Ich wollte vorgestern eigentlich nur auf der Leipziger Buchmesse meinen Verleger treffen und vorher ein wenig schauen, was die Konkurrenz so treibt. Stattdessen geriet ich zufällig in einen Tumult, der sich um den Messestand des Compact-Magazins herum entfaltete. So um die zweihundert Leute reckten Fäuste und Transparente in die Höhe und brüllten lautstark Parolen gegen die Anwesenheit der Zeitschrift auf der Buchmesse. Die Atmosphäre war aggressiv aufgeladen und schien kurz vor der Explosion zu stehen, was noch durch die Anwesenheit breitschultriger Security-Leute an den Ecken des burgartigen Messestands verstärkt wurde. Gott sei Dank passierte nichts Schlimmes (bzw. war es schon passiert).
Ich habe diese Zeitschrift noch nie gelesen, und nach allem, was ich über die dort verbreiteten Inhalte gehört habe, wird es auch weiterhin bei dieser Nichtbekanntschaft bleiben. Aber – solange von den Redakteuren nichts strafrechtlich Relevantes getan oder verlangt wird, haben diese Leute Gott verdammt nochmal das Recht, ihre Meinung zu sagen! Was ist mit der Freiheit los, die doch angeblich immer jene des Andersdenkenden sein soll? Was wäre, wenn im Gegenzug ein paar Skinheads den Messestand der taz stürmen? Andere niederzubrüllen, weil einem ihre Ansichten nicht gefallen, ändert weder die Ansichten, noch wird es irgendjemanden dazu bringen, diese nicht mehr zu teilen. (Die Leipziger Volkszeitung behauptet, hier habe es eine »Spontandemo« von Messebesuchern gegeben – wer bringt denn bitteschön »spontan« Plakate und Transparente zur Buchmesse mit…?)
Am Vorabend hatten meine Gastgeber mir von den Straßenkämpfen erzählt, die sich im letzten Dezember in der Leipziger Südvorstadt abgespielt hatten, wo sie leben. Vor ihrer Haustür türmten Autonome Mülltonnen zu Barrikaden auf und steckten sie in Brand, später wurden Bankautomaten – Symbole des bösen Kapitalismus – zerstört und eine Bushaltestelle zerschlagen. (Ich hoffe, die Jungs haben vorher noch Geld gezogen, um am nächsten Tag einkaufen gehen zu können.) Anlass des Ganzen war offenbar eine eher kleine Neonazi-Demo, die mit ihrem Aufmarsch die Linken provozieren wollten.
Wo soll das eigentlich hinführen? Auf der einen Seite Pegida und die Glatzen, auf der anderen der Schwarze Block und das Kommando Norbert Blüm? Wohin Weimar geführt hat, wissen wir doch wohl.