Es mag für Außen­ste­hen­de etwas ver­wun­der­lich klin­gen, aber ich habe in den frü­hen 1990ern ein kom­plet­tes Geschichts­stu­di­um absol­viert, ohne dass auch nur ein ein­zi­ges Mal von mir erwar­tet wur­de, mich mit Geschichts­phi­lo­so­phie oder über­ge­ord­ne­ten Theo­rien zum Gang der Geschich­te an sich zu befas­sen. Die Lehr­amt­skan­di­da­ten stan­den damals in der Pflicht, sich ein mög­lichst gro­ßes, über­blicks­ar­ti­ges Wis­sen anzu­eig­nen, wäh­rend wir Magis­ter­an­wär­ter zur detail­lier­ten Quel­len­ar­beit ange­hal­ten wur­den und ansons­ten von einer Mikro­per­spek­ti­ve zur nächs­ten spran­gen, immer auf der Grund­la­ge einer vagen Ad-hoc-Heu­ris­tik, die nie bewusst gemacht wur­de und im Grun­de auf der Annah­me beruh­te, dass man als gebil­de­ter Zeit­ge­nos­se schon irgend­wie ver­stand, wor­um es ging.

Das hat­te sicher mit der Ver­gan­gen­heit unse­rer Dozen­ten zu tun, die in ihrer eige­nen Stu­di­en­zeit einen all­zu gro­ßen Schluck aus der Zau­ber­trank­pro­duk­ti­on von Marx & Engels Nachf. abbe­kom­men hat­ten und nun – nach dem Unter­gang des Sowjet­rei­ches – pein­lich berührt auf Abstand ach­te­ten, wenn es um den Lauf der Welt­ge­schich­te und die dar­in wir­ken­den Fak­to­ren ging. Aber auch mit der damals ein­set­zen­den Unter­wer­fung der Geis­tes­wis­sen­schaf­ten unter die Fuch­tel der Moral. Wer sich als »links« ver­stand, wid­me­te sei­ne Stu­di­en nicht mehr dem his­to­ri­schen Mate­ria­lis­mus, son­dern der Eman­zi­pa­ti­on der Drit­ten Welt oder dem Kampf gegen die Dis­kri­mi­nie­rung von Min­der­hei­ten aller Art; wer sich als »rechts« ver­stand, stu­dier­te kei­ne Geschich­te (jeden­falls habe ich kei­nen ken­nen­ge­lernt). Immer ging es um einen Per­spek­ti­ven­wech­sel bei der Art, wie Geschich­te erzählt wird (aus der Sicht der Unter­drück­ten, der Frau­en, der Min­der­hei­ten usw. statt der des »alten wei­ßen Man­nes«), so gut wie nie um die Geschich­te selbst.

Oswald Spengler gezeichnet von Rudolf Großmann 1922

Quel­le: Rudolf Groß­mann 1922 [Public domain], aus Wiki­me­dia Commons

Noch schwe­rer hat­ten es die Welt­erklä­rer von der ande­ren Sei­te des poli­ti­schen Spek­trums. Den Namen »Toyn­bee« ken­ne ich nur, weil ich damals – in einer Art Vor­weg­nah­me des Inter­nets – ger­ne in Muße­stun­den durch die Uni­bi­blio­thek gesurft bin und beim Durch­han­geln von einer Fuß­no­te zur nächs­ten irgend­wann bei Man­kind and Mother Earth hän­gen­blieb, was mich dann wie­der­um zu Toyn­bees Haupt­werk A Stu­dy of Histo­ry brach­te. Und mit jeman­dem wie Oswald Speng­ler und sei­nem Unter­gang des Abend­lan­des beschäf­tig­te man sich als Aka­de­mi­ker ein­fach nicht. Es war eines die­ser Bücher, von denen man vage wuss­te, dass es die Leu­te beein­flusst hat­te, die für die Nazi­dik­ta­tur und Ausch­witz ver­ant­wort­lich waren; das muss­te man nicht lesen, es reich­te, den Namen irgend­wo im Köcher mit den Pole­mik­pfei­len parat zu haben.

Das war viel­leicht ein wenig vor­ei­lig. Ich habe mir Speng­lers dicke Schwar­te mal irgend­wann aus rei­ner Neu­gier in einer bil­li­gen Gesamt­aus­ga­be gekauft, die dann jah­re­lang unge­le­sen im Bücher­re­gal stand, wäh­rend ich mich mei­nen eige­nen Mikro­per­spek­ti­ven wid­me­te, von denen eine inzwi­schen zur Buch­form gefun­den hat (wei­te­re wer­den fol­gen). Aber schließ­lich war es dann doch soweit und ich begann, mich durchzukämpfen.

Für eine abschlie­ßen­de Bewer­tung ist es durch­aus noch zu früh, aber ich muss geste­hen, dass ich neben aller­lei goe­the- und nietz­schea­ni­schem Geschwur­bel und an ziem­lich lan­gen Haa­ren her­bei­ge­zo­ge­nen Ver­glei­chen auch auf die eine oder ande­re Per­le gesto­ßen bin, die man auf kei­nen Fall vor die Säue wer­fen soll­te. Speng­lers Ansatz ist ja (sehr grob gesagt), dass jede der in der Mensch­heits­ge­schich­te auf­ge­tre­te­nen Kul­tu­ren ver­schie­de­ne Pha­sen durch­läuft, die man als »Beu­te­krie­ger­tum«, »stän­di­schen Feu­da­lis­mus«, »abso­lu­ten Staat«, »Zivi­li­sa­ti­on der Welt­städ­te« und »Dik­ta­tur gro­ßer Män­ner« bezeich­nen könnte.

Die letz­te Pha­se wur­de von Speng­ler selbst in Anleh­nung an die Ver­hält­nis­se im Römi­schen Reich nach dem Ende der Repu­blik als »Cäsa­ris­mus« bezeich­net. Da unse­re Kul­tur (er nann­te sie die »faus­ti­sche«) den­sel­ben Weg gehen wer­de wie die ande­ren, sei auch ihr lang­sa­mes Ver­ge­hen in einer sol­chen Ent­wick­lung vor­ge­zeich­net, Speng­ler erwar­te­te dies für einen Zeit­raum, der sich vom 20. Jahr­hun­dert bis etwa 2200 erstre­cken wür­de. Es geht also gar nicht um einen schlag­ar­ti­gen »Unter­gang«, und der Autor bemerk­te spä­ter sel­ber, er hät­te sein Buch lie­ber »Die Voll­endung des Abend­lan­des« nen­nen sol­len, weil es sich hier um Vor­gän­ge han­de­le, die einer­seits zwangs­läu­fi­ger Art und ande­rer­seits von grö­ße­ren his­to­ri­schen Dimen­sio­nen seien.

Cole_Thomas_The_Course_of_Empire_Destruction_1836

Quel­le: Tho­mas Cole: The Cour­se of Empi­re — Dest­ruc­tion (1836) [Public domain], aus Wiki­me­dia Com­mons)

Inter­es­sant ist dabei, wie er den Weg zu einem neu­en Cäsa­ren­tum aus der libe­ra­len, bür­ger­li­chen Demo­kra­tie her­aus ent­wi­ckelt (natür­lich wie­der­um in Anleh­nung an das Ende der römi­schen Repu­blik). Dem­nach lau­ert bei die­ser Staats­form stets die Gefahr, dass aus der ursprüng­li­chen Idee der »Volks­ver­tre­tung« frü­her oder spä­ter (für Speng­ler eher frü­her) eine abge­schlos­se­ne Poli­ti­ker­kas­te her­vor­geht, die die idea­lis­ti­schen Vor­stel­lun­gen der jewei­li­gen Ver­fas­sungs­vä­ter ad absur­dum führt:

Dass die gesam­te Mas­se der Wäh­ler­schaft aus einem gemein­sa­men Antrieb her­aus Män­ner ent­sen­det, die ihre Sache füh­ren sol­len, wie es in allen Ver­fas­sun­gen ganz naiv gemeint ist, war nur im ers­ten Anlauf mög­lich und setzt vor­aus, dass nicht ein­mal die Ansät­ze zur Orga­ni­sa­ti­on bestimm­ter Grup­pen vor­han­den sind. […] Mit dem Dasein einer Ver­samm­lung ist aber sofort die Bil­dung tak­ti­scher Ein­hei­ten ver­bun­den, deren Zusam­men­halt auf dem Wil­len beruht, die ein­mal errun­ge­ne herr­schen­de Stel­lung zu behaup­ten, und die sich nicht im gerings­te mehr als Sprach­rohr ihrer Wäh­ler betrach­tet, son­dern umge­kehrt die­se mit allen Mit­teln der Agi­ta­ti­on gefü­gig machen, um sie für ihre Zwe­cke ein­zu­set­zen. (S. 1126)

Neben der Ten­denz der gewähl­ten Abge­ord­ne­ten, sich zu einer abge­ho­be­nen Eli­te zusam­men­zu­schlie­ßen, die es bes­ser weiß als das gewöhn­li­che Volk, kommt noch der star­ke Ein­fluss wirt­schaft­li­cher Kräfte:

In den Anfän­gen der Demo­kra­tie gehört dem Geis­te das Feld allein. Es gibt nichts Edle­res und Rei­ne­res als die Nacht­sit­zung des 4. August 1789 und den Schwur im Ball­haus oder die Gesin­nung in der Frank­fur­ter Pauls­kir­che […] Bald danach indes­sen mel­det sich die ande­re Grö­ße jeder Demo­kra­tie und mahnt an die Tat­sa­che, dass man von sei­nen ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Rech­ten nur Gebrauch machen kann, wenn man Geld hat. Die frü­he Demo­kra­tie, die der hoff­nungs­vol­len Ver­fas­sungs­ent­wür­fe, die für uns etwa bis zu Lin­coln, Bis­marck und Glad­stone reicht, muss die­se Erfah­rung machen; die spä­te, für uns die des rei­fen Par­la­men­ta­ris­mus, geht von ihr aus. Da haben sich Wahr­hei­ten und Tat­sa­chen in Gestalt von Par­teiide­al und Par­tei­kas­se end­gül­tig getrennt. Der ech­te Par­la­men­ta­ri­er fühlt sich eben durch das Geld von der Abhän­gig­keit befreit, die in der nai­ven Auf­fas­sung des Wäh­lers vom Gewähl­ten ent­hal­ten ist. (S. 1131)

Die Wah­len ver­kom­men infol­ge­des­sen zu einer Art »Zen­su­ren­ver­ga­be«, in deren Ver­lauf der Wäh­ler alle paar Jah­re die herr­schen­den Eli­ten bewer­ten kann, ohne wirk­li­chen Ein­fluss auf die maß­geb­li­chen Pro­zes­se zu haben. Um die Zen­su­ren nicht unan­ge­mes­sen schlecht aus­fal­len zu las­sen, wird durch die poli­ti­sche Klas­se ein mög­lichst star­ker Ein­fluss auf die Medi­en aus­ge­übt (Speng­ler kann­te natür­lich noch kein Fern­se­hen oder Inter­net und spricht von »Pres­se­kam­pa­gnen«). Und da die Eli­ten letzt­end­lich vor allem an der Auf­recht­erhal­tung ihres eige­nen Sta­tus inter­es­siert sind, ver­lie­ren sie nach und nach die Fähig­keit, sich mit den all­fäl­li­gen Pro­ble­men auseinanderzusetzen.

Wie man sich den­ken kann, führt die­ser Zustand mit der Zeit zu einer gewis­sen Ermü­dung sei­tens des Wahl­volks und diver­sen Sehn­süch­ten nach den »alten Werten«:

Durch das Geld ver­nich­tet die Demo­kra­tie sich selbst, nach­dem das Geld den Geist ver­nich­tet hat. Aber eben weil alle Träu­me ver­flo­gen sind, dass die Wirk­lich­keit sich jemals durch die Gedan­ken irgend­ei­nes Zen­on oder Marx ver­bes­sern lie­ße, und man gelernt hat, dass im Rei­che der Wirk­lich­keit ein Macht­wil­le nur durch einen ande­ren gestürzt wer­den kann – das ist die gro­ße Erfah­rung im Zeit­al­ter der kämp­fen­den Staa­ten –, erwacht end­lich eine tie­fe Sehn­sucht nach allem, was noch von edlen, alten Tra­di­tio­nen lebt. Man ist der Geld­wirt­schaft müde bis zum Ekel. Man hofft auf eine Erlö­sung irgend­wo­her, auf einen ech­ten Ton von Ehre und Rit­ter­lich­keit, von inne­rem Adel, von Ent­sa­gung und Pflicht. Und nun bricht die Zeit an, wo in der Tie­fe die form­vol­len Mäch­te des Blu­tes wie­der erwa­chen, die durch den Ratio­na­lis­mus der gro­ßen Städ­te ver­drängt wor­den sind. (S. 1143)

Die­se Sehn­süch­te machen sich nun skru­pel­lo­se und macht­hung­ri­ge Ein­zel­ne zu Nut­zen, die gro­ße Geld­mit­tel und die gro­ße Schmie­ren­ko­mö­die der Pro­pa­gan­da dazu ein­set­zen, sich – noch mit­hil­fe der demo­kra­ti­schen Mecha­nis­men, aber gegen die tra­di­tio­nel­len Eli­ten – selbst an die Spit­ze des Staa­tes zu set­zen, den sie dann umge­hend zu einer Dik­ta­tur umfor­men (gege­be­nen­falls ohne die äuße­re Form zu ändern). Speng­ler schrieb vor 1920 und hat­te die Heer­füh­rer der spä­ten römi­schen Repu­blik vor Augen, aber natür­lich kann man genau­so gut an Mus­so­li­ni und Hit­ler den­ken, die in die­ser Sicht­wei­se sozu­sa­gen den ers­ten Ver­such zur Eta­blie­rung die­ser Herr­schafts­form in unse­rer Kul­tur dar­stel­len würden.

[…] die Form der regie­ren­den Min­der­heit ent­wi­ckelt sich vom Stand über die Par­tei zur Gefolg­schaft von Ein­zel­nen. Das Ende der Demo­kra­tie und ihr Über­gang zum Cäsa­ris­mus äußert sich des­halb dar­in, dass nicht etwa die Par­tei des Drit­ten Stan­des, der Libe­ra­lis­mus ver­schwin­det, son­dern die Par­tei als Form über­haupt. Die Gesin­nung, das volks­tüm­li­che Ziel, die abs­trak­ten Idea­le aller ech­ten Par­tei­po­li­tik lösen sich auf, und an ihre Stel­le tritt die Pri­vat­po­li­tik, der unge­hemm­te Macht­wil­le weni­ger Ras­se­men­schen. (S. 1125f, unter »Ras­se« ver­stand Speng­ler nicht die bio­lo­gi­sche, son­dern eine bestimm­te Qua­li­tät von Per­sön­lich­keit, man den­ke an Begrif­fe wie »Ras­se­weib«)

Man muss nicht an Speng­lers Geschichts­mor­pho­lo­gie ins­ge­samt glau­ben, aber hier war er offen­sicht­lich einem Mecha­nis­mus auf der Spur, dem (bei aller Über­spit­zung) eine gewis­se Gül­tig­keit nicht abzu­spre­chen ist. Die Abge­ho­ben­heit der Eli­ten in der alten BRD hat man mal durch den Begriff »Raum­schiff Bonn« gekenn­zeich­net, heu­te von einem »Raum­schiff Ber­lin« zu spre­chen, wäre schon fast zu nied­lich. Der Ein­fluss der Wirt­schaft auf die Gesetz­ge­bung wird immer wie­der skan­da­li­siert, aber ändern tut sich dadurch eigent­lich nichts. Manch­mal wer­den Geset­zes­ent­wür­fe gleich von den Lob­by­is­ten selbst geschrie­ben.

Und erle­ben wir nicht gera­de, dass sich die Par­tei­en von den eini­ger­ma­ßen ver­läss­li­chen Inter­es­sen­ver­tre­tun­gen bestimm­ter Tei­le der Gesell­schaft, wie sie sich beim »Neu­start« nach dem Schock des Zwei­ten Welt­kriegs her­aus­ge­bil­det hat­ten, in Kanz­ler­wahl­ver­ei­ne und Platt­for­men des gefüh­li­gen Aktio­nis­mus jen­seits der »abs­trak­ten Idea­le aller ech­ten Par­tei­po­li­tik« ver­wan­delt haben? Die SPD steht nicht mehr für die klei­nen Leu­te, die CDU nicht mehr für das Bür­ger­tum, und schon tau­chen Pro­fi­teu­re auf, die auf einer Wel­le der Unzu­frie­den­heit in die Par­la­men­te rei­ten. (Man haut momen­tan ger­ne auf den »Rechts­po­pu­lis­mus« ein, aber was wären die SED-Erben von der Lin­ken, wenn nicht »links­po­pu­lis­tisch«?) Die Kanz­le­rin führt das Land prä­si­den­tin­nen­gleich mit einer gro­ßen Koali­ti­on, die kei­ne Par­tei­en mehr kennt, und Wahl­er­geb­nis­se fol­gen nicht mehr aus Über­zeu­gun­gen, son­dern aus der Beliebt­heit die­ses oder jenes Landesfürsten.

Die von Speng­ler ange­spro­che­ne Sehn­sucht nach dem »ech­ten Ton von Ehre und Rit­ter­lich­keit« spie­gelt sich in der unge­heu­ren Popu­la­ri­tät der Fan­ta­sy-Lite­ra­tur mit ihrem sozu­sa­gen »kon­zen­trier­ten Mit­tel­al­ter« wider (des­sen Sog, um Miss­ver­ständ­nis­sen vor­zu­beu­gen, auch ich selbst mich nicht ent­zie­hen kann) eben­so wie in den jun­gen Leu­ten mit ihren Man­ga-Kos­tü­men, die einem in Leip­zig auf der Buch­mes­se allent­hal­ben über den Weg lau­fen. (Was wären Man­gas ande­res als ein Patch­work aus Mythen­frag­men­ten, Kos­tü­men und Hal­tun­gen, das man sich auf der gro­ßen Res­ter­am­pe der euro­päi­schen Kul­tur zusam­men­ge­klaubt hat? Und alles mit unschul­dig gro­ßen Kin­der­au­gen, als sei man für das alles gar nicht verantwortlich.)

Das ist noch nicht alles: Jen­seits des Atlan­tiks hat sich, uns wie immer eini­ge Jah­re oder Jahr­zehn­te vor­aus, ein ech­ter Cäsar mit »unge­hemm­tem Macht­wil­len« auf­ge­macht, um sich mit­hil­fe sei­ner Dol­lar­mil­li­ar­den an die Spit­ze des Staa­tes zu set­zen wie einst der bekann­te Feld­herr aus der Fami­lie der Julier. Donald Trump glaubt erkenn­bar an nichts wei­ter als an sei­ne eige­ne Unüber­treff­lich­keit, aber er ist sehr geschickt dar­in, sich die Wut der unte­ren Mit­tel­klas­se und der Arbei­ter­schicht in den USA zu Diens­ten zu machen. (Glaubt wirk­lich jemand, dass er sich kei­nen bes­se­ren Fri­seur leis­ten könn­te, wenn er woll­te? Das ist ein­fach eine Arbei­ter­klas­sen-Soli­da­ri­täts-Tol­le.) Es ist nicht aus­ge­macht, dass die dabei wir­ken­den Kräf­te aus­rei­chen wer­den, ihn in das Wei­ße Haus zu brin­gen, aber wenn nicht ihn, dann viel­leicht irgend­je­man­den, der nach ihm kommt und auf dem glei­chen Ticket fährt. Die Wut jeden­falls wird unter einer Prä­si­den­tin Clin­ton nicht gerin­ger werden.

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Quel­le: Bill Nye (1900) [Public domain], aus Wiki­me­dia Commons

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Quel­le: Gage Skid­mo­re — Donald Trump, CC BY-SA 2.0, aus Wiki­me­dia Commons

 

Und die Fähig­keit, die all­fäl­li­gen Pro­ble­me zu lösen? Wäh­rend ich dies hier schrei­be, ist es in Brüs­sel zu einem neu­en isla­mis­ti­schen Anschlag gekom­men, und so lang­sam weiß man schon, was pas­siert: Poli­ti­ker und Jour­na­lis­ten aller Art mel­den sich umge­hend zu Wort, um »Betrof­fen­heit« über die »Tra­gö­die« und »Soli­da­ri­tät« mit den Opfern zu ver­kün­den, auf der Lin­ken und bei den Grü­nen wird eben­so schnell davor gewarnt, die Anschlä­ge für »Het­ze« gegen die »Flücht­lin­ge« zu »instru­men­ta­li­sie­ren«. Anschlie­ßend wer­den die »fei­gen« Anschlä­ge ver­ur­teilt, dann wird unse­re »freie« Lebens­wei­se und die »Ver­tei­di­gung unse­rer Wer­te« beschwo­ren und ein­mal mehr »Ent­schlos­sen­heit« beim »Kampf gegen den Ter­ro­ris­mus« ange­kün­digt, nicht ohne zu erwäh­nen, dass es in einer »offe­nen Gesell­schaft« natür­lich »kei­nen Schutz« davor geben kön­ne. Mit ande­ren Wor­ten: Man weiß eigent­lich nicht, was man machen soll, und drescht lee­re, gefühl­vol­le Phrasen.

Ange­sichts die­ses geschwät­zi­gen Unver­mö­gens muss man sich nicht wun­dern, wenn die Wäh­ler sich mehr und mehr nach ande­ren Lösun­gen umse­hen. Die Gesell­schaft radi­ka­li­siert sich, irgend­wann wird viel­leicht das Cha­os so groß, dass die Leu­te jedem aus der Hand fres­sen, der den Ein­druck macht, sie davor beschüt­zen zu kön­nen. Was uns zur Voll­endung die­ses Pro­zes­ses fehlt, ist eigent­lich nur noch eine grö­ße­re Wirt­schafts­kri­se. Der neue Cäsar müss­te dabei mit­nich­ten AfD-Mit­glied oder Pegi­da-Anhän­ger sein, Mus­so­li­ni hat sei­ne Kar­rie­re schließ­lich auch als Redak­teur einer sozia­lis­ti­schen Par­tei­zei­tung begon­nen. Also – irgend­wel­che Vorschläge?

Immer­hin kön­nen wir beten, dass wir nicht Nero, son­dern Mark Aurel bekom­men … Noch lie­ber wäre mir aller­dings, wenn Speng­ler am Ende doch noch wider­legt würde.