Bin heute im Tagträumermodus: einmal eine Geschichte für das Fernsehen erzählen, die noch keiner erzählt hat! Mit Handlungsbögen, die sich über mehrere Folgen erstrecken, lebensnahen und doch kunstvollen Dialogen, realistischen Figuren und jeder Menge Wut über den Zustand, in dem sich das Land und unsere Gesellschaft befinden. Einmal wirklich aus dem Leben schöpfen, wie David Simon, der sich nach dem erzwungenem Ende seiner Journalistenkarriere erstmal ein Jahr lang an eine Straßenecke stellte, um die Leute zu verstehen, die dort Drogen verkauften!
Simon ist, wie inzwischen allgemein bekannt sein dürfte, der kreative Kopf hinter der US-amerikanischen Fernsehserie “The Wire”, bei der über fünf Staffeln hinweg aus verschiedenen Blickwinkeln die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Simons Heimatstadt Baltimore beleuchtet werden. Die vom Bezahlsender HBO von 2002 bis 2008 produzierte Serie ist (zumindest in ihren ersten drei Staffeln) tatsächlich das Meisterwerk der Erzählkunst, als das sie inzwischen landauf, landab angepriesen wird, und so kann es nicht verwundern, dass mittlerweile so gut wie jeder deutsche TV-Regisseur, der etwas auf sich hält und mitschnacken will, das Baltimore-Epos im Interview zu seinem neuesten Fernsehserienprojekt als Inspirationsquelle und Vorbild erwähnt.
Ganz explizit war das bei “Im Angesicht des Verbrechens” der Fall, einer ARD-Serie, die nicht nur einen selten dämlichen Titel aufwies, sondern leider auch die eigenen Ansprüche nicht halten konnte. Ja, ja, da zogen sich “Handlungsstränge über mehrere Ebenen”, und “ästhetische Kamerabilder” gab es auch, aber der Plot dreht sich wieder nur um denselben alten Quark, diesmal dargeboten in einer komplett artifiziellen Welt, die von irgendeiner “Russenmafia” handeln soll, die in irgendeiner Stadt namens “Berlin” eine irgendwie geartete “Unterwelt” beherrscht. Ach ja, und die Schwester des Polizisten ist natürlich mit dem Ober-Mafioso liiert. Jimmy McNulty, hilf!Ich will hier nicht aufzählen, wer sich hierzulande noch alles in die Fußstapfen David Simons begeben wollte und dabei gescheitert ist. Viel interessanter ist es, die Gründe zu beleuchten, warum dies auch in Zukunft so bleiben dürfte.
Es gibt keinen David Simon
Nein, ich bin auch keiner. Ich habe mal vor Jahren bei ein paar Drehbüchern mitgemischt (unter anderem bei dem hier, den Rest übergehe ich mit dezentem Schweigen) und werde nächstes Jahr einen Roman veröffentlichen, aber meine Kenntnisse der organisierten Kriminalität in Deutschland beschränken sich auf ein paar betrunkene Schmalspurganoven, die ich meiner lange zurückliegenden Taxifahrerzeit nachts durch München kutschiert habe, und das, was so über den Drogenhandel in der Zeitung steht. Gesucht wäre aber jemand, der sich wirklich AUSKENNT. Jemand, der eine Zeitlang bei irgendeiner Provinzzeitung den Polizeibericht betreut hat und wirklich WEISS, wie den örtlichen Gangstern der Schnabel gewachsen ist und mit welchen Aktivitäten sie so ihre Tage verbringen. Jemand, der vielleicht selbst aus einer Migrantenfamilie stammt und noch genug Ehrgeiz hat, über sich hinauszuwachsen und etwas Besonderes zu schaffen. Jemand, der seine Heimatstadt nicht für das letzte Provinznest hält und möglichst schnell auf den Berliner Großstadtspielplatz flüchten möchte, sondern weiß, dass das Drama der menschlichen Existenz an jedem Ort der Welt zu jeder Zeit mit der gleichen Intensität gespielt wird.
Leider habe ich in meiner Zeit in der Filmbranche ausschließlich Leute kennengelernt, die in einer netten, durchschnittlichen Mittelschichtsfamilie in einem netten, durchschnittlichen Einfamilienhaus in einer netten, durchschnittlichen Vor- oder Kleinstadt aufgewachsen sind (meist irgendwo im früheren Westdeutschland) und deren weitere Erfahrungen sich auf Abitur, Uni und/oder Filmhochschule sowie ausgiebig Urlaubmachen beschränken. Das Leben anderer Leute kennen sie im Wesentlichen aus den Tausenden von Filmen und TV-Serien, die sie gesehen haben, und eigentlich möchten sie am liebsten all diese Geschichten immer wieder und immer wieder von neuem erzählen und sich daran ergötzen, dass sie alles so schön wiedererkennen. Selbstverständlich wohnen Sie in einer eleganten, renovierten Altbauwohnung in einem der Trendviertel von München, Köln, Hamburg oder Berlin. Und selbstverständlich würden sie es für weit unter ihrer Würde befinden, den oben erwähnten Provinzzeitungsredakteur auch nur schief von der Seite anzusehen.
Es gibt niemanden, der den Mut hätte
In Deutschland existieren zwei Möglichkeiten, um eine TV-Serie zu realisieren: über die öffentlich-rechtlichen Anstalten oder über die Privatsender. In beiden Fällen gerät man an Leute, die seeeehr vorsichtig sind. Bei ARD und ZDF spielen allerlei Bedenkenträger eine Rolle, schließlich will man keine Minderheiten beleidigen oder den politischen Parteien, die im Rundfunkrat vertraten sind, auf die Füße treten. Kritische Gedanken zur Lage der Gesellschaft, verpackt in eine schöne Krimi-Geschichte, vielleicht mit regionalem Bezug, und am Ende löst das Kommissar-Buddy-Team den Fall? Kein Problem. Aber stellen wir uns einmal vor, wir wollten einem deutschen Fernsehredakteur den oben erwähnten Jimmy McNulty als Hauptfigur andrehen. Flucht herum, dass weiland Schimanski dagegen wie ein Chorknabe klingt. Säuft im Dienst und vögelt häufig wechselnde Bettpartnerinnen, darunter Staatsanwältinnen, Politikberaterinnen und unzählige Kellnerinnen. Die Gangsterjagd ist eher ein Sport für ihn, als dass er groß Mitleid mit den Opfern hätte. In der fünften Staffel erfindet er sogar einen Serienmörder, um dem Morddezernat endlich wieder ausreichend Mittel zu verschaffen. Ein, ähem, eher ambivalenter Charakter. Im deutschen Fernsehen würden wir ihn vielleicht in einer düsteren Charakterstudie sehen, die als Abschlussfilm eines Filmhochschul-Absolventen in Zusammenarbeit mit dem “Kleinen Fernsehspiel” irgendwann um 23:30 auf Arte ausgestrahlt würde. Aber zur Hauptsendezeit?
Für die Privaten hingegen würde einfach der Trash-Faktor fehlen. Hier müsste McNulty ein ehemaliger Stuntman sein, der Avon Barksdale in seinem umgebauten Ford Capri durch die Straßen von Dortmund verfolgt und für besondere Tricks auf seine alten Kumpels aus der Filmbranche zurückgreift. Und seine Freundin wäre eine aus dem Reality-TV bekannte Blondine mit Silikonbrüsten und aufgespritzten Lippen, deren Sonnenstudio als geheime Kommandozentrale dient. (Lachen Sie nicht, ich habe im rückwärtigen Bereich von Tonstudios und Schnitträumen gesessen und musste mir Ideen anhören, die wesentlich beknackter waren.) Aber wir wollen nicht ungerecht sein. Die Produktion einer Fernsehserie ist, im Gegensatz etwa zur Herstellung eines Romans, sehr teuer, und ein Redakteur bei einem Privatsender sitzt auf einem Feuerstuhl. Wenn die Quoten nicht stimmen – der nächste bitte! Und welche Biermarke würde ihren Gerstensaft wohl ohne Bauchschmerzen in einem von McNulty & Co. geprägten Umfeld bewerben?
HBO finanziert sich eben anders. Auf den deutschen Markt ist der amerikanische Abo-Sender aber eigener Aussage zufolge nicht gegangen, weil sein typisches Zuschauersegment dort schon von den Öffentlich-Rechtlichen abgedeckt sei. Und die – na ja, siehe oben.
Wir lieben Schema F
Beinahe jeden Sonntagabend versammeln sich bis zu 13 Millionen Deutsche vor dem Fernseher, um ein moralisches Reinigungsritual zu absolvieren. Gegeben wird der ewige Mythos von den Kriegern des Lichtes, die gegen die Mächte der Finsternis kämpfen und gegen jede Wahrscheinlichkeit, nach vielen Umwegen und unter großen Anstrengungen am Ende den Sieg davontragen. Die Krieger des Lichts haben Moral, Ratio und gesunden Menschenverstand auf ihrer Seite, ihre Gegner findet man im Aufreger der Woche im Stern oder sonstigen Boulevardmedien: die schlimmen Folgen der Arbeitslosigkeit, die wohlstandsverwahrloste Jugend, der Siegeszug der Schönheitschirurgie, der Raubbau an der Natur, sogar die Klassiker unerwiderte Liebe, Verstrickung ins Rotlichtmilieu und Korruption im Baugewerbe kommen noch ab und zu aus der Versenkung gesprungen.
Ich mache mich jetzt mal unbeliebt: Mein Name ist Bernd Ohm, und ich gucke nie Tatort. Nie, nie, nie. Nicht mal, wenn Nick Tschiller ermittelt. Warum ich das dann alles weiß? Du meine Güte – ich müsste den Kopf dauerhaft in den Sand stecken oder auf den Mars auswandern, um ignorieren zu können, was da sonntagabends jeweils gespielt wird. Ständig wird in allen möglichen Medien, online oder offline, der Inhalt der letzten oder der nächsten Folge rezensiert, allüberall prangen die Gesichter der Ermittler und ihrer Abenteuer auf Zeitschriften- und Internetseiten, und als Till Schweiger neulich unter dem oben erwähnten Rollennamen in die Riege der aufrechten deutschen Verbrechensbekämpfer aufgenommen wurde, hatte man den Eindruck, hier ginge es um einen Sitz im britischen Oberhaus in Verbindung mit dem Titel des Barons von Heuchelheim.
Wir mögen noch so viel jammern, dass es unserem Fernsehen an innovativen Formaten mangelt, in Wirklichkeit lieben wir das Klischee. Und von einem Krimi erwarten wir kein aufregendes und verstörendes Portrait unserer Gesellschaft, sondern die beruhigende Gewissheit, dass wir zwar in einer von allerlei Krisen und dem Verbrechen zerrissenen Zeit leben (ob das nun stimmt oder nicht), am Ende aber alles noch mal hinkriegen und uns zu einem gutgelaunten Bierchen in der Wurstbude treffen werden.
Dazu kommen noch all die amerikanischen Drehbuchgurus, die in den letzten zwanzig, dreißig Jahren das Kommando über das Drehbuchgeschäft übernommen haben und mit erzähltheoretischen Modellen irgendwo zwischen Aristoteles und Gustav Freytag sämtliche erzählbaren Geschichten in das Prokrustesbett ihrer drei oder fünf Akte gelegt und auf den Rest eingehauen haben, bis nichts mehr übrig geblieben ist. Ihre Ratgeber stehen auf den Schreibtischen der TV-Redakteure, sie sind Unterrichtsstoff an den Filmhochschulen, sie werden landauf, landab in hunderten von “Drehbuchseminaren” wiedergekäut, und der bloße Gedanke, dass irgendjemand eine Geschichte anders als Syd Field oder Robert McKee erzählt, kann wahrscheinlich schlicht nicht mehr gedacht werden.
Ich erinnere mich noch gut an einen geradezu magischen Moment beim Münchner Filmfest irgendwann in den 1990ern, als eine amerikanische Regisseurin, die mit ihrem Film zum “American Indie”-Programm eingeladen war, vor der Vorstellung ihre übergroße Freude kundtat, nun endlich in der Stadt weilen zu dürfen, in der ihr großes Vorbild FASSBINDER gelebt hatte. Ausgerechnet! Der Schöpfer von “Katzelmacher” und “Lili Marleen” war mehr oder weniger der einzige deutschen Filmmacher, der es in den Jahrzehnten nach dem Krieg zu so etwas wie Auslandsruhm gebracht hat, und das mit einer Filmsprache uhd Geschichten, die ebenso von Brecht wie von Douglas Sirk beeinflusst waren – mit anderen Worten: weit entfernt von “Plot Points” und “Heldenreisen”. Und was taten die wackeren Filmschüler und Jungregisseure, mit denen ich damals abhing, angesichts dieser transatlantischen Liebeserklärung? Starrten mit leeren Blicken in das Dunkel vor der Leinwand. Fassbinder, welcher Fassbinder…?
Die meisten deutschen Drehbuchautoren und Regisseure zeichnen sich durch eine geradezu beängstigende Unfähigkeit aus, eine Geschichte nicht aus anderen Geschichten oder Klischeesituationen, sondern aus dem Leben heraus zu entwickeln. Und woran liegt das? Wahrscheinlich daran:
Wir haben Angst vor dem eigenen Spiegelbild
Wir haben keine besonders angenehme Vergangenheit. Der Name “Deutschland” wird bis in die absehbare Zukunft damit verbunden sein, dass unsere Großeltern Millionen von Menschen auf bestialische Weise ermordeten und bei dem Versuch, die Welt zu beherrschen, halb Europa in Schutt und Asche legten. Das ist eine schwere Bürde, und man kann verstehen, dass der eine oder andere versucht, ihr zu entfliehen, indem er sich in eine fremde Tradition hineinimaginiert.
Was ich damit meine? Nun, stellen wir uns mal vor, in Rumänien gäbe es plötzliche eine neue Generation von Filmemachern und Romanautoren, die ihr Rumänischsein hassen und sich eifrig auf das große Erbe der deutschen Kultur stürzen würden. Es gäbe beispielsweise eine Neuverfilmung von Emil und die Detektive, aus Kostengründen in Bukarest gedreht, Bergfilme im Luis-Trenker-Stil, verschiedene Verfilmungen von Gaby-Hauptmann-Romanen mit rumänischen Schauspielern an deutschen Original-Schauplätzen, Romane von rumänischen Autoren, die aber in Berlin, München oder Hamburg spielten und den Stil Joseph Roths oder Hans Falladas imitierten, sowie eine extrem ambitionierte Umsetzung von Berlin, Alexanderplatz, mit rumänischen Schauspielern in Berlin gedreht. Klingt bizarr? Na gut, aber was sind dann die deutschen Tom Sawyer- oder Fünf Freunde-Verfilmungen, Wild-West-Schmonzetten à la In einem wilden Land, die Rosamunde-Pilcher-Filme, ein Roman wie Franka Potentes Allmählich wird es Tag oder Letzte Ausfahrt Brooklyn von Edel/Eichinger? Rührende Versuche, etwas anderes zu sein, als man ist.
Aber würden wir den Blick auf uns selbst überhaupt aushalten?
Versetzen wir doch “The Wire” mal in Gedanken nach Deutschland. Wo könnte die Serie spielen? Wir bräuchten eine traditionelle Hafenstadt, in der der Hafenbetrieb ebenso wie die alten Industrien vor die Hunde gegangen sind. (Die Wirtschaft müsste aber nicht ganz am Boden liegen, Baltimore hat ja auch noch das John Hopkins Hospital und das eine oder andere verbliebene Industrieunternehmen.) Es müsste eine ethnische Minderheit geben, deren Angehörige überproportional am Drogenhandel und sonstiger organisierter Kriminalität beteiligt sind. Die Stadt müsste ständig kurz vor der Pleite stehen und könnte nur mit Geldern des Bundes und Transferleistungen aus anderen Teilen des Landes überleben. Die örtliche Politik müsste sich durch Filz, Vetternwirtschaft und allumfassende Ideenlosigkeit auszeichnen. Die Polizei hätte sich mit Gehaltskürzungen und Beförderungsstopps herumzuschlagen. Weite Teile der Mittelschicht wären seit langem in das Umland geflüchtet und würden dort das Steuersäckel füllen. Wahlen wären hauptsächlich Gelegenheiten, der Welt die richtige Gesinnung zu zeigen. Aber alle fänden sich prima.
Natürlich, ich rede von Bremen.
Aber, nochmal, würden Sie Bremen aushalten? Nicht diese Geschichten mit Lürsen und Stedefreund, die Sie kennen, die aber genauso gut in jeder anderen deutschen Großstadt spielen könnten. Sondern böse Stories mit unverständlichem norddeutschem Genuschel. Mit überforderten Behörden, völlig verpeilten Drogensüchtigen, orientierungslosen Jugendlichen. Mit furchtbarer Nachkriegs-Architektur, Industriebrachen und hässlichen neuen Moscheen. Mit Gewerbegebieten, Pendlerstaus und einer vollkommen verbauten Flusslandschaft fern jeder Natur. Mit bornierten Ureinwohnern, die nicht wissen wollen, dass es jenseits der Stadtgrenzen auch ganz interessante Möglichkeiten gibt. (Sie erinnern sich in diesem Zusammenhang sicher an den Moment, als D’Angelo Barksdale zum ersten Mal im Leben Baltimore verlässt.) Mit Menschen, denen sie erst einmal eine Weile zuhören müssten, um ihre Geheimnisse zu ergründen. Oder doch lieber der endlose Highway und eine Slide-Guitar darüber…?
Es wäre politisch inkorrekt
Stellen wir uns mal vor, um was es bei einer solchen in Bremen spielenden Serie gehen könnte: Wir haben dort beispielsweise eine Großfamilie libanesisch-kurdisch-arabischer Herkunft, von deren Mitgliedern laut Wikipedia viele “Schutzgelderpressungen, Drogen- und Waffenhandel betrieben oder im Rotlichtmilieu aktiv sind”, wir haben “Friedensrichter”, die in einer ethnisch abgeschotteten Parallelwelt Konflikte lösen wie ein anatolischer Dorfältester, wir haben einen verlorenen Stadtteil im Norden der Stadt, wo früher die Werften waren und heute islamistische Vereine Konvertiten locken, wir haben eine Amüsiermeile, die man erst nach Einführung eines Waffenverbots einigermaßen unter Kontrolle bekam, wir haben neureiche Reeder, deren Firmenimperium samt großspuriger Kunstförderung in sich zusammenfällt wie ein Kartenhaus, und zu all dem haben wir noch ein vollkommen rot-grün durchwirktes Bürgertum, das seinen wichtigsten Lebenssinn darin sieht, gegen Rassismus, Nationalismus und Ausbeutung zu kämpfen, aber die Krise kriegt, sobald in der Nachbarschaft ein Asylbewerberheim eingerichtet wird.
Wollen wir aus diesem Stoff wirklich eine Fernsehserie machen? Wir würden es uns mit allen politischen Lagern verderben. Die Linken würden aufheulen, weil wir nahelegen, dass manche Flüchtlinge, die in Deutschland landen, nicht wirklich politisch verfolgt sind, sondern allein ihrem wirtschaftlichen Vorteil folgen und nicht wirklich vorhaben, sich zu “integrieren”. Die Rechten würden wohlmöglich noch lauter schreien, weil wir diese Flüchtlinge, ganz wie in “The Wire”, als das darstellen würden, was sie sind: Menschen in zutiefst menschlichen Verstrickungen. David Simon zeigt die Baltimorer Drogenmafia nicht als hassenswerten Abschaum, die Gangster verfolgen ihre Ziele mit nicht mehr und nicht weniger Würde als ihre Gegner auf der anderen Seite.
Alle würden ihr Fett abbekommen, allen voran die Politiker, die seit Jahrzehnten eine Stadt regieren, ohne zu wissen, wie es mit ihr weitergehen soll. Die öffentliche Pro-Kopf-Verschuldung des Stadtstaates Bremen ist nicht geringer als die des Euro-Parias Griechenland, aber im Gegensatz zu den armen Hellenen muss man sich an der Weser kein neues Geld leihen, um alte Schulden zu bedienen, schließlich fließt ja das Transfergeld aus Bayern und Baden-Württemberg jedes Jahr weiter.
Was natürlich ganz neue Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet: Ob man nicht mal den Bayerischen Rundfunk…? Radio Bremen hat ja früher auch immer Sendungen mit Ringsgwandl und Bruno Jonas gemacht, da könnte sich doch München mal revanchieren…
Okay, Traum vorbei. Zurück zu den Mühen der Ebene. Es wird kein deutsches “The Wire” geben. Nie nicht keines, nimmermehr. Aber der Gedanke ist schon nett…