Der letztwöchige Beitrag im Archdruid Report warf die Frage auf, ob zukünftige Gesellschaften in der Lage sein könnten, einen relativ hohen technologischen Stand aufrecht zu erhalten, ohne in dieselbe Falle zu laufen wie unsere heutige Industriegesellschaft und sich dabei auf den verschwenderischen Gebrauch nichterneuerbarer Ressourcen zu stützen. Den Traum, eine Zivilisation solcher Art aufzubauen – eine “Ökotechnik-Gesellschaft”, um den vor mir im besagten Beitrag verwendeten Begriff zu verwenden –, hegen schon seit Jahren viele, die sich in alternativen Kreisen bewegen, und dies nicht ohne Grund.
Dem Traum zugrunde liegt eine gewiefte philosophische Strategie. Ein zentraler Bestandteil der Rhetorik, mit der die sozialen Strukturen unserer modernen industriellen Welt gerechtfertigt werden, ist die zwanghaft vorgetragene diametrale Gegensätzlichkeit der aufgeklärten, technisch fortschrittlichen Industriegesellschaften und des angeblich elendig primitiven vorindustriellen Lebens. Viele der heutigen Kritiker des Industrialismus fallen darauf herein, akzeptieren diese Gegensätzlichkeit und drehen einfach die Wertzuschreibung um, als ob es möglich wäre, aus einer dualistischen Denkweise auszubrechen, indem man den Dualismus auf den Kopf stellt.
Der Ökotechnik-Traum ist insofern cleverer, als dass er diese Gegensätzlichkeit von vornherein überwindet. Um kurz in den Jargon des modernen Druidentums zu verfallen: Eine unaufgelöste Zweiheit wird in eine ausgewogene Dreiheit verwandelt. Weniger abgehoben ausgedrückt geht es darum, einen dritten Weg zu finden, der viele der besten Seiten der gegensätzlichen Positionen in sich vereint und den scheinbaren Widerspruch dadurch hinwegfegt, dass das Feld der möglichen Optionen erweitert wird – nicht nur auf drei, sondern auf unendlich viele. Die Frage ist nicht mehr, ob man eines der beiden Systeme in seiner Gesamtheit akzeptiert – in einer Wahl, die keinerlei Alternativen kennt –, sondern welche Auswahl man aus einer schwindelerregend großen Zahl von Faktoren treffen möchte, die zur Entstehung der zukünftigen Gesellschaft beitragen sollen.
Die Vision einer Ökotechnik-Zukunft sollte man also unbedingt weiter im Hinterkopf behalten. Als Planung für die nähere Zukunft verstanden steht sie allerdings vor denselben enormen Schwierigkeiten, die in meinem früheren Beitrag zum Sukzessionsprozess behandelt wurden. In der Sprache der ökologischen Sukzession ist eine vollkommene Ökotechnik-Gesellschaft eine Klimaxgesellschaft, und man kann nicht mit einem einzigen Sprung von der Pionierbesiedlung durch Unkräuter zur Klimaxgesellschaft des altbestehenden Walds gelangen. Die Bedingungen, unter denen sich eine Klimaxgesellschaft angesichts der Konkurrenz anderer biotischer Gesellschaften etablieren und halten könnte, sind noch nicht erreicht.
Dies gilt für menschliche Sozialsysteme nicht weniger als für die jeder anderen biotischen Gemeinschaft. Der Gedanke ist so wohltuend wie beliebt, dass sozialer Wandel beim Menschen hauptsächlich durch bewusste Entscheidung oder sonst welche einzigartig menschlichen Faktoren getragen würde, aber die Wissenschaft von der Ökologie des Menschen ebenso wie die historischen Tatsachen – und die Geschichte ist nichts weiter als die menschliche Ökologie in der Zeit – sprechen eine andere Sprache. Die industrielle Zivilisation hat nicht über andere Formen von menschlichen Gesellschaften triumphiert, weil ihre Mitglieder dies vereinbart und geplant hätten, sondern weil sie es zur Zeit ihres Aufkommens, in einer Welt voller unangetasteter Reserven von fossilen Brennstoffen, verstanden hat, den Konkurrenzdruck anderer sozialer Systeme und die Beschränkungen der Natur zu überwinden.
Ebenso steht die industrielle Zivilisation deshalb vor dem Untergang, weil ihre Aussichten, sich gegen die Widrigkeiten der Natur und die Konkurrenz anderer, weniger energie- und technologieabhängiger Gesellschaften zu behaupten, durch die Knappheit und Verteuerung der fossilen Brennstoffe höchst zweifelhaft geworden sind. Die menschlichen Gesellschaften, die im Gefolge des verschwindenden Industrialismus entstehen, werden wiederum solche sein, die sich unter den gewandelten Bedingungen des Zeitalters der Deindustrialisierung besser etablieren und halten können als ihre Konkurrenten. Wir mögen unsere Vorlieben haben – das letzte Wort hat die Natur.
Die Bedingungen, die es einer Ökotechnik-Gesellschaft erlauben würden, sich zu etablieren und zu halten, sind mehr oder weniger diejenigen, die geherrscht haben, bevor die industrielle Revolution die Schatzkiste der im Erdinnern verborgenen Kohlenwasserstoffe aufbrach und zum kurzfristigen Nutzen zu plündern begann. In einer Welt, deren Energieressourcen auf Sonne, Wind, Wasser, Muskelarbeit und Biomasse beschränkt sind und in der alle Arbeiten mit diesen Hilfsmitteln ausgeführt werden müssen, haben diejenigen Gesellschaften, die effiziente und nachhaltige Technologien zur Nutzung dieser Ressourcen entwickeln, einen entscheidenden Überlebensvorteil gegenüber konkurrierenden Gesellschaften, die dies nicht tun – man vergleiche nur die 5000-jährige Geschichte des kaiserlichen China mit dem tödlichen Strudel, in dem die Maya untergingen.
Das unmittelbare Problem für die Verwirklichung der Ökotechnik-Gesellschaft besteht darin, dass diese Bedingungen eben noch nicht wieder herrschen. Bis jetzt haben wir ungefähr die Hälfte der weltweiten Erdölreserven aufgebraucht und etwas weniger als die Hälfte der Kohle- und Erdgasreserven. Die Förderung all dieser Brennstoffe ist durch globale Maxima und anschließende Rückgänge gekennzeichnet, was unter anderem bedeutet, dass sie in abnehmender Menge noch für lange Zeit verfügbar sein werden. Zwar werden die modernen Industriegesellschaften das Ende des stetigen Wachstums ihrer Energieversorgung vermutlich in ihrer heutigen Form nicht überleben, aber das Fördermaximum für fossile Brennstoffe wird höchstwahrscheinlich dazu führen, dass andere, besser an eine Welt mit sinkender Energieverfügbarkeit angepasst Formen des Industrialismus entstehen – und solange noch fossile Energie verfügbar ist, werden diese neo-industriellen Gesellschaften aller Vorrausicht nach über größere ökonomische und militärische Macht verfügen als ihre Ökotechnik-Konkurrenten.
Anders gesagt werden viele Hinterlassenschaften der heutigen Industriegesellschaften noch die nächsten Jahrzehnte oder Jahrhunderte überdauern. Dieses Erbstücke bestehen aus gespeicherter Energie – der Energie, die für ihre Herstellung und den Aufbau der erforderlichen Material- und Wissensbasis nötig war –, und die zusätzliche Energie, die für ihre Wartung und Nutzung anfällt, dürfte in vielen Fällen im Vergleich zu der darin gespeicherten Energie eher klein sein; der für den Weiterbetrieb eines Staudamms oder eines Computers nötige Aufwand ist relativ klein im Verhältnis zu dem darin enthaltenen Aufwand oder zu den Vorteilen, die einem ihr Besitz und ihre Nutzung bieten kann.
Es ist sehr wahrscheinlich, dass deindustrialisierte Gesellschaften, die nicht mehr in der Lage wären, einen Staudamm oder einen Computer zu bauen, für einige Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte das nötige Wissen und die entsprechende Ressourcenbasis bewahren können, um diese Anlagen weiter zu betreiben, ähnlich wie es in den dunklen Jahrhunderten nach dem Fall Roms überall in Europa städtische Gemeinschaften gab, die römische Aquädukte nutzten und reparierten, diese aber niemals selbst hätten bauen können. Ein großer Teil der technischen Hinterlassenschaften, die das Zeitalter der Deindustrialisierung erben wird, besteht allerdings aus nicht-erneuerbaren Ressourcen; wenn sie schließlich defekt sind, gehen sie verloren – für Jahrzehnte, für Jahrhunderte oder für immer.
Das Ergebnis zeigt interessante Parallelen zur ökologischen Sukzession. Kurz- und mittelfristig werden im einsetzenden Zeitalter der Deindustrialisierung genau diejenigen Gesellschaften blühen und gedeihen, die am wenigstens in der Lage sind, langfristig zu überleben. Kurzfristig werden Gesellschaften, die ihre verbleibenden fossilen Brennstoffe – gestreckt mit erneuerbaren Ressourcen und möglichst viel High-Tech – so effizient wie möglich nutzen, vermutlich wesentlich besser dastehen als sowohl die verschwenderischen Dinosaurierkulturen der derzeitigen industriellen Epoche wie auch die Niedrigenergie-Gesellschaften, durch die sie schließlich ersetzt werden.
Mittelfristig werden Gesellschaften, die nachhaltige Subsistenzstrategien und Wirtschaftsweisen mit einer effizienten Nutzung der technischen Hinterlassenschaften des Industriezeitalters verbinden, vermutlich wesentlich dastehen als sowohl die weiterhin von fossilen Brennstoffen abhängigen Gesellschaften der vorangehenden Epoche wie auch die Ökotechnik-Gesellschaften, von denen sie wiederum selbst ersetzt werden. Erst wenn die Förderung fossiler Brennstoffe an einem Punkt angelangt ist, an dem Kohle und Öl seltene geologische Kuriositäten sind und die verbleibenden Hinterlassenschaften des Industriezeitalters keine größere wirtschaftliche Rolle mehr spielen, werden Ökotechnik-Gesellschaften ihre volle Wirkung entfalten.
Diese Abfolge muss man unbedingt berücksichtigen, wenn man für die Zukunft plant. Eines der großen Hindernisse für den Aufbau von “Rettungsboot-Gemeinschaften”, wie sie sich so viele Denker in der Peak-Oil-Bewegung heute ausmalen, besteht darin, dass diese Gemeinschaften zwar in der Zukunft möglich sein werden (jedenfalls theoretisch), dies aber nicht für die Gegenwart gilt. Es gibt einfach nicht sonderlich viele Menschen, die in der Lage wären, ihren Platz in der Industriegesellschaft zu verlassen, aufs Land in ein Ökodorf zu ziehen und sich dort jahrzehntelang selbst zu versorgen, während die industrielle Maschinerie um sie herum langsam, aber sicher knirschend und bebend zum Halt kommt.
Im Kontext des hier von mir vorgestellten Modells ähneln die angehenden Gründer von Rettungsboot-Gemeinschaften den Sämlingen irgendeiner Spezies eines altbestehenden Walds, die versuchen, in einem Stück Erde Wurzeln zu schlagen, dass noch von Pionierunkräutern bedeckt ist. Die Bedingungen, unter denen sie gedeihen könnten, sind einfach noch nicht eingetreten. Die letzten Jahre der Industriegesellschaft und die Jahrzehnte der neo-industriellen Gesellschaften, die in einem Zeitalter der erreichten Grenzen mit schrumpfenden Energiereserven kämpfen werden, sind so gesehen eine Hürde, die erst genommen werden muss, bevor eine wirklich zukunftsträchtige Gesellschaftsform entwickelt werden kann.
Diese Hürde ist zu nehmen, aber dazu ist eine andere Herangehensweise erforderlich. Anstatt zu versuchen, mit einem einzigen Sprung direkt in einer ökologisch ausgewogenen, vollständig nachhaltigen Gesellschaft zu landen, könnte es sich als notwendig erweisen, beim Abstieg von der Leiter eine Sprosse nach der anderen zu nehmen, sich dabei an den jeweiligen Wandel anzupassen und zu versuchen, jeden Schritt der Abfolge vorauszuahnen, um rechtzeitig dafür planen zu können. Währenddessen kann man gleichzeitig auf die eine oder andere Art im kleineren Maßstand die Subsistenzstrategien und sozialen Netze ausprobieren, die für die fernere Zukunft nötig sind.
Diese Strategie ist eher evolutionär als revolutionär – das heißt, sie verfolgt einen schrittweisen Wandel und einen kontinuierlichen Fortschritt des Experimentierens, anstatt zu versuchen, mit der Vergangenheit vollkommen zu brechen und der Wirklichkeit ein Ideal aufzuzwingen, dass sich am Ende vielleicht als ebenso wenig lebensfähig erweist wie das, was es ersetzen soll. Unter anderem bedeutet dies, dass sie auf örtlicher und sogar individueller Ebene umgesetzt werden kann, ein Detail, dass sie in praktischer Hinsicht wesentlich anwendbarer macht als Versuche, die Gesellschaft als Ganzes von oben nach unten zu ändern. Wie dieser Prozess verlaufen könnte, werde ich einigen der zukünftigen Beiträge hier behandeln.
10. Oktober 2007
http://thearchdruidreport.blogspot.com/2007/10/climbing-down-ladder.html