Autorenblog

Monat: Juni 2014

Nie nicht kein „The Wire“ hier

Bin heu­te im Tag­träu­mer­mo­dus: ein­mal eine Geschich­te für das Fern­se­hen erzäh­len, die noch kei­ner erzählt hat! Mit Hand­lungs­bö­gen, die sich über meh­re­re Fol­gen erstre­cken, lebens­na­hen und doch kunst­vol­len Dia­lo­gen, rea­lis­ti­schen Figu­ren und jeder Men­ge Wut über den Zustand, in dem sich das Land und unse­re Gesell­schaft befin­den. Ein­mal wirk­lich aus dem Leben schöp­fen, wie David Simon, der sich nach dem erzwun­ge­nem Ende sei­ner Jour­na­lis­ten­kar­rie­re erst­mal ein Jahr lang an eine Stra­ßen­ecke stell­te, um die Leu­te zu ver­ste­hen, die dort Dro­gen verkauften!

Simon ist, wie inzwi­schen all­ge­mein bekannt sein dürf­te, der krea­ti­ve Kopf hin­ter der US-ame­ri­ka­ni­schen Fern­seh­se­rie “The Wire”, bei der über fünf Staf­feln hin­weg aus ver­schie­de­nen Blick­win­keln die gesell­schaft­li­chen und poli­ti­schen Ver­hält­nis­se in Simons Hei­mat­stadt Bal­ti­more beleuch­tet wer­den. Die vom Bezahl­sen­der HBO von 2002 bis 2008 pro­du­zier­te Serie ist (zumin­dest in ihren ers­ten drei Staf­feln) tat­säch­lich das Meis­ter­werk der Erzähl­kunst, als das sie inzwi­schen land­auf, land­ab ange­prie­sen wird, und so kann es nicht ver­wun­dern, dass mitt­ler­wei­le so gut wie jeder deut­sche TV-Regis­seur, der etwas auf sich hält und mit­sch­nacken will, das Bal­ti­more-Epos im Inter­view zu sei­nem neu­es­ten Fern­seh­se­ri­en­pro­jekt als Inspi­ra­ti­ons­quel­le und Vor­bild erwähnt.

Ganz expli­zit war das bei “Im Ange­sicht des Ver­bre­chens” der Fall, einer ARD-Serie, die nicht nur einen sel­ten däm­li­chen Titel auf­wies, son­dern lei­der auch die eige­nen Ansprü­che nicht hal­ten konn­te. Ja, ja, da zogen sich “Hand­lungs­strän­ge über meh­re­re Ebe­nen”, und “ästhe­ti­sche Kame­ra­bil­der” gab es auch, aber der Plot dreht sich wie­der nur um den­sel­ben alten Quark, dies­mal dar­ge­bo­ten in einer kom­plett arti­fi­zi­el­len Welt, die von irgend­ei­ner “Rus­sen­ma­fia” han­deln soll, die in irgend­ei­ner Stadt namens “Ber­lin” eine irgend­wie gear­te­te “Unter­welt” beherrscht. Ach ja, und die Schwes­ter des Poli­zis­ten ist natür­lich mit dem Ober-Mafio­so liiert. Jim­my McNul­ty, hilf! Wei­ter­le­sen

Mein Beileid

Durch einen Todes­fall in der nähe­ren Fami­lie hat­te ich in den letz­ten Wochen und Mona­ten aus­gie­big Gele­gen­heit fest­zu­stel­len, dass die meis­ten Leu­te nicht mehr kon­do­lie­ren kön­nen. Nein, ich mei­ne nicht die Sache mit den Trau­er­kar­ten, dem Hän­de­druck am Grab usw., das funk­tio­niert alles noch ganz problemlos.

Aber neh­men wir ein­mal an, ich begeg­ne einem Bekann­ten, einem nicht so engen Freund oder einem Drit­ten, die jeweils noch nichts von dem Todes­fall wis­sen. Sie fra­gen dann viel­leicht “Wie geht’s?”, und ich sage “Na ja, geht so. Mei­ne Mut­ter ist vor kur­zem gestor­ben. Das braucht sei­ne Zeit.” Und was kommt dann?

Meis­tens irgend so ein Her­um­ge­stot­te­re – “äh, oh, mein Gott, ach je… öh” und der­glei­chen. Man räus­pert sich und guckt mich ganz betrof­fen an, sagt aber nichts wei­ter. Zur Not kommt noch “Oh, das tut mir leid”, weil man den Spruch mal in einer schlecht syn­chro­ni­sier­ten US-Fern­seh­se­rie gehört hat. Im Eng­li­schen sagt man in der Tat Oh, I’m sor­ry oder I’m sor­ry to hear that, wenn jemand gestor­ben ist, und aus irgend­ei­nem Grund macht sich von den Syn­chron­stu­di­os in der Regel kei­nes die Mühe, dafür die rich­ti­ge Form auf Deutsch zu finden.

Die lau­tet näm­lich “Mein Bei­leid”. Okay? “Mein Bei­leid”!!! Man kann dann dem ande­ren noch die Hand geben, fra­gen, ob es uner­war­tet kam oder eine lan­ge Krank­heit zu über­ste­hen war, sol­che Sachen. Das ist alles kein Pro­blem. Wenn man den Trau­ern­den bes­ser kennt, aber zufäl­lig nicht die Todes­an­zei­ge in der Zei­tung gese­hen hat, darf man ihn auch in den Arm neh­men, noch weni­ger ein Problem.

Aber bit­te nicht her­um­stot­tern oder “Tut mir leid” sagen. Danke.

© 2024 Bernd Ohm

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