In einem vor ein paar Wochen auf dem Archdruid Report veröffentlichten Beitrag habe ich die schon etwas abgenutzte Metapher von Hefepilzen in einer Petrischale verwendet, um die ökologischen Beschränkungen zu illustrieren, denen Homo sapiens wie alle anderen Lebensformen auch unterliegt. Einige Leser stießen sich an diesem Vergleich und beharrten mehr oder weniger darauf, dass Menschen viel intelligenter als Mikroben wären und daher für uns nicht dieselben Regeln gälten. So schmeichelhaft ein solches Beharren für die menschliche Eitelkeit auch sein mag, muss ich im Lichte der jüngsten Entwicklungen doch diesbezüglich eine gewisse Skepsis anmelden.
Den besten derzeit verfügbaren Daten zufolge hat die weltweite Förderung von konventionellem Erdöl vor fast zwei Jahren ihr Maximum erreicht und geht seitdem zurück; die weltweite Förderung und Gewinnung aller Flüssigbrennstoffe hat demnach vor einem Jahr ihr Maximum erreicht und geht ebenfalls zurück; viele Länder der Dritten Welt befinden sich in einer verzweifelten Zwangslage, weil es für sie immer schwieriger wird, an fossile Brennstoffe zu kommen – und politische wie Wirtschaftsführer überall in der industrialisierten Welt, die durch die Götterdämmerung der billigen, im Überfluss vorhandenen Energie sehr viel mehr zu verlieren hat als die Dritte Welt, behandeln das Hubbert-Maximum weiterhin als Problem einer mangelhaften Öffentlichkeitsarbeit. Falls wir tatsächlich derart viel intelligenter als Mikroben in einer Petrischale sind, dass wir deren Schicksal entkommen können, müssen wir den Beweis dafür noch liefern.
In einem tieferen Sinn gehen solche Bemerkungen natürlich ebenso am eigentlichen Problem vorbei wie die Behauptungen, deren Persiflierung sie dienen sollen. Die Metapher mit der Petrischale ist deshalb so nützlich, weil sie die Funktionsweise von ökologischen Prozessen in einem Kontext aufzeigt, der einfach genug ist, um ein klares Verständnis zu ermöglichen. Dasselbe Muster lässt sich in komplexeren biologischen Systemen ausfindig machen, zu denen auch menschliche Gesellschaften zählen. Die Logik der Petrischale ist letzten Endes dieselbe, die hinter den Zusammenbrüchen auf der Osterinsel und im zentralen Maya-Tiefland stand: Wenn man die für das Überleben notwendigen Ressourcen nicht nachhaltig nutzt, kommt es zur klassischen Kurve des ökologischen Systemüberschwingens (Overshoot) – erst schnelles Bevölkerungswachstum, dann ebenso schnelles Absterben.
Die Menschheit steht in dieser Hinsicht ebenso wenig über den Zwängen ökologischer Prozesse, wie sie über dem Gesetz der Schwerkraft steht. Die Erfindung des Flugzeugs bedeutet nicht, dass das Gesetz der Schwerkraft auf uns nicht mehr zutrifft; sie bedeutet lediglich, dass wir uns unter Einsatz großer Mengen von Energie der Schwerkraft entgegenstemmen und eine Zeit lang vom Boden lösen können. Dasselbe Prinzip gilt für die Gesetze der Ökologie. Es sind ungeheure Mengen von Energie, mit deren Hilfe eine Minderheit der Weltbevölkerung es eine Zeit lang geschafft hat, sich über das Niveau der reinen Subsistenzwirtschaft zu erheben, aber das bedeutet nicht, dass die Gesetze der Ökologie auf uns nicht mehr zutreffen. Es bedeutet, dass es uns dreihundert Jahre lang gelungen ist, die uns von diesen Gesetzen auferlegten Grenzen zu überwinden, indem wir massenhaft fossile Brennstoffe in Kohlendioxid umgewandelt haben. Wenn die fossilen Brennstoffe weg sind, gelten die Gesetze immer noch.
Eines der zentralen Prinzipien der Ökologie besteht sogar darin, dass ähnliche Muster auf vielen unterschiedlichen Komplexitätsebenen ausgemacht werden können. Der Intelligenzunterschied zwischen Hefepilzen und Rotwild ist um ein Vielfaches größer als der zwischen Rotwild und Menschen, und doch durchlaufen die Populationen von Hefepilzen und Rotwild exakt die gleichen Zyklen von Wachstum und Absterben, sofern nicht Räuber-Beute-Beziehungen, sondern die Ressourcenverfügbarkeit den wesentlichen begrenzenden Faktor für die Populationsdichte darstellt. Es ist daher sinnvoll, ökologische Muster bei anderen Lebewesen auf Hinweise zu untersuchen, welche Triebkräfte den entsprechenden Prozessen bei menschlichen Gesellschaften zugrunde liegen.
Ein ökologisches Muster, dem wir uns zu Beginn unseres langen Hinunterrutschens auf der Rückseite der Hubbert-Kurve mit größter Aufmerksam widmen sollten, ist ein Prozess, der als “Sukzession” bezeichnet wird. Wer von meinen Lesern unklug genug war, ein Haus in einem der riesigen und zumeist noch großenteils unverkauften Wohngebiete zu kaufen, die auf dem Höhepunkt der gerade platzenden Immobilienblase erschlossen wurden, wird im Lauf der nächsten Jahre ausreichend Anschauungsmaterial zum Thema Sukzession haben, daher gibt es möglicherweise mehr als einen Anlass, das Konzept hier zusammenfassend darzustellen.
Stellen Sie sich ein mit dem Bulldozer planiertes nacktes Stück Erde vor, auf das jährlich so viel Regen fällt, dass dort ein Wald wachsen kann. Lange bevor das einsame Schild mit “Hier entsteht demnächst ein Villenpark” zu Boden gefallen ist, hat der Wind die Samen invasiver Unkräuter herangebracht auf der Erde verteilt, und es kommt zu einem ersten Bewuchs. Dieser bahnt den Weg für andere Unkräuter und Gräser, die schließlich die Erstankömmlinge verdrängen. Nach ein paar Jahren erheben sich die ersten Sträucher und Pionierbäume und werden zu formativen Arten für einen jungen Wald, der die übrig gebliebenen Unkräuter und Gräser überschattet. In diesem Schatten keimen dann die Schösslinge anderer Baumarten auf. Wenn der Prozess nicht noch irgendwie gestört wird, kann der verlassene Bauplatz bis zu einem Dutzend verschiedener Stadien durchlaufen, bis er schließlich ein paar Jahrhunderte später als altbestehender Wald zur Ruhe kommt.
Dies ist der Vorgang, der in der Ökologie als Sukzession bezeichnet wird. Jeder Schritt auf dem Weg von der nackten Erde zum Altholzbestand ist dabei eine “Sere” oder ein “serales Stadium”. Derselbe Prozess formt die Tierpopulation des ungenutzten Baulands: Eine Art nach der anderen wandert in das Gebiet ein, bis sie durch eine andere ersetzt wird, die besser an die sich wandelnden Umweltbedingungen und das jeweilige Nahrungsangebot angepasst ist. Auch unter der Erdoberfläche herrschen dieselben Bedingungen, d. h. das schwindelerregend komplexe Gewebe der Lebensformen, das einen gesunden Boden ausmacht, formiert sich zunächst neu und durchläuft dann seine eigenen Änderungszyklen. Ungenutztes Bauland in einer anderen Ökoregion würde ein ganz anderes Bild abgeben und eine andere Folge seraler Stadien durchlaufen, bis das Klimaxstadium erreicht ist – dies ist die Bezeichnung für die letzte, relativ stabile Sere in einem vollentwickelten Ökosystem, wie etwa der altbestehende Wald in unserem Beispiel. Die Details unterschieden sich jeweils, aber das Grundmuster ist identisch.
Ein wesentliches Kennzeichen des Musters ist die Art, wie in anfänglichen bzw. späteren seralen Stadien mit Energie und anderen Ressourcen umgegangen wird. Die in anfänglichen seralen Stadien auftretenden Arten – im Ökologenjargon: “r‑selektiert” oder “r‑Strategen” – maximieren in der Regel ihre Kontrolle der Ressourcen und ihre Produktion von Biomasse, auch wenn dies eine ineffiziente Nutzung von Ressourcen und Energie bedeutet. Unkräuter sind ein klassisches Beispiel für r‑Strategen: Sie wachsen schnell, breiten sich rasch aus und werden unterdrückt, sobald sich langsamer wachsende Pflanzen etabliert haben oder die reichlich vorhandenen Ressourcen, die ihr schnelles Wachstum ermöglicht haben, knapp werden. Arten, die eher in späteren seralen Stadien verbreitet sind – “K‑selektiert” oder “K‑Strategen” – maximieren ihre Effizienz bei der Nutzung von Ressourcen und Energie, auch wenn dies bedeutet, dass sie nur begrenzt Biomasse produzieren oder nicht in alle verfügbaren ökologischen Nischen vorstoßen. Hartholzbäume der gemäßigten Zone sind ein klassisches Beispiel für K‑Strategen: Sie wachsen langsam, benötigen Jahre, um auszuwachsen, und überdauern, wenn man sie in Ruhe lässt, Jahrhunderte.
Man muss nur dieses Sukzessionsmodell auf die Ökologie des Menschen übertragen, um zu einer bemerkenswert nützlichen Sichtweise der Zwangslage zu gelangen, in der sich die heutige Industriegesellschaft befindet. In der Sukzessions-Terminologie ausgedrückt befinden wir uns im Übergang zwischen einer r‑selektierten Sere und einer k‑selektierten Sere, die erstere ersetzen wird. Die industriellen Wirtschaftssysteme der Gegenwart maximieren – wie jede andere r‑selektierte Sere auch – die Produktion auf Kosten der Nachhaltigkeit; die erfolgreichen Wirtschaftssysteme der Zukunft, die einer Welt ohne den preisgünstigen Energieüberfluss von heute gerecht werden müssen, werden ihre Nachhaltigkeit auf Kosten der Produktion maximieren müssen – wie jede andere K‑selektierte Sere auch.
Um diesen Vorgang in die richtige Perspektive zu bringen, muss man den Faktor des evolutionären Wandels mit einbeziehen, denn Klimaxgesellschaften sind nur vom Standpunkt der menschlichen Lebensspanne aus betrachtet stabil. Sie wandeln sich durch Änderungen der Umwelt oder – und dies oftmals sehr viel schneller – durch die Ankunft einer neuen Art in der betreffenden Region. Manchmal lässt dieser letztere Prozess die Sukzession eine Zeit lang in umgekehrter Richtung ablaufen. Wenn beispielsweise eine r‑selektierte Art die dominante Art einer K‑selektierten Klimaxgesellschaft verdrängt, wird die Sukzession am Ende wieder in die gewohnte Richtung ablaufen, aber die neue Klimaxgesellschaft sieht möglicherweise ganz anders aus als die alte.
Man muss diesen Gedanken nur auf die Humanökologie von beispielsweise Nordamerika übertragen und kann leicht dasselbe Muster finden. Eine Klimaxgesellschaft von K‑selektierten Gartenbau- und Wildbeuterkulturen der Ureinwohner wurde von einer invasiven europäischen Bauern-Sere mit sehr viel stärker r‑selektierter Ökologie zerstört und fast vollständig ersetzt. Nicht lange, nachdem die neue Gesellschaft sich eingenistet hatte, und bevor die Sukzession sie wiederum in Richtung einer eher K‑selektierten Ökologie drängen konnte, trat eine zweite invasive Sere – die Industriegesellschaft – auf, die auf Ressourcen zugreifen konnte, die den anderen beiden Seren verwehrt waren. Diese zweite invasive Sere, die erste ihrer Art auf dem gesamten Planeten, markierte das äußerste Extrem des r‑selektierten Spektrums; ihre Fähigkeit zur Ausbeutung und Nutzung ungeheurer Energiemengen ermöglichte es ihr, die vorangehende Bauern-Sere zu dominieren und die Überbleibsel der alten Klimaxgesellschaft an den Rand des Aussterbens zu bringen.
Wie alle r‑selektierten Seren war die Industriegesellschaft allerdings an zwei Flanken verletzlich. Wie bei allen frühen seralen Stadien einer Sukzession bestand das Risiko, dass eine effizientere K‑selektierte Sere sie letztendlich verdrängen würde, und ihre Fähigkeit zur Nutzung von Ressourcen in nicht-nachhaltiger Weise machte sie anfällig für zerstörerische Zyklen starken Wachstums und ebenso starken Absterbens, die mehr oder weniger garantierten, dass sie letztendlich durch eine effizientere Sere ersetzt werden würde. Beide Prozesse sind in vollem Gange. Die Industriegesellschaft befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt weit in der Überschwingphase, was irgendeine Art von Zusammenbruch mehr oder weniger unvermeidlich macht. Gleichzeitig schießen seit den 1970ern sichtbare Sprösslinge der effizienteren K‑selektierten menschlichen Ökosysteme der Zukunft aus dem Boden, unter anderem in Form eines rasch wachsenden Netzes von Biobauernhöfen, lokalen Bauernmärkten, angemessenen Technologien oder alternativen Denkweisen und Philosophien.
In diesem Zusammenhang muss auf drei wesentliche Punkte hingewiesen werden. Erstens besteht einer der Unterschiede zwischen Menschen und anderen Organismen darin, dass menschliche Ökosysteme eher kulturell als biologisch determiniert sind. Dieselben Individuen sind wenigstens theoretisch in der Lage, von einem r‑selektierten zu einem K‑selektierten menschlichen Ökosystem zu wechseln, indem sie ihre Existenzweise ändern. Da es unwahrscheinlich ist, dass ein K‑selektiertes menschliches Ökosystem schnell genug ausgedehnt werden kann, um die durch das Vergehen der r‑selektierten Industriegesellschaft entstehende Lücke auszufüllen, ist für vielleicht die nächsten hundert Jahre trotz allem mit großem menschlichen Leid und vielen Zerstörungen zu rechnen. Trotzdem werden diejenigen, die gewillt sind, den Übergang zu einer K‑selektierten Lebensweise eher früher als später in Angriff zu nehmen, in der Auflösung der industriellen Systeme möglicherweise Chancen zum Überleben oder sogar zu einem gedeihlichen Auskommen finden.
Zweitens muss ich kurz auf das Thema des Beitrags der letzten Woche aus dem Archdruid Report zurückkommen, “Das Fermi-Paradoxon”. Wie in dem erwähnten Beitrag erläutert, wird bei dem Paradoxon im Kern davon ausgegangen, dass das heutige, enorme Energiemengen verschwendende System bruchlos in die Zukunft fortgesetzt wird, und dass noch fortschrittlicheren Gesellschaften sogar noch mehr Energie zur Verfügung stehen wird, die sie noch verschwenderischer einsetzen werden. Das Konzept der Sukzession impliziert ein radikal anderes Konzept der möglichen Erscheinungsform einer fortschrittlicheren Zivilisation. Die moderne Industriegesellschaft hier auf der Erde ist das genaue Gegenstück der ersten Sere von Pionier-Unkräutern auf dem oben erwähnten ungenutzten Bauland – schnell wachsend, ressourcenhungrig, ineffizient und dazu bestimmt, im weiteren Verlauf der Sukzession durch effizientere, K‑selektierte Seren ersetzt zu werden.
Eine wirklich fortschrittliche Zivilisation, auf diesem oder auf anderen Planeten, hat möglicherweise mehr mit einer Klimaxgesellschaft gemein: Sie könnte sehr bescheidene Energie- und Ressourcenmengen mit hoher Effizienz nutzen, die Nachhaltigkeit maximieren und langfristigen Aufbau betreiben. Eine solche Zivilisation wäre in den Weiten des interstellaren Raums schwer zu entdecken, und die Begrenztheit der verfügbaren Energiemengen würde es extrem unwahrscheinlich machen, dass sie versuchen könnte, diese Weiten zu überwinden. Dadurch würde sie als Zivilisation kaum zu einem Fehlschlag, außer in den Augen derjenigen, denen die Industriezeitalter-Phantasien der Science-Fiction über alles gehen.
Drittens geht es um Themen, die einen zentralen Bestandteil der zukünftig hier erscheinenden Beiträge in diesem Blog bilden werden. Die Klimaxgesellschaft, die auf einen Zeitraum ausgedehnter ökologischer Zerrüttungen und das Auftreten neuer Artenzusammensetzungen folgt, hat in der Regel wenig gemein mit den Klimaxgesellschaften, die vor dem Auftreten der Zerrüttungen bestand. In analoger Weise, und aus mehr oder weniger denselben Gründen, sind Behauptungen, dass die deindustrialisierte Welt notwendigerweise dasselbe Aussehen annehmen wird wie irgendeine Gesellschaft der Vergangenheit – ob es sich dabei um die Welt des Mittelalters, Wildbeuter-Stammesgesellschaften oder sonstige Phantasien handelt –, mit mehr als den üblichen Vorbehalten zu genießen. Der Großteil des Erbes der heutigen Industriegesellschaften wird in der vor uns liegenden Zukunft nicht haltbar sein, aber nicht das gesamte Erbe. Einige Technologien der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit könnten in den menschlichen Ökosystemen der deindustrialisierten Zukunft durchaus weiterhin eine wichtige Rolle spielen, und viele andere können uns helfen, den Niedergang erträglicher zu gestalten. Einige der Optionen abzustecken kann uns heute, wo konstruktives Handeln dringend erforderlich ist, dabei helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
26. September 2007