Poli­tik ist natür­lich auch immer irgend­wie Fami­li­en­dra­ma: Die CDU spielt dabei die Rol­le der etwas alt­mo­di­schen Eltern, die den Laden zusam­men­hal­ten müs­sen, die SPD ist die stre­ber­haf­te Toch­ter mit eige­ner Fami­lie, die im Manage­ment einer gemein­nüt­zi­gen Orga­ni­sa­ti­on arbei­tet, die FDP der kin­der­lo­se Sohn mit Zahn­arzt­pra­xis, und die AfD gibt den pein­li­chen Onkel, der auf der Kon­fir­ma­ti­ons­fei­er zu spä­ter Stun­de anfängt, im Suff die ers­te Stro­phe des Deutsch­land­lieds zu sin­gen. Die Grü­nen hin­ge­gen sind der ewig jugend­li­che Rebell, der alle mit sei­nem kom­pro­miss­lo­sen Mora­lis­mus und sei­nen radi­ka­len Ideen nervt. Er hat zwar die ande­ren dazu gebracht, ihren Müll zu tren­nen und Bio­fleisch zu kau­fen (selbst die Eltern geben zu, dass es bes­ser schmeckt), aber nie­mand wür­de erwar­ten, dass er irgend­wann ein­mal Fami­li­en­vor­stand wird. Am aller­we­nigs­ten er selbst.

In die­sem Sin­ne ist wohl die Beklem­mung zu ver­ste­hen, die Robert Habeck bei sei­nen Fern­seh­in­ter­views am Sonn­tag­abend nach der Euro­pa­wahl deut­lich anzu­mer­ken war. Die Wahl­er­geb­nis­se legen nahe, dass der Grü­nen-Kapi­tän sein »Nar­ren­schiff Uto­pia« (FJS) dem­nächst zum Staats­damp­fer umta­keln muss und damit vor der unan­ge­neh­men Auf­ga­be steht, all den gro­ßen Wor­ten end­lich Taten fol­gen zu las­sen. Aber wie soll das gehen? Die Grü­nen haben vor lan­ger Zeit das Ziel eines fun­da­men­ta­len Wan­dels auf­ge­ge­ben und sich dem Mär­chen ver­schrie­ben, man kön­ne den gro­ßen, Res­sour­cen und Ener­gie ver­schlin­gen­den Behe­mo­th Indus­trie­ge­sell­schaft am Leben erhal­ten (und ihm gleich­zei­tig sei­ne sui­zi­da­le Ten­denz neh­men), indem man ihn mit Son­nen- und Wind­ener­gie antreibt und mit sei­nen eige­nen Aus­schei­dun­gen füt­tert. In den Wor­ten von wei­land Rudolf Bahro: die Brü­cke der Tita­nic mit Son­nen­blu­men schmücken.

Die Wäh­ler lie­ben die­se Geschich­te, weil sie ihnen das beru­hi­gen­de Gefühl ver­schafft, irgend­wie ihren eige­nen, res­sour­cen- und ener­gie­ver­schlin­gen­den Lebens­stil (wir sind selbst der Behe­mo­th!) auf­recht­erhal­ten zu kön­nen, ohne dabei ein schlech­tes Gewis­sen haben zu müs­sen. Irgend­je­mand wird schon ein Pas­sa­gier­flug­zeug bau­en, das mit Strom fliegt. Irgend­je­mand wird Power-to-Fuel so bil­lig machen, dass auch die Unter­schich­ten damit ihre Autos betan­ken kön­nen. Irgend­je­mand wird ein intel­li­gen­tes Netz kon­zi­pie­ren, das den Strom bedarfs­ge­recht ver­teilt, auch wenn es kei­ne Atom- und Koh­le­kraft­wer­ke mehr gibt.

Aber Habeck ist nicht dumm. Irgend­wo tief in sich drin wird er schon ahnen, dass er auf der Wel­le eines Schnee­ball­sys­tems segelt, die in abseh­ba­rer Zukunft auf den Strand schla­gen wird. Irgend­wann wird man mer­ken, dass es wenig Sinn hat, ab und zu mal auf eine Flug­rei­se zu ver­zich­ten, wenn gleich­zei­tig in Chi­na dut­zen­de neu­er Flug­hä­fen ent­ste­hen. Irgend­wann wird die mons­trö­se Steu­er­last dazu füh­ren, dass auch hier­zu­lan­de die Unter­schich­ten die gel­ben Wes­ten anzie­hen, den Knüp­pel in die Hand neh­men und den bösen Onkel wäh­len. Irgend­wann wird die Bun­des­re­gie­rung zuge­ben müs­sen, dass man fos­si­le und Kern­kraft­wer­ke gar nicht abschal­ten kann, ohne einen lan­des­wei­ten Black­out mit kata­stro­pha­len Fol­gen zu ris­kie­ren. Und wer möch­te dann schon Kapi­tän sein …?