Ges­tern mit den Kin­dern Iron Sky geschaut. Ihnen hat er durch­aus gefal­len, ich hin­ge­gen fin­de wei­ter­hin, dass Götz Otto nicht gera­de ein gro­ßer Schau­spie­ler ist, den Wit­zen Timing und Tem­po fehlt, und die Leu­te unpas­sen­der­wei­se alle Eng­lisch reden wie in einem ame­ri­ka­ni­schen College-Wohnheim.

Sei’s drum. Wenn Regis­seur Timo Vuo­ren­so­la auch nicht gera­de der nächs­te Bil­ly Wil­der oder David Zucker ist, so hat er doch eine Sze­ne ins Dreh­buch geschrie­ben, die einem mehr über den his­to­ri­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus ver­rät als so man­che lang­at­mi­ge Geschichts-Doku. Es han­delt sich um Rena­te Rich­ters nai­ve klei­ne Anspra­che im Büro der US-Prä­si­den­tin, in der sie die Idea­le der Mond-Nazis vorstellt.

Die Wor­te sind ein biss­chen unbe­hol­fen (wie der gan­ze Film), aber es lohnt sich durch­aus, sie hier wiederzugeben:

It’s very simp­le: the world is sick – but we are the doc­tors. The world is ana­emic – but we are the vit­amins. The world is wea­ry – but we are the strength. We are here to make the world healt­hy once again. With hard work. With hones­ty. With cla­ri­ty. With decen­cy. We are the pro­duct of loving mothers and bra­ve fathers. We are the embo­di­ment of love and bra­very. We are the gift of both God and sci­ence. We are the ans­wer to the ques­ti­on. We are the pro­mi­se deli­ve­r­ed to all mankind.

Die deut­sche Syn­chro­ni­sa­ti­on scheint mir nicht sehr prä­zi­se, von daher rasch eine eige­ne Übersetzung:

Es ist sehr ein­fach. Die Welt ist krank – aber wir sind die Hei­ler. Die Welt ist blut­leer – aber wir sind der Vit­am­in­stoß. Die Welt ist müde – aber wir sind die Kraft. Wir sind gekom­men, um die Welt wie­der gesund zu machen. Mit har­ter Arbeit. Mit Auf­rich­tig­keit. Mit Klar­heit. Mit Anstand. Wir sind das Pro­dukt lie­be­vol­ler Müt­ter und tap­fe­rer Väter. Wir sind die Ver­kör­pe­rung von Lie­be und Tap­fer­keit. Wir sind die Gabe sowohl Got­tes als auch der Wis­sen­schaft. Wir sind die Ant­wort auf die Fra­ge. Wir sind das Ver­spre­chen, dass der gesam­ten Mensch­heit gege­ben wurde.

Im Film wird die Rede dann als genia­le PR-Idee ver­kauft, mit der die (Sarah Palin nach­ge­bil­de­te) US-Prä­si­den­tin ihre Wie­der­wahl sichern will. Eine umju­bel­te Wahl­kampf­ver­an­stal­tung wird gezeigt. Das poli­ti­sche Sys­tem und die Öffent­lich­keit der Ver­ei­nig­ten Staa­ten, das will der Film uns damit sagen, sind anfäl­lig für die Über­nah­me faschis­ti­scher Ideale.

Ange­sichts der bes­tia­li­schen his­to­ri­schen Rea­li­tä­ten erschei­nen Rena­tes vor Opti­mis­mus sprü­hen­de Wor­te natür­lich (was wohl beab­sich­tigt ist) als kom­plett gaga. Aber ich glau­be, sie ent­hal­ten eine tie­fe­re Wahr­heit: Wir sind es mitt­ler­wei­le gewohnt, »Nazis« in Film und Lite­ra­tur als sadis­ti­sche Unmen­schen prä­sen­tiert zu bekom­men, deren ein­zi­ge Moti­va­ti­on dar­in zu bestehen scheint, ande­ren Men­schen lust­voll Böses anzu­tun. In der Regel han­delt es sich um sinist­re Typen mit Schmiss auf der Wan­ge und Leder­hand­schu­hen, die ger­ne mal die Pis­to­le zücken und irgend­wen aus einem Impuls her­aus erschie­ßen. Dum­me Skla­ven ihrer eige­nen Macht­geil­heit. Und wenn sie intel­li­gent sind, sind es intel­li­gen­te, char­man­te Sadis­ten wie Chris­toph Waltz’ SS-Stan­dar­ten­füh­rer Landa.

Es soll­te einem klar sein, dass die his­to­ri­schen Nazis sich in die­sem Bild nicht im gerings­ten wie­der­fin­den wür­den. Aus eige­ner Sicht waren sie statt­des­sen auf­op­fe­rungs­be­rei­te Idea­lis­ten, die einen Wan­del zum Bes­se­ren her­bei­füh­ren woll­ten und deren Vor­stel­lun­gen durch­aus zu jenen pas­sen, die Rena­te in ihrer Rede prä­sen­tiert. Die Nazis haben die Sho­ah nicht in Gang gesetzt, weil sie unheil­ba­re Sadis­ten oder von nebu­lö­sem »Hass« beherrscht waren, son­dern weil sie die Juden als »Krank­heit« betrach­tet haben, die aus­ge­merzt wer­den muss­te, um die Welt zu hei­len. Sie haben sich eben­so wie die Anhän­ger von »Mond­füh­rer Kort­z­fleisch« als Ant­wort auf die müde Deka­denz des Bür­ger­tums gese­hen. Auch der Ver­such des Faschis­mus, den Kreis aus archai­schem reli­giö­sen Den­ken und tech­ni­scher Moder­ne ins Qua­drat zu brin­gen, ist in der Phra­se von der »Gabe sowohl Got­tes als auch der Wis­sen­schaft« prä­gnant zusam­men­ge­fasst. Wenn man die­sen Idea­lis­mus nicht ver­steht, ver­steht man weder Himm­lers berüch­tig­te Pose­ner Rede noch den bizar­ren Umstand, dass jah­re­lang Res­sour­cen in einen mili­tä­risch völ­lig sinn­lo­sen Ver­nich­tungs­ap­pa­rat gesteckt wur­den, obwohl die Wehr­macht an allen Fron­ten in der Defen­si­ve war. Es muss­ten eben Opfer gebracht wer­den – und wenn es das eige­ne Volk war.

Das heißt natür­lich um Got­tes Wil­len nicht, dass die­se Idea­le auch nur beden­kens­wür­dig wären (was man in Zei­ten des »Vogel­schiss« wohl beto­nen muss), aber es soll­te – darf ich »idea­ler­wei­se« schrei­ben? – zu einem gewis­sen Miss­trau­en füh­ren. Es glaubt ja jeder, der mit hei­ßem Her­zen ein Ide­al ver­folgt, dass er höhe­ren Wahr­hei­ten ver­pflich­tet ist, mit dem Her­zen immer nur das Rich­ti­ge sieht und Wider­stän­de aus­schließ­lich der Dumm­heit der ver­blen­de­ten Mit­men­schen zu ver­dan­ken sind. Könn­te sein. Könn­te aber auch sein, dass man sich genau­so irrt wie damals die brau­ne Ban­de und genau wie bei die­ser irgend­wer hin­ter­her die Trüm­mer weg­räu­men muss …