Eines der Kin­der berich­tet aus der Schu­le: Eini­ge Mus­li­me im »Wer­te und Normen«-Unterricht sagen, dass sie nicht an die Evo­lu­ti­ons­theo­rie »glau­ben«. Die Welt habe nun mal Allah geschaf­fen. Die Leh­re­rin ver­passt die Gele­gen­heit, einen klei­nen Exkurs über die Mög­lich­keit von Erkennt­nis über­haupt, die Rol­le von Daten und Hypo­the­sen sowie Pop­pers Fal­si­fi­zier­bar­keits­prin­zip zu star­ten. Statt­des­sen nickt sie nur freund­lich und schweigt. In der nächs­ten Stun­de ver­tritt eine Mit­schü­le­rin die Mei­nung, dass auch Pflan­zen Men­schen­rech­te hät­ten. Sie wol­le sich aber nicht dafür ein­set­zen, denn das habe ja ohne­hin alles kei­nen Sinn. Wie­der nickt die Leh­re­rin freund­lich, geht aber nicht auf die Aus­sa­ge ein. Wenn jemand einen län­ge­ren Text vor­trägt, ani­miert sie die Klas­se, Bei­fall zu klat­schen. Egal, was gesagt wurde.

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Flash­back: Irgend­wann 1985 oder 1986 in Frank­reich. Ich ste­he mit ein paar ande­ren Tram­pern an der Aus­fahrt einer Auto­bahn-Rast­stät­te. Da nie­mand anhält, kom­me ich mit einem der ande­ren ins Gespräch; wie sich her­aus­stellt, stammt er aus einer Fami­lie von Exil-Rus­sen. Ich erzäh­le ihm von mei­ner Erwar­tung, dass sich die Natio­nen Euro­pas irgend­wann auf­lö­sen und in einem neu­en Gro­ßen Gan­zen auf­ge­hen wer­den. Er lacht mich aus. Irgend­wann wür­de der Kal­te Krieg auch wie­der vor­bei sein, und dann wür­den selbst­ver­ständ­lich hin­ter dem ver­schwun­de­nen ideo­lo­gi­schen Gegen­satz die alten Völ­ker wie­der ins Licht der Geschich­te tre­ten. Einen Natio­nal­cha­rak­ter kön­ne man nun mal nicht ändern. Ich schüt­te­le freund­lich lächelnd mei­nen Kopf und bin mir mei­ner Sache sehr sicher. Er schüt­telt sei­nen genau­so freund­lich lächelnd.

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Wir kau­fen viel im Inter­net ein, von daher ken­nen uns die ein­schlä­gi­gen Lie­fer­diens­te mitt­ler­wei­le ganz gut. Bei dem, der nach einem grie­chi­schen Gott benannt ist, kam immer eine net­te Dame mitt­le­ren Alters aus der nächs­ten Klein­stadt, die sich anfangs nicht auf den Hof trau­te, weil sie Angst vor unse­rem Hund hat­te. Irgend­wann begriff sie dann aber, dass sie nur ein paar Lecker­li ein­ste­cken brauch­te, um die gefähr­lich knur­ren­de Bes­tie in einen freu­dig schwanz­we­deln­den Freund zu ver­wan­deln. Aus irgend­ei­nem Grund hat sie den Job vor eini­ger Zeit auf­ge­ge­ben, seit­dem kommt ein Mann, der nur ein paar Bro­cken Eng­lisch und noch weni­ger Deutsch rade­bre­chen kann und sicher nicht aus der nächs­ten Klein­stadt stammt. Die Rege­lung, Pake­te bei Nicht­an­we­sen­heit in die Gara­ge zu stel­len, haben wir mit Hän­den und Füßen aus­ge­han­delt. Den Hund mag er nicht und geht ihm wo weit wie mög­lich aus dem Weg. Ich ertap­pe mich bei der Fra­ge, wie er das mit der Gara­ge wohl mit mei­nen Eltern hin­ge­kriegt hätte.

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Kon­rad Lorenz: »Das feh­len­de Glied zwi­schen Mensch und Affe sind wir selbst.«