Autorenblog

Autor: Bernd (Seite 8 von 22)

Auf Ideen kommt man …

Ellen Ter­ry as Lady Mac­beth 1889 John Sin­ger Sargent

Wie man hört, wur­de in Ita­li­en gera­de eine Fas­sung von Car­men auf­ge­führt, in der die Titel­fi­gur am Ende nicht von ihrem ver­schmäh­ten Lieb­ha­ber Don José erdolcht wird, son­dern viel­mehr die­sen selbst mit einer Pis­to­le erschießt. Es soll irgend­et­was mit der #MeToo-Debat­te zu tun haben, so genau habe ich es nicht gele­sen. Aber ich kann mir nicht hel­fen, ich muss den Faden ein­fach wei­ter­spin­nen: Könn­te nicht auch Der Herr der Rin­ge so enden, dass Arwen den einen Ring kriegt und all die­sen müden Wald­läu­fern, Elben und Zau­be­rern mal zeigt, was eine Har­ke ist? Weil näm­lich nur Män­ner (igitt) von des­sen dunk­ler Macht kor­rum­piert wer­den? Auch sprä­che doch eigent­lich nichts dage­gen, dass Lady Mac­beth Schott­land unter ihrer wohl­wol­len­den Herr­schaft ver­eint und danach die bösen Eng­län­der besiegt, die gera­de mut­wil­lig die Lehens­ho­heit des Hei­li­gen Römi­schen Rei­ches ver­las­sen hät­ten. Nicht zuletzt soll­te man den Schluss von Die drei Mus­ke­tie­re leicht umschrei­ben: Lady de Win­ter wird ver­schont, weil sie Anna von Öster­reich (Öster­reich!!!) als AfD-Unter­stüt­ze­rin ent­lar­ven kann und all ihre Intri­gen daher als gerecht­fer­tigt erscheinen.

Die »ver­al­te­ten« Ver­sio­nen geben wir dann ein­fach Win­s­ton Smith, damit er sie ins Gedächt­nis-Loch schmeißt.

Damals unter den Taliban (3)

Über­zeug­te Nord­lich­ter sehen ja ger­ne auf die Bewoh­ner gewis­ser Land­stri­che wei­ter im Süden her­ab, bei denen angeb­lich der Pfar­rer den Leu­ten erzäh­le, was sie denn bit­te­schön zu wäh­len hät­ten. Und die doo­fen Katho­len würden’s dann auch noch machen. Ich hal­te das aller­dings eher für eine gesamt­deut­sche und kon­fes­si­ons­über­grei­fen­de Tra­di­ti­on, jeden­falls hielt unser Dorf­schul­leh­rer im Janu­ar 1919 ein paar Tage vor den Wah­len zur ver­fas­sung­ge­ben­den Ver­samm­lung in Wei­mar in sei­ner Schul­chro­nik Fol­gen­des fest:

16. Janu­ar: Ren­ne­kamp, Ver­den, rede­te abends bei Lüt­jens über die Deutsch-Han­no­ver­sche Par­tei. Am Schlus­se der Ver­samm­lung for­der­te Pas­tor XYZ alle aus dem Fel­de zurück­ge­kehr­ten anwe­sen­den Sol­da­ten auf, den etwa aus dem Fel­de mit­ge­brach­ten Groll nicht der Hei­mat ent­gel­ten las­sen zu wol­len, indem sie etwa demo­kra­tisch wäh­len woll­ten, und emp­fahl die Deutsch-Han­no­ver­sche Partei.

Mit »Demo­kra­ten«, das muss man wis­sen, war die SPD gemeint, bei der es sich sei­ner­zeit noch um eine wich­ti­ge, ernst­zu­neh­men­de Par­tei han­del­te. In der »Deutsch-Han­no­ver­schen Par­tei« hin­ge­gen sam­mel­ten sich Mon­ar­chis­ten und erz­kon­ser­va­ti­ve Land­leu­te, die im Kai­ser­reich eine Rück­kehr der Wel­fen auf den han­no­ver­schen Thron for­der­ten und in der Wei­ma­rer Repu­blik (ver­geb­lich) für eine Abspal­tung von Preu­ßen und die Schaf­fung eines Lan­des »Han­no­ver« ein­tra­ten. Auf dem Dach­bo­den von so man­chem alten Nie­der­sach­sen­haus modert noch in irgend­ei­ner Ecke eine ver­bli­che­ne gelb-wei­ße Flag­ge vor sich hin und war­tet dar­auf, dass Ernst-August und Caro­li­ne end­lich das ihnen von alters her zuste­hen­de Lei­ne­schloss beziehen.

Ach so, die Wahl­er­geb­nis­se hier im Dorf am 19. Janu­ar 1919: Deutsch-Han­no­ver­sche Par­tei 46 %, Deut­sche Volks­par­tei 15,7 %, Deut­sche Demo­kra­ti­sche Par­tei 14 %, Sozi­al-Demo­kra­ti­sche Par­tei 12,1 %, Deutsch-Natio­na­le Volks­par­tei 11,7 % der Stim­men. Die CSU in ihren bes­ten Tagen konn­te es bes­ser, aber immerhin …

Damals unter den Taliban (2)

Ange­sichts der Sor­gen, die sich die ges­tern erwähn­ten »Haus­vä­ter und Herr­schaf­ten« um das See­len­heil ihrer Knech­te und Mäg­de mach­ten, muss man sich natür­lich fra­gen, was wohl pas­sier­te, wenn das unver­schäm­te Per­so­nal dann doch mal frech über die Strän­ge schlug. Die Fra­gen kann beant­wor­tet wer­den – in unse­rem klei­nen ver­träum­ten Dorf gab es frü­her eine ein­klas­si­ge Volks­schu­le, deren Leh­rer die wich­tigs­ten Ereig­nis­se in einer klei­nen Chro­nik fest­hielt. Am 23. Febru­ar 1923 ver­merkt er:

Voll­mei­er Wil­helm M. schoß abends dem Schnei­der­ge­sel­len Hein­rich T., der mit M.s Dienst­magd auf dem M.’schen Hofe ein »Stell­dich­ein« hat­te, eine Ladung Schrot­kör­ner ins Knie. T. muß­te ärzt­li­che Hül­fe in Anspruch neh­men. Glück­li­cher­wei­se ist das Knie gut geheilt.

Unbe­kannt ist bis­her, wie der Dorf­po­li­zist reagierte …

Damals unter den Taliban

Ich mecke­re ja immer ganz ger­ne über die­ses und jenes und fin­de an der moder­nen Welt viel Anlass zu Kri­tik. Ande­rer­seits bin ich aber heil­froh, dass ich nicht im Jahr 1898 gelebt habe, als der hie­si­ge Kir­chen­vor­stand fol­gen­den klei­nen Antrag auf der Bezirks-Syn­ode einbrachte:

Syn­ode wol­le der über­hand­neh­men­den Zucht­lo­sig­keit der Dienst­bo­ten bei­der­lei Geschlechts, wel­che sich nament­lich dar­in zeigt, dass die­sel­ben des Abends ohne Erlaub­nis der Herr­schaf­ten den herr­schaft­li­chen Hof ver­las­sen, sich auf den Stra­ßen umher­trei­ben und an bestimm­ten Plät­zen sich zusam­men­scha­ren, um mit scham­lo­sen Redens­ar­ten und nur zu leicht fol­gen­den Schlech­tig­kei­ten sich die Zeit zu ver­trei­ben und ihr See­len­heil zu ver­scher­zen, dadurch zu weh­ren suchen, dass sie nicht bloß die Kir­chen­vor­stän­de, son­dern alle Haus­vä­ter und Herr­schaf­ten der gan­zen Inspec­tion ernst­lich ver­mahnt, gegen die­ses Unwe­sen, gegen das ein Ein­zel­ner und auch eine ein­zel­ne Gemein­de nichts aus­zu­rich­ten ver­mag, weil in sol­chem Fal­le die Dienst­bo­ten sofort kün­di­gen wür­den, gemein­sam vor­zu­ge­hen und mit aller Stren­ge durch­füh­ren, dass kein Dienst­bo­te abends ohne Erlaub­nis den herr­schaft­li­chen Hof ver­las­sen darf, kei­ner die Erlaub­nis bekommt, sich zu sol­chen abend­li­chen Umher­schwei­fen zu betei­li­gen, fre­che Zuwi­der­hand­lun­gen aber min­des­tens im Dienst­buch ver­merkt wer­den, und wegen sol­cher Zuwi­der­hand­lun­gen etwa ent­las­se­ne Dienst­bo­ten nicht von andern Herr­schaf­ten wie­der in Dienst genom­men werden.

Der Kir­chen­vor­stand von …

Was neben dem Wet­ter wohl die zwei­te Ursa­che ist, war­um hier­zu­lan­de auch im Som­mer nicht gera­de süd­län­disch-fro­hes Trei­ben auf den Dorf­stra­ßen herrscht…

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