Mit 14 ver­liert man sich ger­ne in Phä­no­me­nen, die einem spä­ter herz­lich pein­lich sind: Tee­nie-Musik, Elek­tronik­bas­teln, Bibel­kreis. Oder, in mei­nem Fall, Sci­ence-Fic­tion. Woche um Woche fie­ber­te ich dem Erschei­nen der neu­en Per­ry-Rho­dan-Heft­chen (1. und 4. Auf­la­ge) ent­ge­gen, ver­schlang alles aus Heynes SF-Taschen­buch­rei­he, das ich in die Fin­ger bekam, und saß atem­los auf der vor­de­ren Kan­te des Kino­sit­zes, wäh­rend Offi­zier Ripley sich mit den Krea­tio­nen H. R. Gigers her­um­schlug (die Kino­le­u­te nah­men es damals mit der FSK nicht so genau). Ganz zu schwei­gen von den zahl­rei­chen Fol­gen Raum­schiff Enter­pri­se und Mond­ba­sis Alpha, in denen Abge­sand­te der Mensch­heit frei­wil­lig oder unfrei­wil­lig mit Warp-Antrieb oder durch “Wurm­lö­cher” beschleu­nigt durchs Uni­ver­sum düs­ten und sich mit den ver­schie­dens­ten außer­ir­di­schen Kul­tu­ren her­um­schlu­gen. Sogar Cap­tain Future habe ich mir noch gegeben.

Irgend­wann legt man das ab wie den Par­ka und die Puma-Turn­schu­he, ohne die sich unser­eins damals nicht aus dem Hau­se trau­te. Trotz­dem blieb ich dem Welt­raum­fie­ber, das ich mir schon im Grund­schul­al­ter bei der Live-Über­tra­gung der letz­ten Mond­lan­dun­gen zuge­zo­gen hat­te, noch ein paar Jah­re län­ger treu, wenn auch in einem etwas rea­lis­ti­sche­ren Modus. Ich träum­te davon, als Astro­naut auf der von Prä­si­dent Rea­gan ange­kün­dig­ten inter­na­tio­na­len Raum­sta­ti­on (die damals noch Free­dom hei­ßen soll­te) zu arbei­ten, und begann ein Stu­di­um der Lauft- und Raum­fahrt­tech­nik – das ich bald wie­der hin­warf, da man schon im Prak­ti­kum genö­tigt wur­de, an irgend­wel­chen Kampf­jets her­um­zu­schrau­ben, was mir die tat­säch­li­chen Berufs­per­spek­ti­ven in die­sem Bereich nur all­zu dras­tisch vor Augen führ­te: Maschi­nen bau­en, die töten. Nach ein paar Semes­tern Phy­sik hat­te ich end­gül­tig die Nase voll von Tech­nik und Welt­all und fand mei­ne wah­re Beru­fung dort, wo ich heu­te bin: bei Geschich­te, Spra­chen und Öko­lo­gie. Als die ISS end­lich zusam­men­ge­schraubt war und im Orbit schweb­te, war mir das so pie­pe­gal, als ob in Kan­ton ein Reis­korn vom Tisch gefal­len wäre.

Ande­re sind nicht so leicht davongekommen.

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Quel­le: NASA [Public domain], aus Wiki­me­dia Commons

Neh­men wir mal Jeff. Er ist eigent­lich so eine Art Buch­händ­ler, hat aber sein Sor­ti­ment mit der Zeit immer mehr erwei­tert und ver­kauft heu­te alles Mög­li­che, von Win­deln über MP3-Play­er bis hin zu Gar­ten­sche­ren. Neu­er­dings gehört ihm sogar eine Zei­tung. Sei­ne Lei­den­schaft aber ist der Welt­raum. In sei­ner Jugend träum­te er davon, “Hotels, Frei­zeit­parks und Kolo­nien im All für 2 bis 3 Mil­lio­nen Men­schen” zu bau­en, um die Erde zu ret­ten. Die kön­ne dann näm­lich ein Park wer­den, in dem der Mensch nicht mehr stö­ren wür­de. Jeff ist weit von die­sen Zie­len ent­fernt, aber er hat immer­hin eine Fir­ma gegrün­det, um ein Rake­ten­sys­tem ent­wi­ckeln zu las­sen, das Men­schen sicher und bil­lig ins All brin­gen soll.

Dabei arbei­tet er neu­er­dings stra­te­gisch mit Richard zusam­men. Der ist schon ein biss­chen älter, so alt, dass er die Swin­ging Six­ties nicht nur vom Hören­sa­gen kennt und ein Leben vol­ler Aben­teu­er und schö­ner Frau­en vor­wei­sen kann. Statt mit Büchern hat er mit Schall­plat­ten ange­fan­gen und sei­ne Akti­vi­tä­ten im Lau­fe sei­nes tur­bu­len­ten Lebens auf Flug­zeu­ge, Heiß­luft­bal­lons und Züge aus­ge­dehnt. In die­ser Hin­sicht sind die Rake­ten­flug­zeu­ge, deren Kon­struk­ti­on er seit eini­gen Jah­ren finan­ziert, nur ein wei­te­res Ver­kehrs­mit­tel unter vie­len. Die schnit­ti­gen Raum­bo­li­den sol­len rei­che Tou­ris­ten für einen Hüp­fer in das Welt­all, na ja, in den Bereich gera­de außer­halb der Erd­at­mo­sphä­re brin­gen und so schnell flie­gen, dass die Pas­sa­gie­re dort ein paar Minu­ten Schwe­re­lo­sig­keit erle­ben. Richard ist mit sei­nen Plä­nen ein biss­chen wei­ter als Jeff, die ers­ten Test­flü­ge haben schon statt­ge­fun­den. Sei­nen Sub­or­bi­tal­flie­ger hat der beken­nen­de Star-Trek-Fan natür­lich Enter­pri­se genannt, und vie­le Hol­ly­wood-Stars und sons­ti­ge Berühmt­hei­ten haben bereits Plät­ze dar­in reser­viert, was immer­hin 200.000 US-Dol­lar kos­tet. Noch ist es aller­dings nicht soweit.

Nicht ganz so inten­siv enga­gie­ren sich Ser­gey und Lar­ry, die aller­dings auch nicht so viel Zeit haben, weil sie zusam­men eine gro­ße Fir­ma in der Inter­net­bran­che lei­ten müs­sen. Ser­gey hat immer­hin schon mal einen Platz bei einer ande­ren Fir­ma gebucht, die Aus­flü­ge zur ISS und als Pas­sa­gier in rus­si­schen Raum­kap­seln ver­mark­tet. Und Lar­ry hat für die wei­te­re Zukunft ganz gro­ße Plä­ne: Zusam­men mit sei­nen Kum­pels Eric und James möch­te er in ein paar Jah­ren Raum­son­den zu Aste­ro­iden schi­cken, um dort nach mine­ra­li­schen Roh­stof­fen schür­fen zu las­sen. Nicht ganz wie in Out­land, dem alten Sean-Con­ne­ry-Film, son­dern nur mit Robo­tern, und vor­her sol­len die Aste­ro­iden in die Erd­um­lauf­bahn geschleppt wer­den, aber immer­hin. Vor­erst arbei­tet man bei dem ent­spre­chen­den Unter­neh­men aller­dings noch an einem Welt­raum­te­le­skop, denn schließ­lich muss man die geeig­ne­ten Aste­ro­iden erst ein­mal fin­den. Das Tele­skop soll so finan­ziert wer­den, dass Pri­vat­leu­te das Recht kau­fen kön­nen, sei­ne Funk­tio­nen für ein paar Minu­ten zu nut­zen und die dabei auf­ge­nom­me­nen Bil­der zusam­men mit dem eige­nen Kon­ter­fei in sozia­len Net­zen wie Face­book zu verbreiten.

Am erfolg­reichs­ten von allen ist aber Elon. Er hat genau wie ich ein Phy­sik­stu­di­um abge­bro­chen, im Anschluss dar­an aber eine Fir­ma gegrün­det, deren Mit­ar­bei­ter eine intel­li­gen­te und nütz­li­che Soft­ware für das Bezah­len im Inter­net erfun­den haben. Die Fir­ma wur­de schließ­lich ver­kauft, und Elon hat zwei wei­te­re Unter­neh­men gegrün­det (in den USA spricht man in einem sol­chen Fall ana­log zum “Seri­en­kil­ler” neu­er­dings vom “Seri­en­un­ter­neh­mer”), von denen eines Elek­tro­au­tos baut, die mit Note­book-Bat­te­rien lau­fen, und das ande­re Rake­ten. Die­se Pro­jek­ti­le sol­len die Kos­ten der Raum­fahrt dras­tisch sen­ken, indem sie nicht mehr nach Gebrauch zu gro­ßen Tei­len in der Erd­at­mo­sphä­re ver­glü­hen, son­dern so zur Erde zurück­keh­ren, dass man sofort wie­der damit los­flie­gen kann, also ganz wie Dr. Zar­kovs Rake­te in Flash Gor­don. Das hat vor Elon noch kei­ner geschafft, aber er ist guter Hoff­nung. Und wenn es soweit ist, soll es end­lich los­ge­hen mit dem Bau von Orbi­tal­sta­tio­nen und Mond­ba­sen, um deren Finan­zie­rung sich dann nicht mehr staat­li­che Behör­den mit knap­pen Bud­gets, son­dern tat­kräf­ti­ge Unter­neh­mer mit Gewinn­ab­sich­ten küm­mern wür­den. Und so schnell wie mög­lich soll es dann auch zum Mars gehen, des­sen Kolo­ni­sie­rung Elon für die Mensch­heit ermög­li­chen möch­te. Das kann noch ein paar Jah­re war­ten, und Elons Rake­ten keh­ren auch noch nicht so rich­tig zur Wie­der­ver­wen­dung zur Erde zurück, aber sie flie­gen immer­hin schon so zuver­läs­sig, dass die NASA Flü­ge damit bucht, um Las­ten auf die her­kömm­li­che Art zur ISS zu brin­gen. Für die nähe­re Zukunft sind Satel­li­ten­starts und eine bemann­te Raum­kap­sel geplant.

Die Cle­ve­ren haben es schon gemerkt, ich rede von Ama­zon-Chef Jeff Bezos, Vir­gin-Tycoon Richard Bran­son, Ser­gey Brin, Lar­ry Page und Eric Schmidt von Goog­le, dem Film­re­gis­seur James Came­ron sowie Elon Musk, der das Geld, das er mit dem Ver­kauf von Paypal ver­dient hat, in Tes­la Motors und SpaceX gesteckt hat. Ich kann den Enthu­si­as­mus, den all die­se Mul­ti­mil­li­ar­dä­re für ihre Raum­fahrt­pro­jek­te ver­sprü­hen, noch ganz gut nach­voll­zie­hen, schließ­lich habe ich sel­ber mal ähn­li­che Träu­me gehegt (ohne aller­dings den Weg dort­hin als Super­ka­pi­ta­list bestrei­ten zu wol­len). Aber wie rea­lis­tisch ist das alles? Lohnt es sich? Und was für eine Phi­lo­so­phie steckt dahinter?

Für Weltraumtouristen

© Vir­gin Galactic/Mark Green­berg [CC-BY-SA‑3.0], über Wiki­me­dia Commons

Das mit dem Welt­raum­tou­ris­mus ist wahr­schein­lich kein Pro­blem, poten­zi­el­le Tou­ris­ten gibt es jeden­falls genug. Wie die kana­di­sche Jour­na­lis­tin Chrys­tia Free­land in ihrem kürz­lich auf Deutsch erschie­ne­nen Buch Die Super­rei­chen (im Ori­gi­nal weni­ger scham­haft: The Plu­to­crats) sehr anschau­lich erklärt, ist in den letz­ten Jahr­zehn­ten eine neue Klas­se von Glo­bal-Play­ern ent­stan­den, die ihren mär­chen­haf­ten Reich­tum sowohl Orga­ni­sa­ti­ons­ta­lent und har­ter Arbeit als auch dem Umstand ver­dankt, dass sich durch die IT-Revo­lu­ti­on, die Glo­ba­li­sie­rung der Unter­hal­tungs­in­dus­trie und die neo­li­be­ra­lis­ti­sche Pri­va­ti­sie­rungs­wel­le Mög­lich­kei­ten für den Ver­mö­gens­er­werb auf­ge­tan haben, die die Welt seit den Tagen von Rocke­fel­ler und Car­ne­gie nicht mehr gese­hen hat. Nicht nur gehö­ren Bran­sons Ziel­kun­den zur die­ser neu­en Klas­se, son­dern auch er selbst und die ande­ren genann­ten Raum­fahrt­un­ter­neh­mer; man bleibt unter sich.

Bran­sons VCC Enter­pri­se könn­te also schon bald zah­len­de Kund­schaft in den Bereich außer­halb der Erd­at­mo­sphä­re kata­pul­tie­ren. In tech­ni­scher Hin­sicht geht es ja eigent­lich nur um einen beson­ders hohen Para­bel­flug, und solan­ge kein grö­ße­rer Unfall pas­siert, bei dem Pas­sa­gie­re zu Tode kom­men, dürf­te das Geschäfts­mo­dell funk­tio­nie­ren. Was aber ist mit den ande­ren Vorhaben?

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Quel­le: NASA [Public domain], aus Wiki­me­dia Commons

Eines muss dabei klar sein: Die viel­fäl­ti­gen unter­neh­me­ri­schen Akti­vi­tä­ten in Sachen Raum­fahrt befin­den sich momen­tan in einer Pha­se, die unge­fähr der­je­ni­gen der staat­li­chen Raum­fahrt Ende der 1950er plus bes­se­ren Com­pu­tern ent­spricht. Die Tech­nik unter­schei­det sich nicht grund­le­gend von der damals kon­zi­pier­ten: mehr­stu­fi­ge Rück­stoß­ra­ke­ten mit Kap­seln an der Spit­ze, die den alten Gemi­ni- oder Apol­lo-Sys­te­men nicht unähn­lich sind. Ideen wie die Wie­der­ver­wen­dung von Rake­ten­stu­fen gab es damals natür­lich auch schon, aber sie wur­den ver­wor­fen, weil man mög­lichst schnell zum Mond woll­te, und danach setz­ten sowohl die USA als auch die UdSSR auf Shut­tle-Sys­te­me (von denen nur das ame­ri­ka­ni­sche ver­wirk­licht wur­de). Eine Rake­te, die nach dem Ein­satz wie­der lan­den soll, ver­braucht aller­dings wesent­lich mehr Treib­stoff und ist schwe­rer als Weg­werflö­sun­gen, sodass ent­we­der die Nutz­last klei­ner oder die Rake­te grö­ßer wer­den muss. Ob sich das Sys­tem am Ende rech­net, steht sozu­sa­gen in den Ster­nen, aber es ist ein inter­es­san­ter Ansatz, und viel­leicht kommt wirk­lich etwas dabei her­aus, das die Start­kos­ten für Welt­raum­frach­ten deut­lich sen­ken kann. Den Markt für Satel­li­ten­starts und For­schungs­flü­ge könn­ten Unter­neh­mer wie Musk jeden­falls durch­aus kräf­tig aufmischen.

Der umtrie­bi­ge Süd­afri­ka­ner hat aber, wie bereits erwähnt, in Wirk­lich­keit ganz ande­re Zie­le. Es soll ja nur der Anfang sein, Satel­li­ten in die Umlauf­bahn zu schie­ßen, um Geld damit zu ver­die­nen, am Ende will Musk zu unse­rem äuße­ren Nach­bar­pla­ne­ten, auf dem eine Kolo­nie der Mensch­heit ent­ste­hen soll, um das Pro­blem der Über­be­völ­ke­rung zu lösen. Vom Rei­se­ziel Mars träu­men natür­lich vie­le, die ame­ri­ka­ni­schen Regie­run­gen der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te haben auch immer mal wie­der grö­ße­re Pro­jek­te ange­kün­digt, bei denen es um bemann­te Mis­sio­nen und die Errich­tung von per­ma­nen­ten Basen auf dem Roten Pla­ne­ten geht. Jedes die­ser Pro­jek­te aller­dings wur­de von den fis­ka­li­schen Rea­li­tä­ten ein­ge­holt, und der­zeit sieht es nicht so aus, als ob irgend­ein Land der Erde allein oder in Zusam­men­ar­beit mit ande­ren in nächs­ter Zeit ein ent­spre­chen­des Mam­mut­un­ter­neh­men ansto­ßen würde.

Wenn es nach den Super­ka­pi­ta­lis­ten geht, die an ihren Raum­fahrt­pro­to­ty­pen her­um­bas­teln, ist das auch gar nicht erfor­der­lich. Die meis­ten von ihnen hän­gen dem Liber­ta­ris­mus an, einer in den USA weit ver­brei­te­ten radi­ka­len Ideo­lo­gie, der zufol­ge die Frei­heit des Indi­vi­du­ums, auch jene zur Anhäu­fung eines mög­lichst gro­ßen Ver­mö­gens, maxi­mal aus­ge­dehnt wer­den soll­te. Der Staat spielt in sol­chen Vor­stel­lun­gen kei­ne gro­ße Rol­le mehr, und eine Umver­tei­lung von Reich­tum wird natür­lich wei­test­ge­hend abge­lehnt, um den Fähi­gen kei­ne Fes­seln anzu­le­gen. Die Bibel die­ser Leu­te ist der Roman Atlas wirft die Welt ab der rus­sisch-ame­ri­ka­ni­schen Autorin Ayn Rand, eine Art ver­schro­be­ne Uto­pie, in der die gesell­schaft­li­che Eli­te in den Streik gegen die Regie­rung tritt und sich in das Städt­chen Galt’s Gulch in den Rocky Moun­tains zurück­zieht, wäh­rend um sie her­um die Welt im Cha­os ver­sinkt, das von den Fau­len und Inkom­pe­ten­ten ange­rich­tet wird.

Auch die Raum­fahrt soll­te dem­zu­fol­ge markt­wirt­schaft­lich orga­ni­siert sein und durch das Gewinn­stre­ben ein­zel­ner Über­flie­ger erschlos­sen wer­den. Aber gibt es im All über­haupt einen Markt jen­seits von Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Navi­ga­ti­ons­sa­tel­li­ten? Lässt sich mit Aste­ro­iden-Erzen und Mars­flü­gen Geld verdienen?

Wahr­schein­lich nicht.

Eine Stu­die von Pla­ne­ta­ry Resour­ces, dem Unter­neh­men, für das sich Ser­gey Brin, Eric Schmidt und James Came­ron enga­gie­ren, kommt zu dem Ergeb­nis, dass man einen 500 Ton­nen schwe­ren Aste­ro­iden bis zum Jahr 2025 für unge­fähr 2,6 Mil­li­ar­den US-Dol­lar in eine hohe Mond­um­lauf­bahn brin­gen könn­te. Selbst falls das Objekt zu einem Groß­teil aus dem sehr wert­vol­len Nickel bestehen wür­de, hät­te man bis dahin schon jede Men­ge Geld ver­lo­ren, denn bei heu­ti­gen Prei­sen sind 500 Ton­nen die­ses Metalls nur gut 7 Mil­lio­nen US-Dol­lar wert. Die Stu­die spricht denn auch nicht davon, den Aste­ro­iden wirk­lich kom­mer­zi­ell zu nut­zen, son­dern schlägt vor, ihn zu Test­zwe­cken in den Mond­or­bit zu brin­gen, um dann dort eine robo­ti­sche Infra­struk­tur auf­zu­bau­en, die die ent­hal­te­nen Metal­le wei­ter­ver­ar­bei­ten könn­te. Irgend­wann spä­ter, wenn die Fracht­prei­se durch neue Rake­ten­tech­nik stark gefal­len sind und Bau­be­darf für eine indus­tri­el­le Infra­struk­tur im Welt­all besteht, könn­te das Unter­neh­men dann tat­säch­lich wirt­schaft­lich sein.

Das hört sich ver­däch­tig nach einem Luft­schloss an, zumal die meis­ten Aste­ro­iden kein kom­pak­tes Objekt sind, son­dern eher eine lose Ansamm­lung von Welt­raum­schutt, der durch die schwa­che Gra­vi­ta­ti­on der ein­zel­nen Tei­le zusam­men­ge­hal­ten wird. Es dürf­te schon rein tech­nisch nicht ganz ein­fach sein, sie in eine ande­re Umlauf­bahn zu zwin­gen. Und dann müss­ten die Fracht­prei­se schon extrem weit fal­len, denn selbst­ver­ständ­lich besteht auch ein “metal­li­scher” Aste­ro­id in Wirk­lich­keit nur zu einem bestimm­ten Pro­zent­satz aus Metall, und bil­li­ges Eisen kommt häu­fi­ger vor als teu­res Nickel.

Noch düs­te­rer wird es, wenn wir uns dem Pro­jekt “Mars­ko­lo­nie” zuwen­den. Die Vor­stel­lung, dass unser Nach­bar­pla­ne­ten frü­her irgend­wie bewohn­bar war oder wir ihn in der Zukunft irgend­wie bewohn­bar machen kön­nen, ist von Ray Brad­bu­rys Mars-Chro­ni­ken über Kim Stan­ley Robin­sons Mars-Tri­lo­gie bis hin zu Dis­neys John-Car­ter-Desas­ter eine der am nach­hal­tigs­ten im kol­lek­ti­ven Unbe­wuss­ten ver­an­ker­ten Vor­stel­lun­gen der moder­nen Sci­ence-Fic­tion, von daher erscheint es bei­na­he blas­phe­misch, nicht dar­an glau­ben zu wollen.

Die Grün­de für eine gewis­se Skep­sis sind aller­dings recht stich­hal­tig. Es ist hier nicht der Platz, um alle anzu­füh­ren, aber allein zwei davon sind schon recht gewich­tig: Zum einen hat der Mars nur ein extrem schwa­ches Magnet­feld und des­halb auch kein dem Van-Allen-Gür­tel ver­gleich­ba­ren Mecha­nis­mus, der die Ober­flä­che des Pla­ne­ten frei von kos­mi­scher Strah­lung hal­ten wür­de. Hypo­the­ti­sche Mars­ko­lo­nis­ten müss­ten die meis­te Zeit über in Strah­len­schutz­kup­peln oder unter der Mars­ober­flä­che leben, und was das stän­di­ge Bom­bar­de­ment mit hoch­en­er­ge­ti­schen Par­ti­keln mit der Vege­ta­ti­on anstel­len wür­de, die man zum Zwe­cke eines “Ter­ra­forming” auf dem Pla­ne­ten ansie­deln will, kann man sich wohl vor­stel­len – Muta­tio­nen zu Hauf. Bereits der Flug zum Roten Pla­ne­ten wür­de unge­schützt ver­lau­fen und daher auf­grund sei­ner lan­gen Dau­er unkal­ku­lier­ba­re Risi­ken für die Raum­fah­rer mit sich bringen.

Des Wei­te­ren ist der Mars sehr viel klei­ner als die Erde und hat eine gerin­ge­re Schwer­kraft. Das könn­te für Dau­er­be­woh­ner zu Mus­kel­schwund und ande­ren gesund­heit­li­chen Pro­ble­men füh­ren, aber vor allem ist dadurch auch die Flucht­ge­schwin­dig­keit gerin­ger, und leich­te Mole­kü­le wie Was­ser kön­nen in den obe­ren Atmo­sphä­re­schich­ten vom Son­nen­wind erfasst wer­den und den Pla­ne­ten auf Nim­mer­wie­der­se­hen ver­las­sen. Sie tun das so regel­mä­ßig, dass eine erd­ähn­li­che Luft­hül­le – wie auch immer her­bei­ge­führt – auf Dau­er insta­bil wäre und stän­dig durch Nach­schub mit Was­ser und ande­ren Bestand­tei­len auf­ge­frischt wer­den müss­te. Mars-Enthu­si­as­ten füh­ren an die­ser Stel­le in der Regel an, das kön­ne durch Umlen­ken von Kome­ten gesche­hen, deren Kern aus Was­ser­eis dann in der Mars­at­mo­sphä­re ver­damp­fen und abreg­nen wür­de. Aber man stel­le sich das vor: Noch heu­te, obwohl das meis­te Was­ser gefro­ren ist, gehen dem Mars 500 Ton­nen Was­ser pro Tag ver­lo­ren. Die Kos­ten dafür, die Umlauf­bahn eines Kome­ten zu ändern, dürf­ten dem oben ange­spro­che­nen Aste­ro­iden­pro­jekt ähneln. Wir müss­ten also jeden Tag meh­re­re Mil­li­ar­den (oder durch fort­schritt­li­che Tech­nik mei­net­we­gen meh­re­re Mil­lio­nen) US-Dol­lar dafür aus­ge­ben, eine Men­ge an Was­ser her­bei­zu­schaf­fen, die auf der Erde nicht mal einem mick­ri­gen Dorf­teich entspricht!

Die­se Über­le­gung ist es auch, die uns an den wah­ren Kern des Pro­blems bringt, und der ist öko­lo­gi­scher Natur: Die wirt­schaft­li­chen Akti­vi­tä­ten des Men­schen sind nur durch den gigan­ti­schen kos­ten­frei­en Ser­vice mög­lich, den der Pla­net Erde jeden Tag für uns leis­tet. Er ver­sorgt uns mit atem­ba­rer Luft, trink­ba­rem Was­ser, einer sich selbst repro­du­zie­ren­den Bio­sphä­re, deren Mani­pu­la­ti­on wir unse­re Nah­rung ver­dan­ken, Strah­len­schutz, metal­li­schen Roh­stof­fen und vie­len wei­te­ren Annehm­lich­kei­ten, die wir uns buch­stäb­lich nicht leis­ten könn­ten, wenn wir sie uns erst erar­bei­ten müss­ten. Man ver­gisst das in der Regel, weil es so selbst­ver­ständ­lich ist, und auch in der klas­si­schen öko­no­mi­schen Theo­rie kom­men die­se Gege­ben­hei­ten nur als “Exter­na­li­tä­ten” vor. Aber auf frem­den, lebens­feind­li­chen Pla­ne­ten kann man es nicht mehr ver­ges­sen, und die Vor­stel­lung, den Mars (oder die Venus, ande­re Pla­ne­ten, Mon­de…) qua­si wie eine rie­si­ge Raum­sta­ti­on mit künst­li­chen Lebens­er­hal­tungs­sys­te­men aus­zu­rüs­ten und stän­dig betriebs­be­reit zu hal­ten, über­steigt die aktu­el­len und für die nähe­re bis mitt­le­re Zukunft vor­stell­ba­ren tech­ni­schen Fähig­kei­ten der Mensch­heit in einem der­ar­ti­gen Aus­maß, dass wir uns wohl mit dem Gedan­ken anfreun­den müs­sen, bis auf Wei­te­res nur die­sen einen Pla­ne­ten als Wohn­stät­te zur Ver­fü­gung zu haben. Auf ande­ren Him­mels­kör­pern ist schlicht­weg die Mie­te zu hoch.

Auf eine viel tie­fe­re Dimen­si­on des Pro­blems ver­weist Jeff Bezos’ Idee von einer Mensch­heit, die in Welt­raum­ko­lo­nien ein neu­es Eden gefun­den hat, wäh­rend die Erde qua­si zu einem gigan­ti­schen Natur­schutz­ge­biet wird. Sicher hat er das im jugend­li­chen Über­schwang gesagt und backt momen­tan in Sachen Raum­fahrt viel klei­ne­re Bröt­chen, aber man erkennt doch in den Wor­ten eine Hoff­nung, die wir sonst nur aus Reli­gio­nen ken­nen: Der Mensch lässt die Beschrän­kun­gen der Natur hin­ter sich, steigt in den Him­mel auf und wohnt den Göt­tern gleich in sil­bern schim­mern­den Röh­ren, die um Lagran­ge 4 krei­sen. Das ist allen­falls noch mit der Gnos­tik zu ver­glei­chen, deren Ziel es war, den gött­li­chen Fun­ken in uns zu befrei­en, um der häss­li­chen, von Teu­fel oder Demi­urg beherrsch­ten mate­ri­el­len Rea­li­tät und dem sün­di­gen Kör­per zu entkommen.

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Joe Doo­lin [Public domain], aus Wiki­me­dia Commons

Was für ein Blöd­sinn! Und was für eine tief sit­zen­de Angst vor dem Leben­di­gen, des­sen Teil wir doch unab­wend­bar sind! Hier zeigt sich eine der wesent­li­chen Trieb­fe­dern der Sci­ence-Fic­tion in der See­le ihrer jugend­li­chen Anhän­ger: die Abscheu vor der alles ver­schlin­gen­den Natur, dem Mut­ter­schoß, dem man doch gera­de ent­ron­nen ist und zu des­sen erneu­ter Wert­schät­zung auf höhe­rer Ebe­ne einen in der moder­nen Welt kei­ne Ritua­le, kei­ne Wei­sun­gen, kei­ne Gebe­te mehr hin­füh­ren. Da wird dann die Tech­nik zur Erlö­sungs­re­li­gi­on des jun­gen Man­nes und die Traum­welt der Sci­ence-Fic­tion zu sei­nem Evan­ge­li­um. Erst im Welt­all sollt ihr eure wah­re Bestim­mung erfah­ren! Wenn ich mir heu­te so für Augen füh­re, an was ich in die­sem Alter selbst geglaubt habe, gru­selt mir.

Nun mag man sagen, dass all dies Über­in­ter­pre­ta­ti­on, Kul­tur­pes­si­mis­mus und die für Geis­tes­wis­sen­schaft­ler typi­sche Klug­schnacke­rei sei. Und schließ­lich muss doch allein die Tat­sa­che, dass hoch­in­tel­li­gen­te und erfolg­rei­che Unter­neh­mer wie Jeff Bezos, Lar­ry Page oder Elon Musk ihr Geld in die­se Unter­neh­men inves­tie­ren, für deren Umsetz­bar­keit spre­chen. Mag sein. Aber super­reich wird man nicht, weil man die Natur­ge­set­ze aus­he­beln kann (auch wenn Musk sich bei Gele­gen­heit schon mal über New­tons drit­tes Gesetz beschwert), son­dern weil man in Umbruch­zei­ten zur rich­ti­gen Zeit an der rich­ti­gen Stel­le war und das rich­ti­ge Pro­dukt auf den Markt gebracht hat. Eine ganz ande­re Geschich­te ist es, ein Pro­dukt auf einem Markt zu lan­cie­ren, den es nicht gibt, für Kun­den, die kei­nen Nut­zen davon haben. Es gibt ja einen guten Grund dafür, dass die “Erobe­rung des Welt­raums” nicht den kolo­ni­sa­to­ri­schen Ver­lauf genom­men hat, von dem die uto­pi­sche Lite­ra­tur in der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts noch so selbst­ver­ständ­lich aus­ging: Außer Erkennt­nis­sen ist dort oben nichts zu gewin­nen. Weder Tem­pel­schät­ze noch durch Skla­ven aus­beut­ba­re Sil­ber­mi­nen noch lächeln­de braun­häu­ti­ge Frau­en, mit denen man schla­fen kann, um der repres­si­ven christ­li­chen Moral zu entkommen.

Und noch viel wich­ti­ger: Es mag tech­nisch irgend­wie mög­lich sein, einen metal­li­schen Aste­ro­iden umzu­len­ken und in eine Mond- oder Erd­um­lauf­bahn zu brin­gen, um ihn dort von Robo­tern ein­schmel­zen zu las­sen. Wie viel ein­fa­cher und nütz­li­cher aber wäre es wohl, das Wirt­schafts­sys­tem hier unten auf Erde so umzu­bau­en, dass ein ewi­ger Kreis­lauf dar­aus wird, der nicht stän­dig neu­en Nach­schub an Roh­stof­fen braucht, ganz genau wie bei den zugrun­de lie­gen­den Sys­te­men der Natur? Wahr­schein­lich sehr viel ein­fa­cher. Und extrem viel nützlicher.

Um noch mal zu Chrys­tia Free­land und ihrem Buch Die Super­rei­chen zurück­zu­kom­men: Die gan­zen pri­va­ten Raum­fahrt­in­itia­ti­ven sind eigent­lich nur mög­lich, weil durch die wirt­schaft­li­chen Gege­ben­hei­ten seit Rea­gans und That­chers neo­li­be­ra­ler Zei­ten­wen­de und die digi­ta­le Revo­lu­ti­on eini­ge weni­ge so viel Geld in ihren Hän­den ver­ei­nen konn­ten, dass sie es sich leis­ten kön­nen, ein wenig her­um­zu­ex­pe­ri­men­tie­ren, ohne die unmit­tel­ba­re Macht des Mark­tes oder die har­te Hand des Finanz­mi­nis­ters fürch­ten zu müs­sen. Sie wer­den dabei sicher Tech­ni­ken ent­wi­ckeln, die effi­zi­en­te­re Satel­li­ten­starts ermög­li­chen und die bestehen­de Raum­fahrt­tech­nik bil­li­ger machen. Aber wie viel bes­ser wären die dafür auf­ge­wen­de­ten Res­sour­cen ein­ge­setzt, wenn man sie dafür ver­wen­de­te, ein ver­nünf­ti­ges Kreis­lauf­sys­tem hier unten auf der Erde zu schaf­fen! Dass die in weni­gen Jahr­zehn­ten zu erwar­ten­den 9 Mil­li­ar­den Men­schen auf dem Pla­ne­ten noch irgend­wie in den Genuss von Elon Musks Mars­ko­lo­nien kom­men (wenn sie denn mög­lich wären), ist purer Blöd­sinn. Die gro­ßen Pro­ble­me, die wir haben, stel­len sich uns hier und jetzt. Wir wer­den sie nicht durch Phan­tas­te­rei­en von einer Mensch­heit, die ins Welt­all gehört, lösen können.

Die Ideo­lo­gie des Liber­ta­ris­mus behaup­tet, dass am bes­ten der ein­zel­ne Mensch, der zu viel Geld gekom­men ist, über des­sen Ver­wen­dung ent­schei­det, das Recht dazu habe er ja durch den Erwerb eben die­ses Gel­des erwor­ben. Dum­mer­wie­se kann es einem dann pas­sie­ren, dass Rie­sen­sum­men in den Hän­den klei­ner Jungs lan­den, die damit ihre jugend­li­chen Sci­ence-Fic­tion-Träu­me wahr­ma­chen wol­len. Wenn man noch einen bes­se­ren Beweis für den Irr­sinn die­ses zu Ende gedach­ten Libe­ra­lis­mus braucht – mir fällt kei­ner ein.

Und der Titel ist, ähem, ein biss­chen rei­ße­risch. Es muss natür­lich hei­ßen: Gebor­gen auf Sol 3 – unse­rer Hei­mat im All.

NASA-Apollo8-Dec24-Earthrise

Quel­le: Nasa [Public domain], aus Wiki­me­dia Commons

(Dem­nächst mehr zur Raum­fahrt über die Gren­zen des Son­nen­sys­tems hinaus)

 

 

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Musk über New­ton: “For rockets, well, there’s no way to make a rocket electric. That’s for sure. Unfor­tu­n­a­te­ly, Newton’s third law can­not be escaped”

Chrys­tia Free­land : Die Superreichen