Man kann dem neu­en ame­ri­ka­ni­schen Cäsar so eini­ges vor­wer­fen – sicher nicht, dass er sei­ne Wahl­kampf­ver­spre­chen wie üblich am Tag des Amts­an­tritts ver­ges­sen hät­te. Wäh­rend er die Dekre­te unter­zeich­net, mit denen der Bau einer Mau­er an der Gren­ze zu Mexi­ko, die Abschaf­fung der öffent­li­chen För­de­rung von Kunst und Kul­tur und die Ver­ban­nung der Kli­ma­for­schung von den Web­sei­ten ame­ri­ka­ni­scher Behör­den ein­ge­lei­tet wird, soll­te man sich einen Augen­blick Zeit neh­men, um den grie­chi­schen His­to­ri­ker Poly­bi­os zu lesen, der sich vor über zwei­tau­send Jah­ren mit der Fra­ge beschäf­tigt hat, wie sich im Ver­lauf der (ihm damals bekann­ten) Geschich­te ver­schie­de­ne Regie­rungs­for­men ent­wi­ckel­ten und wie­der­um von ande­ren abge­löst wurden.

Aus dem Wer­de­gang der grie­chi­schen Stadt­staa­ten destil­lier­te er dabei einen Kreis­lauf, bei dem in anfäng­li­cher Anar­chie ent­schlos­se­ne Gewalt­men­schen die Initia­ti­ve ergrei­fen und als Tyran­nen und Köni­ge die Macht ergrei­fen, um dann von rebel­lie­ren­den Aris­to­kra­ten und Olig­ar­chen abge­löst zu wer­den, die aller­dings wie­der­um der all­ge­mei­nen Volks­herr­schaft Platz machen müs­sen, wenn sich der demos gegen sie erhebt. Wei­ter geht es so:

Haben sie dann die einen von ihnen getö­tet die andern in die Ver­ban­nung gejagt, so wagen sie weder einen König an ihre Spit­ze zu stel­len, da sie deren frü­he­re Unge­rech­tig­keit noch fürch­ten, noch haben sie den Mut, den Staat einer Schar von Weni­gen anzu­ver­trau­en, da ihnen noch deren bis­he­ri­ge Ver­blen­dung vor Augen steht, so wen­den sie sich denn, da ihnen nur eine ein­zi­ge Hoff­nung unge­trübt bleibt, die zu sich sel­ber, die­ser zu, machen die Staats­ver­fas­sung aus einer olig­ar­chi­schen zu einer Demo­kra­tie und über­neh­men sel­ber die Vor­sor­ge und den Schutz des Gemein­we­sens. Und so lan­ge noch eini­ge von denen am Leben sind, wel­che die Will­kür- und Gewalt­herr­schaft durch Erfah­rung ken­nen­ge­lernt haben, hal­ten sie zufrie­den mit der nun­meh­ri­gen Ver­fas­sung die Gleich­be­rech­ti­gung und die Frei­heit der Rede in Ehren.

Wenn aber ein jun­ges Geschlecht an deren Stel­le tritt und die Demo­kra­tie wie­der an Kin­der und Kin­des­kin­der über­lie­fert wird, dann suchen eini­ge, indem sie wegen der lan­gen Gewohn­heit die Gleich­be­rech­ti­gung und Frei­heit der Rede nicht mehr für etwas Gro­ßes ach­ten, mehr zu gel­ten als das Volk; haupt­säch­lich aber gera­ten die, wel­che an Ver­mö­gen her­vor­ra­gen, auf die­sen Abweg. Wenn sol­che nun­mehr sich nach Ämtern drän­gen und die­se nicht durch sich sel­ber und durch eige­ne Tüch­tig­keit erlan­gen kön­nen, so ver­geu­den sie Hab und Gut indem sie die Men­ge auf jede Wei­se zu ködern und zu ver­füh­ren suchen. Haben sie die­se nun ein­mal in Fol­ge ihrer unsin­ni­gen Ämter­gier emp­fäng­lich und gie­rig nach Geschen­ken gemacht, dann löst sich auch die Demo­kra­tie wie­der auf, und an die Stel­le der Demo­kra­tie tritt Gewalt und Herr­schaft der Faust. Denn ist die Men­ge ein­mal dar­an gewöhnt, sich von frem­dem Gute zu näh­ren und ihre Bli­cke bei ihrem Lebens­un­ter­halt auf die Besit­zun­gen ande­rer zu rich­ten, und bekommt sie einen hoch­stre­ben­den und ent­schlos­se­nen Füh­rer, der aber durch Armut von den Ehren­stel­len im Staa­te aus­ge­schlos­sen ist, so schafft die­ser dann eine Herr­schaft der Faust, und um ihn geschart schrei­tet das Volk zu Mord, Ver­ban­nun­gen und neu­en Ver­tei­lun­gen des Lan­des, bis es völ­lig ver­wil­dert wie­der einen Zwing­herrn und Mon­ar­chen findet.

(Quel­le, Recht­schrei­bung und Wort­wahl leicht modernisiert)

Es wäre noch zu dis­ku­tie­ren, ob Trump zu den­je­ni­gen gehört, »wel­che an Ver­mö­gen her­vor­ra­gen« und mehr gel­ten wol­len als das Volk (das könn­ten aber auch die Clin­tons und ihre Gesell­schafts­schicht sein), oder zu den »ent­schlos­se­nen Füh­rern«, um die her­um sich das Volk schart, um die Ver­hält­nis­se zum Tan­zen brin­gen (wie man vor ein paar Jahr­zehn­ten zu sagen pfleg­te). Durch »Armut« zeich­net er sich natür­lich nicht gera­de aus, aber der Wil­le zur Umwäl­zung alles Bestehen­dem scheint ihm ja nicht abzu­ge­hen. Viel­leicht spielt er bei­de Rol­len auf einmal.

Wer es noch etwas apo­ka­lyp­ti­scher haben möch­te, darf die­se Woche beim Erz­drui­den vor­bei­schau­en (nein, nicht der von Reichs­bür­gern): How Gre­at the Fall Can Be.