psy­che aller­dings so nahe, dass man sich leicht jeman­den vor­stel­len kann, der sich in einer sol­chen Lage befin­det, alles ver­blei­ben­de Geld in Lot­to­schei­ne inves­tiert und dadurch jede Chan­ce ver­wirkt, dem Bank­rott zu ent­rin­nen, weil die ein­zig mög­li­che Lösung aus sei­ner Sicht dar­in besteht, wie­der einen Lot­to­ge­winn zu machen. Und dies wie­der­um ist exakt die Men­ta­li­tät, die den der­zei­ti­gen Ver­su­chen, die Indus­trie­ge­sell­schaft durch Umwand­lung von Nah­rungs­mit­teln in Brenn­stof­fe wei­ter in Gang zu hal­ten, zugrun­de liegt. 

Faust ist viel­leicht sogar ein bes­se­res Modell als der Affe, denn wie bei ihm ist unse­re miss­li­che Lage das exak­te Ergeb­nis­sen des­sen, wor­in wir am bes­ten sind. Faust wur­de der­art von sei­nen teuf­li­schen Die­nern abhän­gig, dass er die Mög­lich­keit aus den Augen ver­lor, irgend­et­was ohne sie bewir­ken zu kön­nen. Man muss nur “teuf­li­sche Die­ner” durch “Maschi­nen” erset­zen, und die Par­al­le­le ist deut­lich zu erken­nen. Wir haben uns in einem Maße dar­an gewöhnt, Pro­ble­me dadurch zu lösen, dass wir ener­gie­in­ten­si­ve Tech­no­lo­gien dafür ent­wi­ckeln, dass wir in dem Moment, wenn die Tech­no­lo­gien selbst zum Kern des Dilem­mas wer­den, kei­nen Schim­mer mehr haben, was wir über­haupt tun sol­len. Wenn irgend­ei­ne der Errun­gen­schaf­ten der letz­te drei­hun­dert Jah­re vor dem her­an­na­hen­den Kri­sen­stru­del geret­tet wer­den sol­len, müs­sen wir jetzt umden­ken, bevor die sozia­len, öko­no­mi­schen und poli­ti­schen Belas­tun­gen so drän­gend wer­den, dass kla­res Den­ken unmög­lich wird und unse­re mit fos­si­len Brenn­stof­fen betrie­be­nen teuf­li­schen Die­ner pünkt­lich um Mit­ter­nacht erschei­nen, um uns an einen Ort zu ver­schlep­pen, der Mar­lo­wes Höl­le recht ähn­lich sehen wird. 

http://thearchdruidreport.blogspot.com/2007/03/faustus-and-monkey-trap.html

27.3.2007