Die 3. Generation der RAF und ihre Helfer
Es ist nun schon über drei Jahrzehnte her, und immer noch weiß niemand, wer Alfred Herrhausen auf dem Gewissen hat. Niemand außer den Tätern selbst natürlich, aber die Mitglieder der »Roten Armee Fraktion«, die man gefasst und vor Gericht gebracht hat, schweigen nach all den Jahren weiterhin hartnäckig über das Geschehene, und alle Aufklärungsversuche sind irgendwann im Sand verlaufen. Dies führte schon wenige Jahre nach der Tat zu Spekulationen – im Jahr 1992 sahen die Journalisten Gerhard Wisnewski, Wolfgang Landgraeber und Ekkehard Sieker angesichts der lückenhaft erscheinenden offiziellen Darstellung des Tathergangs und weiterer Indizien eine Verschwörung am Werk, der sie den Namen »Das RAF-Phantom« gaben. Ihre Hypothese: Die »3. Generation« der Terroristengruppe sei in Wirklichkeit eine Erfindung, gegründet und gesteuert von Geheimdiensten, um unliebsame Politiker oder Wirtschaftsbosse aus dem Weg zu räumen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Das gleichnamige Buch erlebte einige Auflagen und erfreute sich nicht nur unter Verschwörungstheoretikern einer gewissen Beliebtheit, die 1993 noch verstärkt wurde, als allem Anschein nach das flüchtige RAF-Mitglied Wolfgang Grams auf dem Bahnhof von Bad Kleinen während eines GSG9-Einsatzes vorsätzlich liquidiert wurde. Auch die Tatsache, das der wegen des Herrhausen-Anschlags gesuchte Christoph Seidler 1995 plötzlich aus seinem selbstgewählten Libanon-Exil wieder auftauchte und offenbar gar nicht zur Kommandoebene der RAF gehört hatte, schien ins Bild zu passen.
Ich gebe zu, eine Zeitlang fand auch ich selbst die Thesen des Autorentrios zumindest nicht völlig abwegig. Das hatte mit meinen damaligen Lebensumständen zu tun – ich beendete gerade mein Studium und lernte durch eine Verkettung nicht weiter erwähnenswerter Zufälle ein paar Leute von der Münchner Filmhochschule kennen, die einen Drehbuchautor suchten, mit dem sie historische und politische Stoffe umsetzen konnten. Einer davon drückte mir das »RAF-Phantom« in die Hand und bot mir an, gemeinsam ein Drehbuch zu entwickeln, das auf der darin entwickelten Verschwörungstheorie basieren sollte. In diesem Moment übernahm der Fabulierer in mir das Kommando, und der Historiker musste erst einmal zurückstehen. Was für eine Geschichte …! Weiterlesen