Ich hatte vor ein paar Jahren auf der inzwischen nicht mehr aktiven Seite www.oelschock.de das Vergnügen, einige Texte von John Michael Greer zum ersten Mal in deutscher Sprache veröffentlichen zu dürfen. Greer schreibt The Archdruid Report, einen der wichtigsten und meistgelesenen Blogs der US-amerikanischen Peak-Oil-Szene. In der Diskussion um die Auswirkungen des Hubbert-Maximums nimmt er eine Mittelstellung ein: Weder, so seine Einschätzung, wird der Rückgang der Ölförderung durch neue technische Wunderwaffen neutralisiert werden, noch zu einer apokalyptischen Mad-Max-Zukunft führen. Greers Debattenbeiträge zeichnen sich durch profundes historisches Wissen, nüchterne Unvoreingenommenheit und ein eingehendes Verständnis größerer ökologischer Zusammenhänge aus. Seine naturreligiöse Spiritualität durchwirkt seine gesamten Arbeiten, spielt sich aber nie in den Vordergrund, und Greer versteht vermutlich mehr von den grundsätzlichen Möglichkeiten und Beschränkungen der Naturwissenschaften als viele derjenigen, die immer noch von einer “technologischen Singularität” träumen. Auf Englisch sind seine Thesen auch in Buchform erhältlich (z. B. The Long Descent, 2008), auf Deutsch ist dies nicht der Fall. Ich habe mich daher entschlossen, eine Folge von zehn der von mir übersetzten Beiträge an dieser Stelle nochmals zu veröffentlichen, die Greers Denken in konzentrierter Form enthält und einen Einstieg in seine Gedankenwelt ermöglicht.
Hier nun die Übersetzungen. Die ursprünglichen Texte sind alle ca. 2007 entstanden.
1 – Zivilisation und Sukzession
In einem vor ein paar Wochen auf dem Archdruid Report veröffentlichten Beitrag habe ich die schon etwas abgenutzte Metapher von Hefepilzen in einer Petrischale verwendet, um die ökologischen Beschränkungen zu illustrieren, denen Homo sapiens wie alle anderen Lebensformen auch unterliegt. Einige Leser stießen sich an diesem Vergleich und beharrten mehr oder weniger darauf, dass Menschen […]
2 – Auf dem Weg in eine Ökotechnik-Gesellschaft
Eine der Folgen, die sich aus dem ernsthaften Erwägen ökologischer Modelle als Erklärungsmuster für das Dilemma unserer Industriegesellschaft ergeben, besteht darin, dass viele der alltäglichen Prämissen, auf denen unsere heutige Kultur aufbaut, offenbar auf den Kopf gestellt werden müssen. Beispielsweise begreifen heute viele derjenigen, die sich seiner überhaupt bewusst sind, das drohende Hubbert-Maximum als Problem […]
3 – Die Leiter hinab
Der letztwöchige Beitrag im Archdruid Report warf die Frage auf, ob zukünftige Gesellschaften in der Lage sein könnten, einen relativ hohen technologischen Stand aufrecht zu erhalten, ohne in dieselbe Falle zu laufen wie unsere heutige Industriegesellschaft und sich dabei auf den verschwenderischen Gebrauch nichterneuerbarer Ressourcen zu stützen. Den Traum, eine Zivilisation solcher Art aufzubauen – […]
4 – Das Zeitalter der industriellen Mangelgesellschaft
Auf diesem Blog wie anderswo wurde schon des Öfteren darauf hingewiesen, dass die Bereitschaft, sich den Realitäten des Hubbert-Maximums zu stellen, nicht wenig mit der Bereitschaft zu tun hat, sich mit dem bevorstehenden eigenen Tod abzufinden. Die fünf Phasen des Sterbens, wie sie von Elisabeth Kübler-Ross in einer Reihe von Bestsellern in den 1970ern beschrieben […]
5 – Das Zeitalter der Ausschlachtung
Eine heutzutage weit verbreitete schlechte Denkgewohnheit besteht in der Annahme, dass der soziale und ökonomische Wandel ausschließlich ein Produkt menschlicher Willenskraft und Anstrengung sei. Dieser Gedanke liegt natürlich all den Verschwörungstheorien zugrunde, die eine äußerst bequeme Art darstellen, den ökologischen Realitäten aus dem Weg zu gehen, aber er taucht auch in den verschiedensten anderen Zusammenhängen […]
6 – Die Politik des Wandels
Eines der Dinge, an dem es dem politischen und gesellschaftlichen Denken der industrialisierten Welt am meisten zu fehlen scheint, ist ein Gefühl für die Prozesshaftigkeit des Wandels. Man nehme eine Ideologie, welche auch immer, ob aus der politischen Mitte oder vom extremsten Rand, und in den allermeisten Fällen ist es so, dass ihre jeweiligen Befürworter […]
7 – Doktor Faustus und die Affenfalle
Einer der Faktoren, die eine angemessene Reaktion auf die Krise der Industriegesellschaft so schwer machen, hat seine Ursache darin, wie tief diese Krise in unserem grundlegendsten Weltverständnis verwurzelt ist. Albert Einsteins berühmter Ausspruch, dass man Probleme niemals mit derselben Denkweise lösen kann, durch die sie entstanden sind, war nie zutreffender als heute. In besonderem Maße […]
8 – Was Evolution wirklich bedeutet
Einst im Jahr 1904 stellte der Soziologe Max Weber die Hypothese auf, dass die Moderne Zeuge einer “Entzauberung der Welt” sei, d. h. eines Prozesses, in dem traditionelle mythische Vorstellungen, die der menschlichen Existenz Bedeutung verliehen hatten, immer weiter durch die entfremdende und entseelende Weltanschauung der materialistischen Wissenschaft ersetzt würden. Webers These enthält einiges an […]
9 – Die Ökologie des sozialen Wandels
Im letztwöchigen Beitrag für den Archdruid Report bin ich ein wenig von meinem üblichen Themenspektrum abgewichen und habe mich mit dem beschäftigt, was ich die “Pornographie der politischen Angst” in den USA nenne. Für diese Abweichung hatte ich allerdings meine Gründe: Ich wollte die Aufmerksamkeit auf die reflexhafte Tendenz so vieler Amerikaner richten, eine letztendlich […]
10 – Das Ziel: Ökosophie
In einem früheren Beitrag (Die Ökologie des sozialen Wandels) habe ich die These aufgestellt, dass die meisten Vorschläge, wie sozialer Wandel zu erreichen wäre, unter dem schweren Mangel leiden, die ökologischen Dimensionen der menschlichen Gesellschaft zu ignorieren. Es ist allerdings beinahe unmöglich, diesen Fehler nicht zu begehen, denn er gründet nicht einfach in bewusst vertretenen […]