Autorenblog

Kategorie: Medien (Seite 2 von 3)

Ciao bella

Was man beim Recher­chie­ren so alles fin­det – Unter­schie­de bei der Aneig­nung der anglo-ame­ri­ka­ni­schen Pop­kul­tur Anfang der 1960er in Ita­li­en und Deutsch­land bei­spiels­wei­se. Süd­lich des Bren­ners inte­grier­te man Musik und Film rela­tiv ent­spannt in die ein­hei­mi­sche Lebens­wei­se, und nicht nur Adria­no Cel­en­ta­no sprang leicht­fü­ßig vom Rock’n’Roll zur tra­di­tio­nel­len Ita­lo-Schnul­ze, ohne sich dabei ein Bein zu ver­ren­ken (er war aber auch wirk­lich extrem gelenkig):

Auch die Hoch­kul­tur zeig­te dem Neu­en nicht die kal­te Schul­ter. Der damals immer­hin schon fünf­zig­jäh­ri­ge Avant­gar­de-Film­re­gis­seur Michel­an­ge­lo Anto­nio­ni bei­spiels­wei­se leg­te locker einen von Mina gesun­ge­nen Twist-Kra­cher über die Ein­gangs­ti­tel sei­nes 1962er-Bezie­hungs­dra­mas L’e­clis­se, zu dem er auch noch – so jeden­falls die ita­lie­ni­sche Wiki­pe­dia – selbst den Text geschrie­ben und es geschafft hat­te, dar­in das Wort »Radio­ak­ti­vi­tät« unter­zu­brin­gen. Man muss den Regis­seur nicht mögen (für Freun­de minu­ten­lan­ger Ein­stel­lun­gen mit gut geklei­de­ten, von abs­trak­ter Kunst und moder­ner Archi­tek­tur umrahm­ten Ober­schichts-Ita­lie­nern, die kei­ne Wor­te für ihr über­gro­ßes Lei­den an der Welt fin­den, ist er aller­dings ein abso­lu­tes Muss), der Umgang mit der Musik nötigt jeden­falls eini­gen Respekt ab. Das ist unge­fähr so, als ob Bern­hard Wicki mit Ted Herold oder Con­ny Froboess zusam­men­ge­ar­bei­tet hät­te … Wei­ter­le­sen

Ein Hauch Bürgerkrieg

Ich woll­te vor­ges­tern eigent­lich nur auf der Leip­zi­ger Buch­mes­se mei­nen Ver­le­ger tref­fen und vor­her ein wenig schau­en, was die Kon­kur­renz so treibt. Statt­des­sen geriet ich zufäl­lig in einen Tumult, der sich um den Mes­se­stand des Com­pact-Maga­zins her­um ent­fal­te­te. So um die zwei­hun­dert Leu­te reck­ten Fäus­te und Trans­pa­ren­te in die Höhe und brüll­ten laut­stark Paro­len gegen die Anwe­sen­heit der Zeit­schrift auf der Buch­mes­se. Die Atmo­sphä­re war aggres­siv auf­ge­la­den und schien kurz vor der Explo­si­on zu ste­hen, was noch durch die Anwe­sen­heit breit­schult­ri­ger Secu­ri­ty-Leu­te an den Ecken des burg­ar­ti­gen Mes­se­stands ver­stärkt wur­de. Gott sei Dank pas­sier­te nichts Schlim­mes (bzw. war es schon pas­siert).

Ich habe die­se Zeit­schrift noch nie gele­sen, und nach allem, was ich über die dort ver­brei­te­ten Inhal­te gehört habe, wird es auch wei­ter­hin bei die­ser Nicht­be­kannt­schaft blei­ben. Aber – solan­ge von den Redak­teu­ren nichts straf­recht­lich Rele­van­tes getan oder ver­langt wird, haben die­se Leu­te Gott ver­dammt noch­mal das Recht, ihre Mei­nung zu sagen! Was ist mit der Frei­heit los, die doch angeb­lich immer jene des Anders­den­ken­den sein soll? Was wäre, wenn im Gegen­zug ein paar Skin­heads den Mes­se­stand der taz stür­men? Ande­re nie­der­zu­brül­len, weil einem ihre Ansich­ten nicht gefal­len, ändert weder die Ansich­ten, noch wird es irgend­je­man­den dazu brin­gen, die­se nicht mehr zu tei­len. (Die Leip­zi­ger Volks­zei­tung behaup­tet, hier habe es eine »Spon­tan­de­mo« von Mes­se­be­su­chern gege­ben – wer bringt denn bit­te­schön »spon­tan« Pla­ka­te und Trans­pa­ren­te zur Buch­mes­se mit…?)

Am Vor­abend hat­ten mei­ne Gast­ge­ber mir von den Stra­ßen­kämp­fen erzählt, die sich im letz­ten Dezem­ber in der Leip­zi­ger Süd­vor­stadt abge­spielt hat­ten, wo sie leben. Vor ihrer Haus­tür türm­ten Auto­no­me Müll­ton­nen zu Bar­ri­ka­den auf und steck­ten sie in Brand, spä­ter wur­den Bank­au­to­ma­ten – Sym­bo­le des bösen Kapi­ta­lis­mus – zer­stört und eine Bus­hal­te­stel­le zer­schla­gen. (Ich hof­fe, die Jungs haben vor­her noch Geld gezo­gen, um am nächs­ten Tag ein­kau­fen gehen zu kön­nen.) Anlass des Gan­zen war offen­bar eine eher klei­ne Neo­na­zi-Demo, die mit ihrem Auf­marsch die Lin­ken pro­vo­zie­ren wollten.

Wo soll das eigent­lich hin­füh­ren? Auf der einen Sei­te Pegi­da und die Glat­zen, auf der ande­ren der Schwar­ze Block und das Kom­man­do Nor­bert Blüm? Wohin Wei­mar geführt hat, wis­sen wir doch wohl.

Quark 83

Ich ertra­ge die Her­vor­brin­gun­gen des deut­schen Fern­se­hens in der Regel nur in homöo­pa­thi­scher Dosie­rung, von daher war ich eini­ger­ma­ßen gespannt, wie sich wohl die all­seits in den Him­mel gelob­te Serie Deutsch­land 83 machen wür­de, die ja dem Ver­neh­men nach die Erzähl­wei­se der neu­en US-Seri­en auf hie­si­ge Ver­hält­nis­se über­tra­gen soll­te und durch „Erfolg in den USA“ geadelt war. Zudem fällt mein eige­nes Gast­spiel bei der Bun­des­wehr in die Zeit kurz nach der dar­ge­stell­ten Hand­lung, da will man natür­lich wis­sen, ob alles kor­rekt dar­ge­stellt ist.

Das Posi­ti­ve zuerst: klas­se Aus­stat­tung! Genau so, mit die­sen Stahl­rohr­bet­ten und den blau­en oder oran­gen Reso­pal­mö­beln, sah damals eine Wehr­pflich­ti­gen­stu­be beim west­deut­schen Mili­tär aus. Womit aber gleich die Pro­ble­me begin­nen, denn natür­lich waren Offi­zie­re, zumal sol­che beim Stab, in Zwei­bett­zim­mern unter­ge­bracht, die eine gewis­se Frei­heit zur per­sön­li­chen Gestal­tung lie­ßen. Und die Art, wie die Jungs ihre Baret­te tru­gen, hät­te unse­ren Spieß sicher zu einer sei­ner berüch­tig­ten „Seid ihr Pizzabäcker?“-Tiraden angestachelt.

Der All­tag beim Barras zeich­net sich eben durch vie­ler­lei Details aus, die man durch ober­fläch­li­ches Recher­chie­ren nicht so schnell in den Griff bekommt. Und genau da liegt die Crux der dra­ma­tur­gi­schen Prä­mis­se: Die Vor­stel­lung, man könn­te einen Ange­hö­ri­gen der bewaff­ne­ten Orga­ne der DDR mal eben durch einen Crash-Kurs bei einem lin­ken Uni-Pro­fes­sor und die Lek­tü­re der Zen­tra­len Dienst­vor­schrift zu einem über­zeu­gend wir­ken­den Bun­des­wehr­of­fi­zier machen, ist so aben­teu­er­lich wie unglaub­wür­dig. Wei­ter­le­sen

Randale in Ralswiek

Wir haben neu­lich mit den Kin­dern Urlaub auf Rügen gemacht, und wie das Leben so spiel­te, fan­den wir uns eines kal­ten Abends Anfang Sep­tem­ber auf den har­ten Plas­tik­sit­zen der Rals­wie­ker Natur­büh­ne wie­der und sahen uns an, wie eine ver­wir­rend gro­ße Schau­spie­ler­meu­te sich dar­an ver­such­te, die Ver­wick­lun­gen der Vita­li­en­brü­der um Klaus Stör­te­be­ker und Gode­ke Michels in die schwe­di­schen Thron­kämp­fe des aus­ge­hen­den 14. Jahr­hun­derts zu ver­an­schau­li­chen. Als alter Vete­ran der Stör­te­be­ker-Kri­tik kom­me ich natür­lich nicht umhin, hier ein paar Wor­te zu dem Spek­ta­kel zu verlieren.

Als ers­tes: Die Stunt­män­ner, alle­samt aus Ungarn stam­mend, waren her­vor­ra­gend! Sie flo­gen durch die Luft, saus­ten auf ihren Pfer­den über die kom­plett mit Sand gefüll­te Büh­ne und lie­ßen sich samt ihrer Sturm­lei­tern von den Stadt­mau­ern Stock­holms sto­ßen, dass es eine hel­le Freu­de war. Auch die Pyro­tech­ni­ker lie­fer­ten eine ins­ge­samt sehr ansehn­li­che Arbeit ab, die in spek­ta­ku­lä­ren Explo­sio­nen, wild zün­geln­den Brän­den und don­nern­dem Kano­nen­feu­er ihre Höhe­punk­te hat­te. Kos­tüm und Büh­nen­bild haben mir sehr gut gefal­len, in bei­den Fäl­len wur­de ein guter Kom­pro­miss zwi­schen his­to­ri­scher Authen­ti­zi­tät und thea­tra­li­scher Über­spit­zung gefun­den. Sehr beein­dru­ckend die rol­len­den Kulis­sen­tei­le, die immer wie­der neue Ein­bli­cke in das Gesche­hen boten!

Was aller­dings fehl­te, war ein roter Faden bei der Hand­lung. Ich will mich hier gar nicht an irgend­ei­ner his­to­ri­schen Genau­ig­keit auf­hän­gen, die hat­te ich ohne­hin nur in Gren­zen erwar­tet. Aber so rich­tig Span­nung woll­te trotz­dem nicht auf­kom­men, was wohl haupt­säch­lich dar­an lag, dass die ein­fachs­ten dra­ma­tur­gi­schen Grund­re­geln nicht beach­tet wur­den. Zum Bei­spiel die, dass ein Prot­ago­nist einen mäch­ti­gen Ant­ago­nis­ten braucht, um zur star­ken Figur zu wer­den. Stör­te­be­ker hin­ge­gen, der in die­sem Teil der mehr­tei­li­gen Pro­duk­ti­on haupt­säch­lich in sei­ner Funk­ti­on als meck­len­bur­gi­scher Blo­cka­de­bre­cher agiert, hat (statt Man­teu­fel und Lan­gen­doorp, wie im ers­ten Teil) nur einen ver­trot­tel­ten Lübe­cker Kauf­manns­sohn vor sich, den er mit ein paar läs­si­gen Tricks außer Gefecht set­zen kann. Kei­ne gro­ße Sache. Die wirk­lich Agie­ren­den sind statt­des­sen die Neben­fi­gu­ren: Danie­la Kie­fer als furi­os über die Büh­ne rei­ten­de Köni­gin Mar­ga­re­te, Nor­bert Braun als meck­len­bur­gi­scher Befehls­ha­ber in Stock­holm, Albrecht Peca­tel, und Patri­cia Schä­fer als Her­zo­gin von Meck­len­burg. Das führt zu einem schwe­ren dra­ma­tur­gi­schen Ungleich­ge­wicht, das auch von der action­rei­chen Insze­nie­rung nicht auf­ge­fan­gen wer­den kann.

Voll­ends unver­ständ­lich bleibt der Zwei­kampf Stör­te­be­kers mit dem schwe­di­schen Heer­füh­rer Swar­te Skaa­ning am Schluss. Die bei­den haben sich nie vor­her gese­hen, war­um also soll­te unser sym­pa­thi­scher Ober­pi­rat den Mann ent­ge­gen der Bit­ten von Her­zo­gin Inge­borg abste­chen und damit den Weg in die Ille­ga­li­tät gehen? Hier wäre mal his­to­ri­sche Kor­rekt­heit ange­bracht gewe­sen, und die hät­te gefor­dert, dass die Vita­li­en­brü­der von den poli­ti­schen Kräf­ten auf­ge­ge­ben wer­den, denen sie bis zu einem gewis­sen Zeit­punkt nütz­lich waren. Erst dadurch wer­den sie wirk­lich zu “Pira­ten”, und erst dadurch wird ihre über­gro­ße Wut auf den Auto­ri­tä­ten ihrer Zeit verständlich.

Völ­lig über­flüs­sig wirk­ten Neben­rol­len wie Magis­ter Wig­bold, der kei­ner­lei dra­ma­tur­gisch erkenn­ba­re Funk­ti­on hat­te. Auch Eli­sa­beth Lan­gen­doorp pass­te als love inte­rest Stör­te­be­kers nicht so recht in die Geschich­te und blieb kaum in Erinnerung.

Ner­vig fand ich auch, mit Ver­laub, eine gewis­se “Ost­ig­keit”. Den hef­tig säch­seln­den Pira­ten­clown als Zuge­ständ­nis an die Urlau­ber aus Jena und Dres­den hät­te ich ja noch hin­ge­nom­men, und Wolf­gang Lip­pert ist eben, na ja, Wolf­gang Lip­pert. Aber muss man sich 2014 wirk­lich noch scha­le Wit­ze über “Kauf­leu­te aus dem Wes­ten” (hier: Lübeck) anhö­ren, die in den “Wil­den Osten” (hier: Wis­mar) kom­men und die nai­ven, aber gut­her­zi­gen Ein­hei­mi­schen übers Ohr hau­en? Und das auf einer Insel, die bei mei­nem ers­ten Besuch 1990 durch­gän­gig so aus­sah: Rügen alt, jetzt aber im All­ge­mei­nen die­sen Ein­druck macht: Rügen neu… Über­haupt – die ein­zi­ge Figur, die den Zuschau­er halb­wegs dar­an erin­ner­te, dass man es hier mit einer zuvor­derst NORD-deut­schen Geschich­te zu tun hat­te, war Andre­as Euler als Gode­ke Michels. Man muss ja nicht gleich alles auf Platt­deutsch machen wie die Kon­kur­renz in Mari­en­ha­fe, aber son büschen aus­sem Vol­len schöp­fen un ma ornt­lich auf die Kacke haun darf man dann eigent­lich schon bei dem Thema.

Wie dem auch sei, den Kin­dern hat’s gefal­len. Wahr­schein­lich kom­men wir wieder…

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